in: BAUKULTUR 1_2010 (S. 20-21)
Auf dem Hamburger Friedhof Ohlsdorf, dem weltgrößten Parkfriedhof, errichtete der Berliner Architekt Roland Poppensieker BDA für den Hamburger Fotografen und Kunstsammler F.C. Gundlach - noch zu dessen Lebzeiten - ein Grabmal. Im Umfeld bedeutend älterer Grabstätten nimmt es als raumhaltiges skulpturales Objekt Bezüge sowohl zu historischen Mausoleen als auch zu Kunstwerken der Moderne auf.
Foto: Silke Helmerdig, Berlin
Bauform
Das Grabmal vereint den Typus des Sarkophags mit einem baldachinartigen beschützenden Dach, wie es häufig in Grabmonumenten auftaucht. Es ist in Betonfertigteilbauweise erstellt und - Portaldolmen vergleichbar - aus einzelnen Bauteilen vor Ort gefügt. Die Schattenfugen zeigen deutlich dieses Fügungsprinzip.
Die Materialität des Sichtbetons verweist einerseits auf so bedeutende Grabstätten wie die von Max Taut in Stahnsdorf errichtete Grabanlage Wissinger aus den 1920er Jahren. Andererseits erlaubt sie die Belegung einer der Seitenflächen mit einem Relief, dessen Motiv auf das vielleicht bedeutendste Grabmonument der Geschichte verweist.
Wandrelief
Grundlage für die reliefierte Seitenwand ist eine Fotografie (“Gizeh 1966”, F.C. Gundlach), die mit Hilfe eines speziellen Fräsverfahrens umgesetzt wurde. Bei der Fotogravur-Technik handelt es sich um ein Computer unterstütztes Verfahren, Bildinformationen durch Frästechnik auf Plattenwerkstoffe zu übertragen. Das gefräste Modell dient als Vorlage für die Fertigung einer elastischen Strukturmatrize, die in die Schalung eingelegt wird.
Über die Abstände und damit die Breite und Tiefe der Fräsrillen lässt sich die Detailtreue bzw. Abstraktheit des Bildes beeinflussen. In diesem Fall wurden Fräsrillenabstände von 18 und 22 mm bemustert, ebenfalls unterschiedliche Zement- und Zuschlagarten sowie glatte und zwei- bzw. dreifach gesäuerte Oberflächen. Gewählt wurden letztendlich ein Rillenabstand von 22 mm und als Zuschlag ein weißer norwegischer Marmor. Zudem wurden die Fertigteile mehrfach gesäuert, wodurch die feine Körnung in der Fertigteiloberfläche sichtbar gemacht werden konnte. Bei bestimmtem Lichteinfall entstehen auf der an einen Stein erinnernden Oberfläche ein reizvoller Eindruck von räumlicher Tiefe und ein natürlicher Glanz.
Foto: Marcel Schwickerath, Berlin
Innenraum
Das Grabmal ist über eine „ausgetretene“ Stufe begehbar. Die Materialität der umfassenden Wände sowie ein damit verbundener Unterschied in der Akustik vermitteln wahrnehmbar einen Wechsel der Sphäre und das Betreten eines „anderen Raumes.“
Grabplatte
Weiterer Bestandteil des Grabmals ist eine aus Beton bestehende Grabplatte, die auch zum Verschluss des Sarkophags dient. Name und Daten werden später mit Hilfe tiefen Sandstrahlens eingebracht, was auch die gröbere Körnung des Marmorzuschlags zum Vorschein bringen wird. Sowohl Bild- als auch Schriftrelief erzeugen bei wechselndem Licht- und Schattenspiel je nach Tages- und Jahreszeit ganz unterschiedliche Wirkungen des ansonsten monolithisch wirkenden Betonkörpers, der aus unterschiedlichen Blickwinkeln jeweils andere Bildausschnitte der Umgebung fokussiert.
Standort: Parkfriedhof Ohlsdorf, An den Mausoleen, Hamburg
Fertigstellung: 2008
Projektbeteiligte
Bauherr: Prof. F.C. Gundlach, Hamburg
Entwurf: Roland Poppensieker Architekt BDA, Berlin
Statik: Dipl.-Ing. Uwe Seiler, zrs Berlin, Berlin
Beton- und Erdarbeiten: IBF GmbH, Hamburg mit Walter Wagenhuber Betonsteinwerke GmbH & Co KG, Hamburg