Bürozentrum in Hamburg
in: BAUKULTUR 4_2009 (S. 16-17)
Im Zuge der Revitalisierung des Hamburger Stadtteils St. Georg entstanden auf einer Teilfläche des Krankenhauses St. Georg ein Bürogebäude und 4 Wohnblöcke mit 120 Wohnungen als nachhaltiges, flächeneffizientes Bauensemble. Unter weitgehender Erhaltung des aus der Historie gewachsenen Charakter des Ortes und der prägnanten Baustruktur des Krankenhauses entwickelte das Berliner Büro Pysall.Ruge Architekten differenzierte Stadträume und Aufenthaltsqualitäten.
Gebäudedisposition
Den Kopf der Bebauung bildet das neue Bürogebäude. Durch die Figuration des aus 4 Bauteilen zusammengesetzten Bauwerks ergab sich eine repräsentative Eingangssituation mit einer Durchwegung bis in den innenliegenden begrünten Wohnhof. Dieser wird umfangen von den rückwärtigen Wohnbauten, die sich in logischer Folge an die Zeilenbaustruktur der Kliniktrakte anschließen. Der Innenhof mit den beiden mächtigen Buchen steht allen Nutzern gleichermaßen zur Verfügung.
Transitorische Bauskulptur
Zwei im Grundriss bumerangförmige Baukörper sind so einander zugeordnet, dass zwischen ihnen ein offener Raum entsteht, der in den Grünraum des rückwärtigen Wohnungsbaus übergeht. Obenauf sind zwei weitere gleichförmige Baukörper verdreht aufgelegt. Durch diese Anordnung entsteht ein heller Hof mit direkter Sonnenbelichtung und ungehindertem Weitblick aus allen Büroräumen. Die Büromitarbeiter profitieren von dem transitorischen Raum ebenso wie die Bewohner der Wohnbauten vom abwechslungsreichen Lichtspiel auf der Fassade. Große drehbare Glastore schützen vor Wind und Lärmemission und erlauben bei Bedarf die unterschiedliche Schaltung der Außenräume.
Innenräume
Die Grundrisse sind auf die Anforderungen hoher Nutzungsflexibilität zugeschnitten. Sämtliche Erschließungs- und Nebenraumflächen sind innen liegend, sodass sie als Zellen-, Kombi- oder frei möblierbare Flächen genutzt werden können.
Helle, natürlich belüftete Räume, durchweg umweltfreundliche Baumaterialien sowie die Ausrichtung des Gebauten nach der Lehre des Feng Shui kommen den übergeordneten Parametern der Gesundheitsvorsorge, einer angenehmen, gesunden Arbeitswelt und fernöstlichen Harmonie nach.
Ökologisches Konzept
Das Bürozentrum ist als nachhaltiges, ressourcenschonendes Gebäude unter Verwendung ökologisch unbedenklicher Baustoffe (Zertifikat „Blauer Engel") geplant und gebaut. Zurzeit findet die Pilotzertifizierung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) statt.
Das Ökologie- und Energiekonzept zur Minimierung des Primärenergiebedarfs wurde in Zusammenarbeit mit Intep, München, ausgearbeitet. Die Minimierung des Energiebedarfs wird durch eine hoch wärmegedämmte Fassade erreicht, die den geforderten Dämmstandard der ENEV nochmals um 40 % überschreitet. Sie steht in Kombination mit einem sehr guten Volumen- bzw. Außenflächenverhältnis, das zusammen für sehr geringe Transmissionswärmeverluste sorgt.
Heiz- und Kühllasten sind durch die hoch wärmegedämmte Außenhülle, natürliche Lüftung und hocheffiziente Anlagentechnik minimiert. Ein geringer Primärenergiebedarf erfolgt durch die Beibringung der Wärmeenergie mittels Kraft-Wärmekopplung aus dem örtlichen Fernwärmenetz (Primärenergiefaktor 0,585).
Die Heiz-Grundlast erfolgt über Betonkernaktivierung. Großflächige statische Heizkörper zur Minimierung der Betriebsverluste, mit einer Vorlauftemperatur von max. 50°C. beheizt, ermöglichen die individuelle Temperaturregelung.
Die Kühlung wird - dank des Hamburger Klimas - vorrangig ohne Energieverbrauch durch freie Lüftung über die Doppelfassade in den Nachtstunden erbracht. Hohe Kühllasten in Hitzeperioden oder Bedarfsräumen, wie Besprechungs- und Serverräumen, können zusätzlich über die Betonkernaktivierung und Rückkühlung in den Nachtstunden abgedeckt werden.
Lärmpegelbereich 6 an der Südfassade, große Windlasten sowie die Gebäudegeometrie stellen an die Fassade hohe Anforderungen. Die Planung wurde mit Sonnenstands-, Schalleintrags- sowie Windbelastungssimulationen überprüft und für eine hohe Arbeitsplatzqualität optimiert.
Fassadenplanung
Außen- und Innenradien folgend ist die Fassade in raumhoher, reliefgebender Tiefenstaffelung aufgebaut: ein Doppelfassadenelement für natürliche Belüftung und Schallschutz mit Sonnenschutz im Zwischenraum - ein hoch wärmegedämmtes Sandwichpaneel mit Reflexionsfläche für die Niedrigtemperaturheizung sowie ein Paneel aus Wärme-Sonnenschutz-Glas. Jeweils über die unteren drei Geschosse eines Gebäudeflügels in die eine Richtung und über die darüber liegenden drei Geschosse in die andere Richtung „geschuppt" unterstützt die Fassade das Gebäudekonzept und sorgt für wechselnde Lichtszenarien im Tagesverlauf der Sonne.
Projektdaten
Bürozentrum für Mieter der Gesundheitsvorsorge
Lübeckertordamm 1-3
20099 Hamburg
Wettbewerb: 2003 (1.Preis)
Fertigstellung: 2007
Ausbau: 2008
BGF: 26.643 m2
Baukosten: 22 Mio. Euro nach DIN 276 - 300/400
Projektbeteiligte
Bauherr: L.T.D. Lübeckertordamm Entwicklungs-GmbH c/o Versicherungskammer Bayern, München
Entwurf: Pysall . Ruge Architekten, Berlin
Mitarbeiter: Nicole Kubath, Jan-Michael Strauch, George Bradburn, Tobias Ahlers, Matthias Matschewski, Bartlomiej Kisielewski, Maha Alusi, Yolanda Yuste, Philipp von Matt
Tragwerksplanung: Lichtenau Himburg Tebarth Bauingenieure GmbH, Berlin
Haustechnik: Reese Beratende Ingenieure VDI, Hamburg