Ein elementarer Baustein der Unternehmenskultur
in: BAUKULTUR 2-2009 (S. 22-23)
Unternehmensarchitektur ist nicht einmal gebaut und erledigt. Unternehmenskultur ist ein Prozess und bedarf der kontinuierlichen Pflege und Erneuerung. Beide Aspekte, die dieser Begriff vereint, sind gerade in unserer schnelllebigen Zeit wieder gefordert: Unternehmertum eingebettet in eine unternehmerische Ethik. Voraussetzung für eine glaubwürdige Unternehmenskultur ist die Authentizität. Dieses ganzheitliche Verständnis von Unternehmenskultur ist erfolgreich, wenn es alle Ebenen eines Unternehmens durchdringt und von der Geschäftsleitung über den Vertrieb bis zur Produktion zu einem wahren, gelebten Unternehmensleitbild wird. Daraus ergibt sich die Maxime, Architektur zu schaffen - nicht als modisches Marketinginstrument - sondern aus Überzeugung und als Verpflichtung. Wenn dies gelingt, dann sind Investitionen in die Unternehmenskultur echte Investitionen in nachhaltigen unternehmerischen Erfolg.
Verwaltungsbau der Eternit AG in Heidelberg (Foto: David Franck)
Eine gut gestaltete Unternehmensarchitektur ist keineswegs zeichenhaft übertriebene Maskerade, sondern berücksichtigt neben funktionaler und baulicher Qualität auch die Identität des Ortes und des Nutzers. Sie definiert nicht architektonische Uniformität, sondern architektonische Qualität. Es geht nicht um gebaute Show-Effekte sondern im Gegenteil: um den angemessenen baulichen Ausdruck des unternehmerischen Selbstverständnisses.
Eternit hat diese Wechselwirkung von Architektur, Unternehmensidentität und Geschäftserfolg früh erkannt. In der Boomzeit der Nachkriegsjahre engagierte das Unternehmen zwei der wichtigsten Architekten für die firmeneigenen Bauten. In Berlin errichtete Paul Baumgarten mehrere Fabrikgebäude auf dem Werksgelände in Rudow, das Eternit-Haus im Tiergarten mit Showroom und Mitarbeiterwohnungen und das Eternit eigene Gästehaus im Grunewald. In Heidelberg war es Ernst Neufert, der für Eternit den Masterplan des Fabrikgeländes entwarf und seit 1954 über zehn Jahre hinweg alle Hallen und das Verwaltungsgebäude errichtete. Hier spiegeln sich architektonischer Anspruch und Understatement der Moderne wider.
Zum 75. Firmenjubiläum im Jahr 2004 besann man sich bei Eternit auf diese architektonischen Qualitäten und beauftragte die Berliner Architektin Astrid Bornheim, die Eternit-Bauten an den verschiedenen Standorten architektonisch weiter zu entwickeln. Sie entkernte das Verwaltungsgebäude in Heidelberg von den Einbauten der 1980er Jahre und führte es auf die ursprüngliche Neufertsche Struktur zurück. Gemeinsam mit dko Architekten aus Berlin realisierte sie die Modernisierung der ungedämmten Neufertschen Fassade. Aufgabe war es, ein neues Gesicht für die Eternit AG zu entwerfen unter Berücksichtigung des kulturgeschichtlichen Erbes. Übergeordnetes Ziel der Sanierung war es, die Wirkung des Gebäudes mit den Profileigenschaften der Unternehmensidentität in Übereinstimmung zu bringen. Der gebaute Ausdruck der Unternehmenskultur von Eternit war zu finden. Die neue Fassade sollte zugleich Pilotprojekt zur Erprobung neuer Technologien und Entwicklung neuer Fassadendetails werden.
Nach Entwürfen von Astrid Bornheim dko Architekten wurde die alte Asbestzementfassade entfernt und als vorgehängte hinterlüftete Fassade mit 80mm Wärmedämmung neu gestaltet: mit großformatigen 12mm dicken Natura-Tafeln aus Faserzement. Die daraus resultierenden tieferen Fensterleibungen wurden von den Architekten zum gestaltprägenden Motiv für ein perspektivisches Spiel erhoben. Wie eine Welle bewegen sich unterschiedlich geneigte rote und grüne Lisenen über die Fassade und verleihen dem geradlinigen Gebäude eine neue Dynamik.
Architektur ist für Bauherren mit Identität kein Luxus, sondern eine Selbstverständlichkeit. Sie wirkt auf Kunden und Besucher. Sie wirkt auf Betriebsklima, Bewerber und Wettbewerber. Sie kann zu einem nachhaltigen Erfolgsfaktor werden, wenn sie glaubwürdig ist und wenn man sie zu nutzen versteht. Unternehmensarchitektur in diesem Sinne bleibt nicht allein auf Gebäude beschränkt. Derselbe Anspruch gilt auch für Ausstellungen und Messestände. Hier befindet sich die Berliner Architektin mit ihren Entwürfen für die jüngsten Messeauftritte von Eternit in einer Traditionslinie mit Max Bill und Hans Hollein, die in früheren Jahren sehenswerte Messearchitekturen für Eternit entworfen haben. Bei allen dreien lautet das Konzept „The medium is the message". Alle Messestände waren aus Eternit gebaut. Immer ging es um die sinnliche Wahrnehmung des Materials. Nie um eine vordergründige Produktshow.
Für Eternit sind Architektur und das Urteil der Architekten wesentliche Aspekt der Selbstüberprüfung und Standortbestimmung. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt Faserzement als dauerhafter Ersatz für Holzschindeln auf Dächern und an Außenwänden, insbesondere an Wetterseiten. Zugleich entdeckten Architekten in dem Werkstoff aber auch das begehrte Echte. Die authentische Ästhetik dieses Industrieprodukts war insbesondere bei der Avantgarde gefragt, bei den Architekten, die aus der Industrialisierung des Bauens einen neuen architektonischen Ausdruck gewinnen wollten. Der Berliner Architekt Konrad Wohlhage beschreibt diese Eigenwertigkeit von Faserzement als eine „optisch gefühlte Kraft, die von innen kommt: durch die Tiefe einer Oberfläche, durch die Textur, durch eine Samtigkeit, die sich je nach Licht und Witterung leicht verändern kann." So verbindet sich heute mit Faserzement nicht nur eine Technologiegeschichte des Werkstoffs, sondern ein eigenständiges Kapitel Architektur- und Designgeschichte. Werner Oechslin, Vorsteher des Instituts für Geschichte und Theorie der Architektur an der ETH Zürich, bestätigt: „Kein Zweifel: Mit der hundertjährigen Geschichte von Eternit ist eine Kultur verbunden."