Wohngebäude in Münster
(in: BAUKULTUR 4_2020, S. 24-25)
Der Buddenturm ist eines der letzten verbliebenen Zeichen der mittelalterlichen Stadtbefestigung von Münster. Ganz in der Nähe hat das Büro hehnpohl architektur bda ein neues Wohnhaus geplant und umgesetzt. Es reiht sich in die bestehende historische Bebauung des schmalen Straßenzuges ein und interpretiert das Mittelalter neu.
Historische Form – moderne Gestalt
Giebelständige Häuser auf der einen Straßenseite, vorwiegend traufständige auf der anderen. Ein monolithisch wirkender Neubau mit hoch aufragendem, steilem Satteldach sticht aus dieser Reihung nun hervor. In seiner Fassade spiegeln sich die drei Fluchten wider, die die Straße im Bereich des Grundstücks aufweist: zum einen die beiden Baufluchten der west- und östlich angrenzenden Häuserzeilen und als dritte die Bauflucht der eigenen Grundstücksgrenze. So entstand ein Baukörper von starker Plastizität, der einerseits an mittelalterliche Gebäude mit Kraggeschossen erinnert und der andererseits dank seiner reduzierten Detaillierung eindeutig als zeitgenössisches Gebäude auftritt.
Fassadenansicht und Ausblicke
Die drei Ebenen der Straßenfassade werden durch drei verschieden gestaltete Öffnungen betont. Diese sind nicht achsensymmetrisch auf der Fassade angeordnet und weisen in Anlehnung an mittelalterliche Fassaden unterschiedliche Proportionen auf. Das Erdgeschoss markiert eine geschlossene Front aus Kupferpaneelen, die keinen Einblick in das Innere des Hauses zulassen. Das 1. Obergeschoss weist einen tiefen Fassadeneinschnitt auf. Das Fenster ist mit einer Eckverglasung nach der Art eines nach innen gestülpten Erkers ausgeführt. So hat jeder, der auf der dahinter platzierten Bank im Hausinneren sitzt, die Straße und den Buddenturm im Blick. Ähnliche Ausblicke bietet auch das 2. Obergeschoss, dessen Fassadeneinschnitt allerdings geringer ist.
Innere Organisation
Die Staffelung der Gebäudehülle spiegelt sich auch im Inneren wider. Im Treppenraum fächert sich das Haus geschossweise zunehmend zum Tageslicht auf, das durch eine traufseitige Dachverglasung in das Haus gelangt. An der anderen Traufseite und im Firstbereich leiten Dachverglasungen indirektes Licht in die Wohngeschosse. Dadurch entstehen in allen Wohnräumen von der Jahres- und Tageszeit modulierte, feine Raumstimmungen. Im Erdgeschoss befinden sich das Entrée, ein Multifunktionsbereich mit Sanitärnebenräumen, ein kleiner Innenhof und die Garage. Das 1. Obergeschoss nimmt den Wohn- und Essbereich und die Küche auf. Im 2. und 3. Obergeschoss sind neben einem zweiten Wohnbereich die Schlaf- und Arbeitszimmer mit Sanitärräumen angeordnet.
Materialität und Haptik
Die äußere Gestalt bestimmen im Ringofen kohlegebrannte, langformatige Handformziegel. Für das im Läuferverband erstellte Mauerwerk wurden alle Steine des Brandes verwendet, es gab keinen Verschlag. Der Mörtel wurde frisch in frisch verfugt. Anschließend wurde die Fassade nur abgefegt, um die Spuren der handwerklichen Erstellung nicht zu beseitigen. Die Außenwände sind zweischalig mit Kerndämmung ausgeführt. Die Materialität des Innenraums prägt örtlich geschalter Sichtbeton, dessen rauer Charakter dank bewusst fehlender Oberflächenbearbeitung erhalten bleiben durfte. Als Bodenbelag dienen auf Lagerhölzern gelegte, massive, geölte Eichendielen, die in den wandangrenzenden Bereichen mit einer feinen Schattenfuge präzise angearbeitet wurden. Ein „Barfußboden“ mit einem leicht schwingenden Gehgefühl – der die haptische Qualität des Gebäudes bei jedem Schritt auf die Bewohner überträgt.