Das Besucherinformationszentrum der Grube Messel in Darmstadt
(in: BAUKULTUR 1-2011, S. 23-25)
Eingangsbereich des Museums (Foto: landau + kindelbacher / Jan Bitter)
Architektonische Idee
Die Schichtung des Ölschiefers als Genius Loci bildet die grafische Grundidee des Entwurfs. Wie eine Erdscholle bricht sich das Gebäude von der bestehenden Winkelstützwand los und orientiert sich mit seinen signifikanten monolithischen Wandscheiben zur Grube - dem eigentlichen Höhepunkt des Ortes. Diese Bewegung gipfelt in dem auskragenden Aussichtssteg, von welchem aus man einen Überblick über das Forschungsgelände erhält. Der Besucher durchwandert sinnbildlich die Erdschichten und betritt ein einmaliges Raumgefüge, das keine Analogie zu herkömmlichen Gebäudetypen aufkommen lässt.
Der Bau selbst ist exakt auf die Ausstellung mit ihren spezifischen Anforderungen zugeschnitten. So stimmen die Ausstellungsräume in ihrer Gesamterscheinung sofort auf die jeweils erläuterte Thematik ein. Erreicht wird dies durch einfache, aber wirkungsvolle Mittel der Architektur wie Enge oder Weite, Hell- oder Dunkeleffekte, hohe oder geringe Raumhöhen. Die Wahl der Materialien erfolgte bewusst schlicht und zurückhaltend, um einer freien Bespielbarkeit durch wechselnde szenografische Einbauten nicht im Wege zu stehen. Gleichzeitig ist dabei ein Gebäude entstanden, welches durch seine Gestalt und die geschaffenen Atmosphären den Alltag ausblendet und nachhaltig in Erinnerung bleibt.
Ausstellungsrundgang
Durch die chronologische Raumabfolge wird der Besucher intuitiv durch die Ausstellungsräume geleitet und kann sich ungestört auf deren Attraktionen einlassen. Im Foyer beginnt der Rundgang mit dem Besuch des Kinos, einem Ort des Ankommens und Entschleunigens, in dem mittels eines einführenden Films ein Überblick über den Ort und seine Geschichte gegeben wird.
Beginnend mit dem Raum, der sich der Vermittlung der Entstehung eines Maarsees widmet, zieht sich die Ausstellung wie ein roter Faden durch die Räumlichkeiten: mit einem Zeitsprung in die Zeit vor 47 Mio. Jahren begibt sich der Besucher sinnbildlich ins Erdinnere. In einer virtuellen Fahrt gerät er auf eine Reise hinab in 433m Tiefe – unterstützt durch akustische und optische Simulationen. Wieder „festen Boden unter den Füßen“ schreitet man nun ausgewählte Teile des realen Forschungsbohrkernes physisch ab. Beginnend im Erdinneren bewegt man sich in dem dunklen engen Raum mit Bergwerkscharakter nach oben dem Licht entgegen. Dort hat man die Möglichkeit, die sich im fließenden Übergang angrenzenden Themengärten zu besuchen, oder man setzt den Rundgang im Inneren fort. Im Kontrast zum beengten Bohrkern öffnet sich dem Besucher nun ein hoher, lichtdurchfluteter Raum, der die Atmosphäre eines Regenwalds vermitteln soll. Das Leben in und um den damaligen See von Messel soll mit verbindenden Elementen zu heutigen Urwäldern und Seen erlebbar gemacht werden.
Im darauf folgenden Raum macht ein Schaulabor die verschiedenen Stadien und Methoden einer Präparation anschaulich, die es erst ermöglichen, dem sensiblen Material Ölschiefer seine Schätze dauerhaft zu entlocken. Höhe- und zugleich Schlusspunkt der Ausstellung ist die Schatzkammer, wo zum Teil wechselnde Präparate künstlerisch ansprechend präsentiert werden. Wie ein Schmuckkästchen inszeniert sich dieser Raum.
"Schatzkammer" als Höhepunkt der Ausstellung (Foto: landau + kindelbacher / Jan Bitter)
Außenräume
Die Landschaftsarchitektur und die Szenographie greifen das architektonische Konzept auf und unterstützen dieses. So werden im Themengarten und in den Außenanlagen vor Ort vorgefundene Materialien wie Ölschiefer, Ytong-Bruch oder Rückstände aus der Ölgewinnung bis hin zur Verwendung von Pflanzen in die Gestaltung integriert, welche die Anmutung der Grube in früherer Zeit bereits geprägt haben. Die Ausstellungsarchitektur intensiviert die Raumstimmungen durch Farbwahl und Materialität sowie abwechslungsreich gestaltete Exponate, die in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern speziell entwickelt wurden.
PROJEKTDATEN
Wettbewerb: 2006
Bauzeit: 09/2008 - 08/2010
HNF: 870 m2 (NF 1-6a)
BGF: 2.003 m2
BRI: 6.764 m3
Bauherr: Land Hessen, Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst, vertreten durch das Hessische Baumanagement Regionalniederlassung Süd
Nutzer: Welterbe Grube Messel gGmbH, Messel
Planung: landau + kindelbacher architekten – innenarchitekten GmbH, München (Generalplanung)
Projektleitung: Constanze Linke
Landschaftsplanung: Keller & Damm Landschaftsarchitekten Stadtplaner Partnerschaft, München
Szenographie: Holzer Kobler Architekturen, Zürich