Mit dem Ort verwachsen

Wohn- und Geschäftshaus in Landshut
(in: BAUKULTUR 1_2019, S. 24-25)

Die imposante Burg Trausnitz über den Dächern von Landshut stammt aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts. Heute steht der Festung ein minimalistischer Neubau zur Seite. Das moderne Wohn- und Geschäftshaus am Rande der Altstadt und zu Füßen des bewaldeten Burgberges will kein provokanter Gegenentwurf zu den traditionellen Bestandsbauten sein. ALN Architekten haben ein geradliniges und stilvolles Gebäude aus Sichtbeton und Cortenstahl realisiert, das so harmonisch wirkt, als sei der Bau schon immer dort gewesen.

Kotzan Wohnhaus 1

Behutsames Entwurfskonzept
Die Entwurfsplaner betrachten „kein Objekt ohne Umfeld, kein Gebäude ohne den dahinter liegenden Berg. Oder das Feld. Oder das Nachbargebäude“. Wegen der vorhandenen architektonischen Gegebenheiten waren die Widrigkeiten bei diesem Bauvorhaben nicht gering: Gotische Bürgerhäuser dominieren die Altstadt bzw. unmittelbare Umgebung, aber auch Renaissance- und Barockbauten sind vereinzelt zu finden. Dieses traditionelle Bauumfeld erforderte ein sehr behutsames Entwurfskonzept. Entstanden ist ein monolithisch wirkendes Gebäude mit klaren Linien, das nicht dominiert. Die Rückseite wirkt wie ein fester Bestandteil der dahinter liegenden Erhebung mit der mittelalterlichen Burg. Und die zur Altstadt orientierte Fassadenseite nimmt den räumlichen Rhythmus der Bergtopografie auf. Das heißt: Die Ausrichtung jedes Geschosses folgt jeweils einer anderen Höhenlinie des Berges. Die Fassade des Neubaus öffnet sich durch große Glaseinschnitte und gewährt unterschiedliche Perspektiven auf die Landshuter Altstadt. Gleichzeitig findet ein Spiel zwischen geschlossenen und offenen Räumen statt. Der Übergang von innen nach außen auf die Terrassenflächen ist fließend, die Grundrisse sind variabel.

Kotzan Wohnhaus 3

Sichtbeton und Cortenstahl
Leitgedanke war, ein möglichst reduziertes Haus hinsichtlich Form und Materialauswahl zu schaffen. Um die harmonische Wirkung des Gebäudes zu unterstreichen, besteht der Neubau aus Stahlbeton in Sichtbetonqualität und einer Fassade aus vorgehängtem Cortenstahl. Für die Architekten ist Beton am ehrlichsten, wenn er in Form gegossen und nicht weiter behandelt wird. Dabei ist ihnen nicht wichtig, dass die Oberfläche möglichst glatt oder homogen ist. Das Ergebnis soll eine qualitätvolle handwerkliche Arbeit sein. Das flache Satteldach erhielt wie die Fassade ebenfalls eine Cortenstahl-Abdeckung. Mit der Zeit entwickelt Cortenstahl Patina und somit eine lebendige Struktur in einem warmen Farbton. Dieser passt gut zu den Bestandsbauten und deren zumeist mit Biberschwanzziegeln gedeckten Dächern sowie der natürlichen Umgebung des Waldes und Burgberges.

Logistische Meisterleistung
Den Transportbeton (C 25/30) für die mit Stahl bewehrten Sichtbetondecken und -wände lieferte das örtliche Transportbetonwerk grundsätzlich an Samstagen. So konnte der Beton ohne Verzögerung transportiert und mit der geforderten Qualität auf der Baustelle verarbeitet werden. Zur Anlieferung stand eine lediglich 4 m breite Zufahrt durch einen Hinterhof zur Verfügung.

Hangwasser zum Heizen und Kühlen
Auch die Hangneigung von 70 % forderte die Statiker heraus: Beim Abgraben und Erstellen der Hangsicherung wurde festgestellt, dass große Mengen Wasser aus dem Berg austraten. Das konnte jedoch thermisch für das Heizen und Kühlen des Gebäudes genutzt werden. Vollsickerrohre führen das Hangwasser über ein Absetzbecken einem Rückhaltebecken zu, aus dem Wärmetauscher und Wärmepumpe gespeist werden. Für Wärme sorgt eine Fußbodenheizung, für Kühlung die Betonkernaktivierung. Beim Betonieren der Decken wurden Rohrregister in die Bewehrung eingebracht, durch die das auf ca. 5-6°C temperierte Hangwasser geleitet wird. Der massive Beton der Decken nimmt die Wärme auf, die durch Sonneneinstrahlung, Menschen und technische Anlagen entsteht, und leitet diese an die wasserdurchflossenen Rohre weiter. Dadurch wird der Raum gekühlt, und es entsteht ein wohltemperiertes Klima ohne teure Klimaanlage.

Kotzan Wohnhaus 2

Klares Konzept
Der Neubau beherbergt die Büroräume der Architekten, weitere Geschäftsräume im 1. Obergeschoss, eine Penthouse-Wohnung und eine Garage. Die offenen, loftartigen Arbeits- und Wohnbereiche sind entlang der Glasfassade mit Blick zur Altstadt angeordnet. Räume, die weniger Licht benötigen, liegen auf der Gebäuderückseite zum Berg. Auch im Innenbereich setzt sich das klare, reduzierte Gestaltungskonzept mit Sichtbetonwänden und einem geschliffenen Estrich als Boden fort und unterstreicht den handwerklichen und ehrlichen Charakter des Gebäudes.

Altern als Prozess
Trotz seiner strategischen Lage direkt am Burgberg bleibt das Gebäude unauffällig und lässt Alt und Neu harmonisch nebeneinander bestehen. Das Neue soll auch ruhig altern. Mit Cortenstahl ist das möglich. Wichtig war zudem das Thema Nachhaltigkeit: äußerst niedrige Instandhaltungskosten sowohl von Außenhülle als auch Innenausbau und lange Lebensdauer der Baumaterialien Cortenstahl und Beton. Für die Architekten ist Beton ein idealer Baustoff, da er vielseitig einsetzbar sowie recycelbar ist und den Gestaltungsansprüchen an moderne Räume gerecht wird.

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