Wie geht es weiter mit der HOAI?

Nach dem Referentenentwurf ist vor dem Referentenentwurf

in: BAUKULTUR 5-2008 (S. 10)

Der Rückzug des Referentenentwurfs der HOAI war Thema des parlamentarischen Frühstücks, zu dem der DAI am 5.6.2008 eingeladen hatte (siehe BK 4-2008. Zum Referentenentwurf siehe auch den Beitrag von RA Frank Steeger, BK 3-2008). Seitens der geladenen Vertreter des Bundestagsausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung entstand das Angebot, die Diskussion zur Überarbeitung der Novellierung mit Beiträgen in der BAUKULTUR zielführend zu begleiten.
Autor des folgenden Beitrags ist Peter Hettlich, Sprecher für Baupolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Seit 2002 ist er Mitglied des Deutschen Bundestages und stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Bis 2002 war er Inhaber eines Ingenieurbüros für Projektsteuerung und Bauleitung.

Seit sechs Jahren bin ich jetzt Mitglied des Deutschen Bundestages, aber was ich bei der Anhörung zur HOAI am 9.4.2008 im Wirtschaftministerium (BMWi) erleben musste, war schon ein Ereignis der besonderen Art. So war dem Büro des für die HOAI zuständigen Parlamentarischen Staatssekretärs, Hartmut Schauerte, Mitte März noch nicht einmal bekannt, dass es eine Anhörung geben sollte; folglich konnte man nicht einmal bestätigen, ob auch Abgeordnete teilnehmen durften. Im BMWi muss(te) es wohl drunter und drüber gehen.
Die Anhörung bestärkte mich in meiner Sorge, denn ich erlebte eine demokratischen Institutionen unwürdige Veranstaltung. Die Arroganz der Vertreter des BMWi war ein abschreckendes Beispiel dafür, wie man mit Verbandsvertretern nicht umgehen darf. Und in der Diskussion über die Ermächtigungsgrundlage ließ das Ministerium auch die Katze aus dem Sack, warum es die Abgeordneten möglichst außen vor halten wollte: ein Gesetzgebungsverfahren sei ja ein „gefährliches Pflaster“. Ich bin als Parlamentarier einigen Kummer im Umgang mit unserer Regierung gewöhnt, aber das war schon starker Tobak. Was spricht daraus für ein Verständnis von einer parlamentarischen Demokratie?
Der Referentenentwurf wurde zu Recht von den Verbänden abgelehnt, da er nicht nur den Anfang vom Ende vieler mittlerer und kleiner Planungsbüros in Deutschland bedeutet hätte, sondern auch die in den vergangenen 13 Jahren gelieferten Reformvorschläge der Architekten und Ingenieure ignorierte. Die Empörung war groß, und Dr. Friedhelm Marx schürte auch noch das Feuer. Das Tischtuch zwischen den Beteiligten schien danach endgültig durchschnitten.
Schnelles Handeln war erforderlich, aber wie? Als Verordnung wird die HOAI ohne Zustimmung des Parlamentes von der Regierung verabschiedet und in Kraft gesetzt. Außerdem liegt die Federführung nicht im Bau-, sondern im Wirtschaftsministerium. Und dessen ablehnende Haltung war schon seit Minister Clements Zeiten bekannt und durch Dr. Marx personifiziert.
Da sich die HOAI nicht als Gegenstand parteipolitischen Geplänkels eignet, verabredeten die Baupolitiker aller Fraktionen eine „Krisensitzung HOAI“ am 24.4.2008. Und wir waren uns schnell einig, dass der Exekutive in die Arme gegriffen werden musste. Es ist schließlich auch dem Einsatz der Kollegen der Großen Koalition mit zu verdanken, dass der Referentenentwurf Ende Mai „einkassiert“ wurde, womit die erste und wichtigste Forderung der Verbände erfüllt worden war.
Beim parlamentarischen Frühstück des DAI am 5.6.2008 klangen die Botschaften aus dem Bauministerium dann schon hoffnungsvoller. Es soll jetzt ein überarbeiteter Referentenentwurf vorgelegt werden, die Verbände sind entsprechend unserer Forderung frühzeitig in die Diskussion einzubinden. Die Ankündigung, dass dieser Entwurf möglicherweise noch vor der Sommerpause des Kabinetts, d.h. Ende Juli vorgelegt werde, stieß allerdings bei uns eher auf ungläubiges Erstaunen.
Zumindest scheint es sicher zu sein, dass die Leistungsphasen 6 bis 9 Bestandteil der HOAI bleiben werden, und bezüglich der EU-Konformität hoffe ich, dass sich die Position der Verbände, die durch das „Freshfields-Gutachten“ belegt wurde, auch im Referentenentwurf widerspiegeln wird. Ich sehe nicht ein, warum eine Inländer-HOAI einen Verstoß gegen das europäische Wettbewerbsrecht darstellen soll.
Ich will nicht auf die Details einer Novellierung der HOAI eingehen, denn dazu wird im Positionspapier der Architekten- und Ingenieurkammern vom November 2006 (fast) alles gesagt. Ich halte diese Vorschläge für praktikabel und ausgewogen. Inwieweit sich beispielsweise die höheren Tabellenendwerte letztendlich durchsetzen lassen, wird sich zeigen, wenn der nächste Referentenentwurf vorliegt und die Verbände bei den weiteren Beratungen tatsächlich hinzugezogen werden.
Bei alledem muss uns bewusst sein, dass die Baubranche in Deutschland nie mehr so sein wird, wie sie einmal war. Und daran wird auch eine Novellierung der HOAI wenig ändern können. Demographischer Wandel und Schrumpfungsprozesse werden nicht nur in den Neuen Bundesländern, sondern auch in anderen (peripheren) Regionen Deutschlands Architekten und Ingenieuren das Leben schwer machen. Steigende Energie- und Grundstückspreise bei stagnierender Kaufkraft werden aber auch in den Wachstumsregionen eher zu einer verhaltenen Neubautätigkeit führen. Ressourcen- und Flächenverbrauch machen sogar staatliche Interventionen erforderlich, wie man es am Beispiel des Landes Baden-Württemberg beobachten kann. Und neue Bau- und Finanzierungsmodelle wie ÖPP drohen Architekten- und Ingenieure zu bloßen Handlangern von Baukonzernen zu degradieren.
Die Chancen und Herausforderungen unserer Zeit liegen vor allem im intelligenten Umgang mit dem Bestand. Viele Gebäude müssen in den nächsten 10-12 Jahren entweder umfassend saniert oder ersetzt werden, wenn wir es tatsächlich ernst mit dem Klimaschutz am Bau halten. Wer, wenn nicht die Architekten und Ingenieure, sind dazu in der Lage und aufgerufen, diesen gewaltigen Prozess zu planen und umzusetzen. Und daher brauchen wir eine HOAI, die eine verlässliche rechtliche Grundlage liefert, Kostentransparenz für den Bauherrn herstellt und für ein auskömmliches Einkommen der Architekten und Ingenieure sorgt.

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