AIV Stuttgart: Frei Otto Förderpreis 2016

(in: BAUKULTUR 3_2017, S. 10-11)

Der vom AIV Stuttgart initiierte Ideenwettbewerb „Flexible Space“ für Studierende der Universität Stuttgart, der Hochschule für Technik Stuttgart, der Kunstakademie Stuttgart und der Hochschule Biberach hatte zum Gegenstand die Umsetzung eines Entwurfsprojekts im Geiste der Ideen, Ansätze und Visionen des Stuttgarter Architekten Frei Otto. Frei Otto gilt weltweit als Pionier der Leichtbauweise, als Forscher in den Bereichen Architektur, Ingenieurwesen, Biologie und Sozialwissenschaften und als Autor grundlegender Veröffentlichungen. Sein Ausruf „Hört endlich auf zu bauen, wie ihr baut!“ von 1977 ist angesichts schwindender Ressourcen und steigenden Energie- und Materialbedarfs heute so aktuell wie damals.

Wettbewerbsaufgabe und Preisgericht
Eine multifunktionale Begegnungsstätte für 500 Personen (bestuhlt) mit einer stützenfreien Fläche von ca. 1000 m2 sollte als Leichtbau nach neuesten Erkenntnissen unter Anwendung von Prinzipien der Formfindung und der Bionik geplant werden. Gefragt waren unkonventionelle, fantasievolle, nachhaltige und neuartige Lösungen. Mitglieder des Preisgerichts waren Prof. Stefan Schäfer (Vorsitzender), Andreas Keil,
Prof. Berthold Burkhardt,
Prof. Dr. Jan Cremers, Dr. Alexander Michalski, Jürgen Bradatsch, Dr. Switbert Greiner, Hans-Günther Friedrich, Arne Rüdenauer und Michael Balz.

Das Preisgericht entschied sich für einen 1. Preisträger, drei 2. Preisträger sowie drei Anerkennungen.

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1. Preis: Ramon Weber, Ayanna Mitupova, Tiago Carvalho

1. Preis
Ramon Weber, Ayanna Mitupova, Tiago Carvalho
Universität Stuttgart

Der Entwurf überzeugt durch architektonische Klarheit und Einfachheit. Das Prinzip Leichtbau wird durch die vorgespannte Dachmembran und die leichte Stützstruktur erreicht.
Die Dachhaut spannt sich zwischen zwei Kreisringen unterschiedlicher Durchmesser. Die daraus resultierenden differenten Kräfte werden durch Verstärkungen im oberen Druckring aufgenommen. Die diagonalen Unterstützungen des Druckrings bildet ein ringförmiger Konoid, der sich ebenfalls als Minimalkonstruktion ausbilden lässt, da bei den sich kreuzenden Stäben die Knicklängen reduziert sind. Die Verflechtung von Innen- und Außenraum lässt eine sehr gute kontextuelle Einbindung in eine Parklandschaft erwarten. Durch eine umschließende Membran könnte die Fassade witterungsbedingt reagieren. Insgesamt stellt der Beitrag eine leichte, aber auch realisierbare Architektur mit minimalem Aufwand dar.

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2. Preis: Peter Kovač, Tianshuo Zhang

2. Preis
Peter Kovač, Tianshuo Zhang
Universität Stuttgart

Eine „wolkenartige“ Überdachung wird als Pneukonstruktion vorgeschlagen. Durchlässigkeit und Durchwegung in einer Parklandschaft lassen eine gute stadträumliche Verflechtung erwarten. Die gewählte „Aufpumpmethode“ in Form einer elektrischen Luftpumpe wird kritisch bewertet. Grundrissorganisation und Zonierung sind gelungen. Eingestanzte Lichtaugen lassen einen spannenden Innenraum entstehen, ergeben jedoch aufwändigere konstruktive Eingriffe. Die Bodenverankerung erscheint etwas unterdimensioniert und im Detail verbesserungsbedürftig. Insgesamt kann die Arbeit durch Leichtigkeit und temporären Charakter überzeugen.

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2. Preis: Marina Schmid

2. Preis
Marina Schmid
Universität Stuttgart

Die Gitterschale mit beidseitiger Membran wird durch Unterdruck stabilisiert. Der Zugang und die flexible Grundrissstruktur sind gut organisiert. Die Verbindung der Rundrohre aus CFK mittels Gerüstschellen wird im Zusammenhang mit einem Glasfaservlies kritisch betrachtet. Die durch den Unterdruck gepressten Füllmaterialien reduzieren die Drehbewegung durch Scheibeneffekte und schaffen eine nur bedingt wirksame thermische Hülle. Hinterfragt werden die Montage der innenliegenden Membran und die Dauerhaftigkeit der Unterdruckfunktion. Die Konstruktion überzeugt hinsichtlich der Wahl der Hüllfläche durch funktionale Vielfalt.

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2. Preis: Uli Schaller, Jo F. Effenberger

2. Preis
Uli Schaller, Jo F. Effenberger
Universität Stuttgart

Die Kombination von Stahlbetonschale und Membrankonstruktion überzeugt in ihrer floralen Gesamtfigur. Die Formfindung mittels Hängemodellen wird positiv bewertet. Die Schalenkonstruktion erscheint etwas zu flach und zu schlank ausgebildet. Das Heranziehen der Membran zur Stabilisierung der Schalenkonstruktion wird kritisch bewertet. Der Zugang kann nicht überzeugen, zudem sind die Membrananschlüsse als luftoffene, regendurchlässige Anschlusspunkte ausformuliert. Die semitransparente Membran lässt eine spannende Erscheinung bei Nacht erwarten. Die Arbeit überzeugt in ihrer Gesamtgestaltung.

Anerkennungen erhalten Julian Länge, David Horvath, Patric Trauschke, Natasha Nathan und Gesche Falkenberg.

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