Kulturbahnhof in Aalen
(in: BAUKULTUR 6_2021, S. 22-23)
Was dabei herauskommt, wenn sich ein historischer Industriebau mit der Architektur des 21. Jahrhunderts paart, lässt sich am Kulturbahnhof Aalen ablesen. a+r Architekten aus Tübingen haben das durch einen Brand zerstörte Gebäude behutsam saniert, nach historischem Vorbild wieder aufgebaut und mit modernen Architekturbausteinen in ein zeitgemäßes Objekt verwandelt.
In der Vergangenheit wurde das heute als Aalener „Stadtoval“ bezeichnete Gelände unter anderem als Gleisareal der Bahn genutzt. Im Rahmen der innerstädtischen Stadterweiterung nimmt der Kulturbahnhof Aalen eine zentrale Stelle ein: Das Gebäude beherbergt nun ein Kino, ein Theater, die Musikschule, hochwertige Veranstaltungssäle für Kulturevents sowie Räumlichkeiten für Gastronomie und soll in der gesamten Region Strahlkraft entfalten.
Sanierungskonzept
Nach einem Brand im Jahr 2014 befanden sich auf dem Gelände noch die Fragmente einiger historischer Gebäudeteile mit einer markanten Sandsteinfassade und kurzen Querbauten. Dieses Erbe zu erhalten und zu einem zukunftsweisenden Kulturzentrum des 21. Jahrhunderts weiterzubauen, war der Leitgedanke des Entwurfs.
Sichtbeton statt Sandstein
An der in weiten Teilen zerstörten Fassade wurden das noch erhaltene Mauerwerk mit eingefärbtem Sichtbeton ergänzt und der historische Charakter bestmöglich wieder belebt. Nach historischem Vorbild wurden auch die Satteldächer der beiden kurzen Querbauten wiederaufgebaut. Einem anderen Konzept folgt das Dach des Hauptbaus. Dieses wurde durch eine mit gefaltetem Lochblech verkleidete Aufstockung ersetzt, die den räumlichen Bezug zu den städtebaulichen Kanten der südlich angrenzenden Nachbarschaft herstellt. Im Gegensatz zur historischen Sandsteinfassade, die ornamental handwerklich und massiv wirkt, ist die Aufstockung schlicht und zurückhaltend.
Zonierung der Räume
Die historische Fassade bildet die Hülle für ein vielseitiges Raumangebot. In den vollständig entkernten Innenraum wurden Boxen eingestellt, die ihn für die unterschiedlichen Nutzungen zonieren. Diese Boxen tragen und steifen auch das neue Tragwerk aus. Die großen Säle bzw. die öffentlichen Nutzungen befinden sich im Altbau. Im aufgesattelten Neubau liegen hingegen die Räume der Musikschule und der Theaterwerkstätten. Diese „dienenden“ Räume der Kulturproduktion und der Ausbildung überwölben sinnbildlich die Schaubühnen für das kulturinteressierte Publikum. Wichtig war es, mit historischen Komponenten wie Materialien, Befensterung und sichtbarer Dachkonstruktion ein authentisches und eigenständiges Ambiente für die einzelnen Kulturstätten zu gestalten. Das nun gemeinsame Gebäude für die bisher auf mehrere Standorte verteilten Kulturangebote soll nach Einschätzung der Stadt Aalen zur Ressourcenoptimierung beitragen, Synergien bündeln und langfristig für Kosteneinsparungen sorgen.