Hotelerweiterung in Südtirol
(in: BAUKULTUR 1_2022, S. 28-29)
Der Berg gibt den Ton an, der Beton dirigiert die Konstruktion: Auf seiner Basis komponierte das Atelier bergmeisterwolf die Architektur für den Erweiterungsbau des Hotels Belvedere in Jenesien bei Bozen. Mehrere Architekturpreise, darunter der „20 best architecture award“ in Gold, belegen die Qualität.
„Wenn alle sagen, das geht nicht, dann kommt er vorbei – und findet eine Lösung, die nicht nur machbar ist, sondern auch noch ökonomisch umsetzbar“, beschreibt Hans Reichhalter-Leonhardy die Fähigkeiten von Oswald Holzner. Der für seine außergewöhnlichen Projekte bekannte Statiker war für die Tragwerksplanung des Bauvorhabens zuständig. Zusammen mit dem Brixener Atelier bergmeisterwolf und einem auf Tunnelbau spezialisierten Cousin von Bergmeister erarbeitete er eine Lösung, die den Erweiterungsbau für das Hotel Belvedere nicht nur möglich machte, er kalkulierte dessen Rohbau sogar auf 5.000 Euro genau. Die Hotelierfamilie Renate und Hans Reichhalter-Leonhardy hatte für das Projekt zunächst einen kleinen Wettbewerb ausgeschrieben. Drei Büros hatten Entwürfe eingereicht, von denen zwei zusätzliche Gebäude vorgeschlagen hatten, die neben den Bestandsbauten errichtet werden sollten. Lediglich Architekturbüro Nummer drei – das Atelier bergmeisterwolf – schlug vor, den neuen Trakt in den Berg hineinzubauen – und die Natur ringsherum unverbaut zu erhalten.
Eins mit dem Fels und der Natur
Durch den neuen Trakt konnte die Kapazität des Hotels von 60 auf nunmehr 99 Betten erweitert werden. In einem ersten Bauabschnitt entstanden die untere Ebene mit zusätzlichen Zimmern, SPA- und Fitness-Räumen sowie einem Schwimmbad. Kurz vor der Coronapandemie folgte der zweite Bauabschnitt, der den Neubau von weiteren zehn Zimmern auf zwei Ebenen sowie einer Tiefgarage und die Verlagerung der Heizung beinhaltete. Der Erweiterungstrakt ist als runder Suitenbau in Hanglage angelegt und wurde direkt in den Porphyrfelsen gesetzt, sodass er quasi mit der Landschaft verschmilzt. Die Landschaft wurde dabei über das Dach des neuen Zubaus gezogen, was eine Kontinuität des Geländes und der Ausblicke bewirkt, kommentiert Architektin Prof. Dr. Michaela Wolf den Entwurf. Mit Blickrichtung auf das Tal mit der darin beheimateten Stadt Bozen und die Bergwelt ringsherum öffnen sich die Zimmer mit großen Glasfronten zur Landschaft. Auch der Wellness-Bereich mit Infinity-Pool und diversen Saunen – inklusive einer Außensauna – setzt auf Panoramablicke und Erholung inmitten von Natur.
Porphyr betoniert mit
Die Basis bilden Betonschotten, die so dimensioniert sind, dass sie hinsichtlich ihrer statischen Belastbarkeit auch noch weitere Aufstockungen bzw. Veränderungen erlauben. „Bei unserem Konzept haben wir bereits etwaige Veränderungen in den nächsten 25 Jahren berücksichtigt, um den Bestand nicht nochmals angreifen zu müssen“, erklärt Reichhalter-Leomhardy. Zudem wurde der Sichtbeton rötlich eingefärbt, sodass er mit der Landschaft verschmilzt. Die Farbe dafür stammt aus den Felsen ringsherum: bergmeisterwolf ließen den aus dem Berg gesprengten Porphyr mit einer Quetsche direkt auf der Baustelle zermahlen. Große Felsstücke bauten sie im Anschluss beispielsweise als Stützen im Neubau ein, Schotter diente als Hinterfüllung zwischen Felsen und Betonwänden. Noch feineres Gemisch und Pulver dienten als Zuschlagstoffe für den Beton, der direkt vor Ort in Form gegossen wurde – und färbten ihn so rot wie das Geröll ringsherum. So konnte fast der gesamte Stein wiederverwertet werden.
Nachhaltigkeit im Blick
Dies sparte nicht nur Kosten, es führte auch zu einer nachhaltigen Konstruktion: Weil Porphyr temperaturausgleichend wirkt, musste das Gebäude zum Berg hin nicht gedämmt werden. Die Räume bleiben im Sommer lange Zeit kühl, im Winter sichert der Berg eine angenehme Grundtemperatur. Eichenmassivholz in den Innenräumen und Lärche im Außenbereich lassen die Räume das ganze Jahr über gemütlich und warm wirken. Die notwendige Restenergie bezieht das Hotel aus einer Pelletheizung. Auch eine Photovoltaikanlage bzw. Solarthermie sind bereits angedacht, auch wenn beides aufgrund der bisherigen Gesetzgebung bzw. den baulichen Gegebenheiten noch nicht umgesetzt werden konnte. „Und da der Winter des Baujahrs im sonnenreichen Jenesien sehr mild ausgefallen ist, konnte die Baufirma während des Betonierens sogar auf einen Frostzuschlag verzichten“, erinnert sich der Bauherr. Die Sprengvorgänge hatte der Sprengmeister vorab anhand von Probesprengungen so fein ausgeklügelt, dass er im Anschluss mit Dynamit und Druckluft sogar gerade Flächen herausgesprengen konnte. Entsprechend wenig musste bei der Betonage nachgearbeitet werden. Und auch der fertig gestellte Erweiterungsbau fügt sich wie selbstverständlich ein: in den Berg, in die Landschaft und in die Köpfe der Menschen, die ihn sehen und erleben. Eine stimmige Komposition: Der Berg gibt den Ton an, der Beton dirigiert die Architektur, die Landschaft spielt die Musik.