BAUKULTUR 2_2014: Editorial

Mechthild Heil, Mitglied des Deutschen Bundestages
(in: BAUKULTUR 2_2014, S. 3)

Liebe Leserinnen und Leser,
verehrte Freunde der Baukultur,

„Architektur ist eine Art Macht-Beredsamkeit in Formen, bald überredend, selbst schmeichelnd, bald bloß befehlend“ schreibt Nietzsche in seinem Spätwerk Götzendämmerung. So treffen Politik und Architektur zusammen: Der Politiker strebt danach, die gesellschaftlichen Verhältnisse zu verbessern, und der Architekt bannt dieses Streben in Form, meißelt seine Sicht auf die Gesellschaft buchstäblich in Stein.

Burgen, Paläste, Kirchen, Rathäuser und Regierungssitze spiegeln die Herrschaftsansprüche der Bauherren wider, sind aber auch zugleich Bilanz und Ausblick ihres Schaffens. In Demokratien werden nicht die Machtansprüche einzelner in Beton gegossen, sondern die Architektur will die Herrschaft des Volkes sichtbar, greifbar machen. Deshalb strahlen die Gebäude des Deutschen Bundestages auch Transparenz und Zugänglichkeit aus. Große Fensterfronten, öffentliche Wege rund um alle Gebäude und die gläserne – und begehbare – Reichstagskuppel zeigen: Die Politik ist für das Volk da und nicht umgekehrt. Deshalb ragen die Besuchertribünen im Plenarsaal auch weit in den Raum hinein. Der Besucher ist mittendrin im politischen Geschehen, er kann den Parlamentariern buchstäblich über die Schulter schauen. Der Anspruch der Architektur lautet: Nichts soll hinter verschlossenen Türen geschehen.

Als meistbesuchtes Parlamentsgebäude der Welt muss auch dessen Architektur von den Qualitäten der Bundesrepublik Deutschland überzeugen, Struktur genauso, wie die innere technische Ausstattung. Hier war man Ende der 1990er Jahre beim Bau der Bundestagsliegenschaften schon recht fortschrittlich: Solarpaneele auf den Dächern, Kältespeicherbrunnen, die im Sommer als Klimaanlage dienen, und eine multifunktionale Kuppel mit Spiegeltrichter, die zugleich der Belichtung und Entlüftung dient, machen den Bundestag zu einem energetischen Selbstversorger. Und auch für diese Wahlperiode wollen wir die „mit Bundesbauten verbundene Vorbildfunktion“ wahrnehmen – „insbesondere bei Baukultur und Energieeffizienz“.

Mittlerweile ist Energieeffizienz nicht mehr nur Kür für Bundesbauten, sondern gesamtgesellschaftliche Pflicht. Denn die Energiewende ist eine der größten Herausforderungen für Politik und Gesellschaft in dieser Wahlperiode. Damit Deutschland das ambitionierte Ziel erreichen kann, dass bis zum Jahr 2050 insgesamt 80 % der Energieversorgung aus erneuerbaren Energiequellen gespeist werden, müssen alle mitmachen.

Deshalb gestaltet die große Koalition Deutschlands Zukunft, indem wir die energetische Stadtsanierung und die energetische Gebäudesanierung voran treiben: „Wir werden das energieeffiziente Bauen und Sanieren als entscheidenden Beitrag zur Energiewende weiter fördern und wollen dafür sorgen, dass qualitätsvolles, energiesparendes Wohnen für alle bezahlbar bleibt. Das Wirtschaftlichkeitsgebot, Technologieoffenheit und der Verzicht auf Zwangssanierungen bleiben feste Eckpunkte des Energiekonzepts.“

Und so kommen in dieser Wahlperiode Politik und Architektur wieder stärker zusammen: Wir werden die Innovationskraft und das hohe Niveau deutscher Bautechnik und die Gestaltungskraft der Architekten weiter fördern und intensivieren. Dabei geht es um Verantwortung. Politik, Architektur und die gesamte Bauindustrie tragen eine gesamtgesellschaftliche und generationenübergreifende Verantwortung. Die Energiewende ist ein Aspekt. Hinzu kommen aber auch altersgerechtes Wohnen und der soziale Wohnungsbau, die Stadtsanierung und der Schutz unserer historischen Bausubstanz.

Wir haben viel vor in dieser Wahlperiode. Jetzt müssen wir die Ärmel hochkrempeln und es anpacken. Als Architektin und Politikerin freue ich mich darauf!

Ihre
Mechthild Heil
Mitglied des Deutschen Bundestages

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