Werksgebäude in Kaufbeuren
(in: BAUKULTUR 6_2014, S. 12-13)
Wie eine campusartig aufgelockerte „grüne Fabrik" fügt sich das neue Werk des Unternehmens HAWE Hydraulik nach Plänen des Architekturbüros Barkow Leibinger in den landschaftlichen Kontext am Rand des bayerischen Allgäus ein.
Die in der Ansicht schräge Kontur der Sheddächer setzt sich in den Fassaden fort (Foto: © David Franck)
Aufgelöstes Bauvolumen
4 Produktionshallen für die Herstellung von Mobilhydrauliksystemen und -komponenten legen sich wie Windmühlenflügel um einen zentralen Innenhof, der von Büros, Besprechungsräumen und einer Kantine eingefasst wird. So entstand trotz der enormen Größe des Werks mit knapp 50.000 m² BGF eine aufgelockerte, differenzierte Gebäudefigur. Unterstützt wird die Auflösung des großen Bauvolumens durch Shed-dächer, die den Produktionshallen eine rhythmisch bewegte Silhouette verleihen. Ihre Geometrie setzt sich in den Fassaden aus polygonal zugeschnittenen Feldern aus Trapezblech, Glas und transluzentem Profilbauglas mit einer umlaufenden Gesamtlänge von 1,8 km fort.
Innere Organisation
Das 4-flügelige Organisationsprinzip entspricht dem betrieblichen Produktionsprozess, einem kreisförmigen Ablauf durch alle 4 Hallen vom Wareneingang über die Vorfertigung, Dreh- und Blockfertigung, Oberflächenbearbeitung und Montage bis zum Warenausgang. So ist gute Orientierung gewährleistet und, dank der offenen Fugen zwischen den Baukörpern, auch natürliche Belichtung – wichtige Komponenten guter Arbeits- und Aufenthaltsqualität sowie effizienter Abläufe. Darüber hinaus ist eine hohe Flexibilität in der Flächenbelegung und optionalen Erweiterbarkeit durch die Verlängerung einzelner Hallen geboten.
In die Zwischenräume der Hallen aus vorgefertigten Stahlbetonelementen fügen sich schmale, in Ortbetonbauweise erstellte „Mittelbauten“, die sich im Zentrum um den Innenhof zusammenschließen. Sie enthalten Büros mit unmittelbarem räumlichem Anschluss an die Produktionsbereiche sowie im Obergeschoss Besprechungsräume und die Kantine mit Außenterrassen, von denen sich weite Blicke in die Landschaft bis in die Alpen eröffnen.
Der nördliche Mittelbau schiebt sich bis über die Hallenkante hinaus nach außen, wo er einen „Kopfbau“ für die repräsentative Eingangs-Lobby und die Büroräume der Werksleitung bildet.
Durch monolithische Bauweise und niedrigere Raumhöhen entsteht in den Mittelbauten ein zur Nutzung passendes, anderes Raumgefühl als in den bis zu 8 m hohen Produktionshallen. Sie nehmen zusätzlich ein von den Fahrwegen getrenntes Gehwegsystem auf, das als räumlicher Puffer zwischen den beiden Nutzungsbereichen dient und gleichzeitig Besuchern schnelle Orientierung bietet.
Ein von den Fahrwegen getrenntes Gehwegsystem dient als räumlicher Puffer zwischen Bürobereich und Produktion (Foto: © David Franck)
Baukonstruktion und Energiekonzept
Die Konstruktion zielt auf maximale Flexibilität und Wirtschaftlichkeit des Hallenkomplexes ab: Sowohl die weit spannende Tragstruktur aus Stahlbeton wie auch die tragenden Sandwichelemente aus Stahlblech zur Dacheindeckung wurden vorgefertigt, was eine kurze Bauzeit ermöglichte. Besonderheiten im Tragwerk sind die ebenengleiche Fügung an den Knotenpunkten sowie abgerundete Aussparungen in den Bindern zur Führung der offen verlegten Leitungen. So lassen sich durch die Verzahnung der Leitungsebenen für Elektro, Belüftung und Beleuchtung die Produktionsmaschinen flexibel auf- und umstellen.
Die vorgefertigten Elemente der Sheddächer sind in den Produktionsbereichen mit hoher Lärmemission unterseitig als Akustikdecken ausgeführt. Ihre Ausrichtung mit Fenstern zur Nordseite und Dachschrägen zur Südseite verhindert Wärmeeintrag und sorgt für eine gleichmäßige Ausleuchtung der Hallen, deren hellgraue Böden das einfallende Licht reflektieren. Sie optimiert außerdem den Wirkungsgrad der Photovoltaikanlage, die auf den Dachschrägen einer der Hallen im idealen Winkel installiert wurde und einen wichtigen Baustein des Energiekonzepts bildet. Dieses beinhaltet darüber hinaus ein Wärmerückgewinnungssystem, bei dem die Abwärme der Maschinen in das zentrale Heiz- und Kühlnetz integriert wird. Die Strom- und Kälteerzeugung erfolgt ansonsten über ein gasbetriebenes Blockheizkraftwerk.
Das Abwasser aus der Produktion wird über eine Verdampfungsanlage vollständig wieder in den Prozess integriert. Ein modernes Energiemanagement erfasst, regelt und steuert den Verbrauch der Gebäudetechnik. Im gesamten Gebäudekomplex kommen ausschließlich LED-Leuchten zum Einsatz. Insgesamt wurde durch die hohe Energieeffizienz und ein besonders gutes Wärmedämmverhalten der Fassade mit 3-fach-Verglasung und transluzenter Wärmedämmung in den Profilbauglaselementen eine Unterschreitung der Vorgaben der EnEV um mehr als 20 % erreicht.
Den Zuschlag für die Planung des Projekts erhielt Barkow Leibinger nach einem Wettbewerb im Jahr 2008. Bedingt durch die schwierige gesamtwirtschaftliche Situation im Jahr 2009 mussten die Planungen unterbrochen und der Entwurf überarbeitet werden. Im Sommer 2014 wurde das Projekt nach zweijähriger Bautätigkeit im vorgesehenen Zeit- und Kostenrahmen fertig gestellt.