Justizgebäude in Aschaffenburg
(in: BAUKULTUR 4_2020, S. 18-19)
Das Justizgebäude Aschaffenburg wurde durch das Staatliche Bauamt Aschaffenburg als Ersatzneubau für den im Krieg zerstörten historistischen Vorgängerbau geplant und in der Zeit von 1957–1960 errichtet. Als herausragendes Zeugnis der Architektur der Nachkriegsmoderne wurde es 2012 unter Denkmalschutz gestellt. „Das Justizgebäude ist Denkmal aus städtebaulichen, baukünstlerischen und künstlerischen Gründen“, so lautet die Würdigung im Zuge der Eintragung in die Denkmalliste.
Städtebauliche Setzung
Charakteristisch sind zunächst die städtebauliche Setzung an der Ecke Erthalstraße/Friedrichstraße sowie die Kubatur des Gebäudes. Letztere resultiert aus zwei in spannungsvollem Gegensatz zueinander proportionierten Baukörpern, die den beiden Funktionsbereichen des Justizgebäudes entsprechen: dem 6-geschossigen, kubisch aufragenden Verwaltungsgebäude und dem flächigen, 2-geschossigen Sitzungssaalgebäude, das zur niedrigeren Bebauung der Erthalstraße überleitet. Im Verwaltungsgebäude sind das Landgericht, das Amtsgericht und die Staatsanwaltschaft untergebracht. Im Sitzungssaalgebäude befinden sich 7 Sitzungssäle, ein Schwurgerichtssaal und das Grundbuchamt. Die funktionale Trennung von nichtöffentlicher und öffentlicher Nutzung stellte zur damaligen Zeit ein Experiment des Bayerischen Justizministeriums dar, das sich schließlich bewährt hat.
Baukünstlerische Elemente der Moderne
Im Sinne der Baukunst der Moderne sind beide Gebäudeteile als Stahlbetonskelettbau konstruiert, wobei das Skelett nicht nach außen gezeigt wird, sondern eingehüllt ist. Die Fassaden der beiden Baukörper folgen jeweils einem eigenen, strengen Raster. Die Lochfassade des Verwaltungsgebäudes ist großflächig mit hellen Natursteinplatten und eingefärbten Putzflächen bekleidet. Die Fassade des Sitzungssaalgebäudes ist in weiten Teilen verputzt, Decken und Stützen werden als Natursteinbänder abgebildet, der Baukörper wird mit einem plastisch bearbeiteten Fries gekrönt. Durch das Abrücken des Verwaltungsgebäudes von der Straßenecke ist ein begrünter Vorplatz vor dem Haupteingang entstanden. Der über eine Freitreppe erreichbare Eingang wird mit einem vor das Gebäude gestellten kräftigen Torrahmen hervorgehoben. Der Eingang erschließt ein Foyer mit einer offenen Treppe, die einläufig nach oben führt. Sie ist angelehnt an einen leicht gerundeten und orangefarbig verputzten Servicekern für Registraturen, Toiletten und Abstellräume. Um diesen Servicekern führen windmühlenartig die am Ende belichteten Flure zu den nach außen orientierten Büros. Über das Foyer des Verwaltungsgebäudes wird auch das Sitzungssaalgebäude erschlossen. Der Grundriss des Sitzungssaalgebäudes ist entsprechend der Grundstücksfläche konisch. Im Innenausbau finden sich eine Vielzahl hochwertiger Materialien und raffinierter Details. Unterschiedlich gestaltete Natursteinbodenbeläge und Wandbekleidungen aus Holz, Putz oder Glas zeichnen den Ausbau aus. Die Ausstattung umfasst Einbaumöbel in den Büros, der Bibliothek und den Sitzungssälen sowie bewegliches Mobiliar in den typischen Formen der Zeit.
Integration künstlerischer Arbeiten
Besonders hervorzuheben ist die Integration künstlerischer Arbeiten, so z. B. Natursteinreliefs als Fassadenbekrönungen, Bronzereliefs an den Brüstungen des Verwaltungsgebäudes, Wandgemälde verschiedener Künstler der Zeit, skulpturale Ausformung von Treppengeländern, mosaikartige Wandfurniere oder das Lichtfries im Flur des Sitzungssaalgebäudes. Das Justizgebäude Aschaffenburg stellt ein wichtiges Zeugnis der Nachkriegsarchitektur dar, das für den geistigen und politischen Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg steht. Es orientiert sich in seiner abstrakten und klaren Formensprache am Geist des Neuen Bauens, ohne auf traditionelle Handwerkskunst zu verzichten.
Denkmalgerechte Sanierung und Aufstockung
Das Justizgebäude wird derzeit unter Federführung der Münchner Architekten Fthenakis Ropee einer Generalsanierung unterzogen, um es an die heutigen Anforderungen an Sicherheit, Barrierefreiheit, Brandschutz und Haustechnik anzupassen. Darüber hinaus sind aufgrund der funktionalen Anforderungen Raumaufteilungen anzupassen und zusätzliche Flächen zu schaffen. Im Erdgeschoss des Sitzungssaalgebäudes werden ein Servicecenter eingerichtet, der Flur zu einer Wartezone mit Infotheke umgestaltet und ein zusätzlicher Sitzungssaal ergänzt. Zudem wird das Gebäude um ein Geschoss als Stahlskelettkonstruktion aufgestockt. Hier entstehen drei weitere Sitzungssäle, drei Sitzungszimmer und mehrere Richter-Beratungszimmer. Dem Denkmalschutz kommt dabei eine ganz besondere Aufmerksamkeit zu. Es geht darum, Historisches zu erhalten und Neues in einer Art zu ergänzen, die den Dialog mit der Architektur des Justizgebäudes sucht, ohne dessen formale Sprache zu zitieren oder fortzuführen.