Neubau eines Forschungsgebäudes in Bayreuth

Regelmäßige Unregelmäßigkeit
(in: BAUKULTUR 4_2016, S. 12-13)

Am südlichen Stadtrand von Bayreuth wurde im Juli 2015 der Neubau des Fraunhofer-Zentrums für Hochtemperatur-Leichtbau HTL eingeweiht. Das Forschungsgebäude wurde von der EU, vom Bund und vom Freistaat Bayern mit 20 Mio. Euro finanziert. Es bietet auf einer Nutzfläche von 2.600 m² Platz für 80 Mitarbeiter. Der Entwurf stammt vom Büro kister scheithauer gross architekten und stadtplaner.

Hohe Temperaturen – Effiziente Lösungen
Das Fraunhofer-Zentrum für Hochtemperatur-Leichtbau HTL forscht an neuen Werkstoffen und Komponenten für den Einsatz bei hohen Temperaturen. Dazu gehören keramische und metallische Bauteile sowie Komposite, die in einer geschlossenen Prozesskette vom Bauteilentwurf über das Materialdesign bis zur Fertigung im Technikumsmaßstab entwickelt werden. Bisher werden in Deutschland mehr als 10 % der Primärenergie für industrielle Wärmebehandlungen verbraucht. Für diese Prozesse energieeffiziente Lösungen zu finden, darin liegt der Forschungsschwerpunkt des Fraunhofer-Zentrums HTL.

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Die Keramikfassade verweist bereits aus der Ferne auf die Forschungsschwerpunkte des Fraunhofer-Zentrums HTL (Foto: Yohan Zerdoun)

Städtebauliche Aspekte
Das neue Forschungsgebäude befindet sich auf dem Technologiehügel im Bayreuther Stadtteil Wolfsbach. Damit markiert es den südlichen Endpunkt der sog. Technologieachse, an der in den kommenden Jahren gezielt Forschungs- und Wirtschaftsunternehmen angesiedelt werden sollen, um das Profil der Stadt Bayreuth als Wissenschafts- und Hightech-Standort zu schärfen.
Der Neubau besteht aus einem 3-geschossigen langgestreckten Bürotrakt und einem kompakt geplanten Technikum. Im Bürotrakt scheinen die Obergeschosse über dem vollverglasten Erdgeschoss zu schweben, was den Bezug zum Thema Leichtbau herstellt. Fensterbänder versorgen die Büroräume mit ausreichend Tageslicht. Sie ziehen sich im Nordwesten um die Gebäudeecke herum, um die Orientierung des Gebäudes Richtung Bayreuth zu signalisieren. Der Ausblick über die Stadt und in die umgebenden Mittelgebirge führt zu einer hohen Identifizierung der aus der Region pendelnden Mitarbeiter mit ihrem Arbeitsplatz. Weiterhin wird das Gebäude durch die Ausnutzung der Hanglage von der westlich vorbeiführenden Autobahn und von der Bundesstraße sehr gut wahrgenommen.

Keramikfassade
Bei der Gestaltung des Gebäudes legten die Architekten größten Wert darauf, dass sich die Forschungsinhalte in der Fassade widerspiegeln. So entschieden sie sich für eine hinterlüftete Fassade mit einer Verkleidung aus Keramikplatten. Glasierte Keramik wird bei sehr hohen Temperaturen gebrannt und kann während des Brennprozesses feine Risse ausbilden. Die Folge ist eine engmaschige, unregelmäßige Oberflächenoptik. Dieses herstellungsbedingte Motiv der Craquelébildung setzten die Architekten gestalterisch um. Sie entwarfen insgesamt 6 geometrisch gemusterte Fassadenplatten, die vom Format her identisch sind, jedoch in ihrer grau-weißen Farbigkeit variieren. Diese wurden nach einem vorgegebenen Schema gleichmäßig über die Gesamtfassade verteilt. Auf diese Weise erscheint sie bei ausschnittweiser Betrachtung zwar unregelmäßig, insgesamt aber ergibt sich ein ruhiges harmonisches Fassadenbild.
Die Fassadenplatten ziehen sich sowohl über den Bürotrakt als auch über das Technikum, sodass die beiden Nutzungsbereiche nach außen hin optisch zusammengebunden werden. Im Technikum bestimmte die Fassadenstruktur sogar die Form der Fenster. Die großformatigen Trapezfenster verleihen nicht nur der Fassade ihre charakteristische Ausprägung. Mit ihrer soliden konstruktiven Schwere sorgen die bodentiefen Fenster auch in den dahinter liegenden 9 m hohen Technikumshallen für stimmige Raumproportionen und ein angenehmes Arbeitsklima mit einem hohen Bezug zum Außenraum.

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Die Fassadenstruktur bestimmte sogar die Form der trapezförmigen Fenster im Technikum (Foto: Yohan Zerdoun)

Verglasung
Das Fassadensystem im Technikum besteht aus einer Pfosten-Riegel-Konstruktion mit Festverglasung. Im Scheibenzwischenraum sind zur Tageslichtlenkung feststehende, dreidimensional geformte Stahllamellen integriert, die eine indirekte Beleuchtung zur Raumdecke bei partieller Durchsicht gewähren. Die Lamellen reflektieren einen Großteil der solaren Strahlung nach außen und schützen dadurch den Innenraum vor direkter Sonneneinstrahlung. Im Sommer verringern sich durch den deutlich reduzierten Wärmeeintrag ins Gebäude außerdem die Kühllasten.
Die Fenster im Bürotrakt sind mit einer Zweifach-Sonnenschutz-Isolierverglasung ausgestattet. Der Wärmedurchgangskoeffizient beträgt U < 1,1 W/m²K, der Gesamtenergiedurchlassgrad der Verglasung liegt bei g < 0,27. Komfortabel sind auch hier die Sonnenschutzlamellen, die aus gerollten Edelstahlhohlprofilen bestehen. Sie sind so geformt, dass sie bei einem Sonnenstand von 20 Grad über dem Horizont die direkte Sonneneinstrahlung ausblenden. Dadurch heizen sich die Räume nicht so stark auf und sind trotzdem hell. Auch sind die Abstände zwischen den Profilen so bemessen, dass die Aussicht kaum eingeschränkt ist. Ein für den exponierten Standort wichtiges Kriterium war auch, dass der Sonnenschutz hohen Windgeschwindigkeiten standhält.

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Räumliche Leichtigkeit prägt das vollverglaste Foyer im Erdgeschoss des Bürotrakts (Foto: Yohan Zerdoun)

Gebäudetechnik
Die Verbesserung der Energieeffizienz bei industriellen Wärmebehandlungsprozessen ist das zentrale Thema des HTL. Entsprechend galt es, auch innerhalb der Gebäudetechnik energieeffiziente Lösungen umzusetzen. So erfolgt die Versorgung des Gebäudes mit Wärmeenergie über ein Brennwert-Blockheizkraftwerk zur Grundlastabdeckung in Verbindung mit einem Brennwert-Heizkessel zur Spitzenlastabdeckung. Ein Pufferspeicher erhöht die Vollbenutzungsstunden des BHKWs, worüber die Lüftungsgeräte im Technikum, die in den Büroräumen integrierte Bauteilaktivierung, die statischen Heizflächen und die Fußbodenheizung im Foyer versorgt werden. Über einen 60 m langen Erdwärmetauscher wird im Winter die Außenluft für die Lüftungsanlage vorerwärmt und im Sommer vorgekühlt. Im Sommer übernimmt Photovoltaik den Betrieb der Kompressionskältemaschine zur Klimatisierung der Laborflächen und zur Kühlung der wissenschaftlichen Geräte. Mit diesen Maßnahmen erfüllt das Technikkonzept die Anforderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG).

Genderhinweis
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