Moderne Glasanwendungen

Bedeutung von Glas für die moderne Architektur
(in: BAUKULTUR 4_2011, S. 18-19)

Die Entwicklung der modernen Architektur ist eng mit dem Fortschritt der Glasindustrie verbunden. So konnten Konzepte wie vorgehängte Glasfassaden erst durch den Einsatz großflächiger, im Floatglas-Verfahren hergestellter Architekturgläser umgesetzt werden. Für die erfolgreiche Umsetzung der von Gropius und Mies van der Rohe entwickelten großflächig verglasten Gebäude waren Sonnenschutzverglasungen wesentlich, welche dem Überhitzen der Gebäude durch Verringerung des solaren Energieeintrags entgegenwirken [1].

Die Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden durch verbesserte Verglasungen ist seit den 1950er Jahren Gegenstand fortlaufender Entwicklungen. Mit der Umsetzung der zweiten Wärmeschutzverordnung in den Jahren 1984 bis 1995 wurde ein wesentlicher Anreiz für die Entwicklung wärmedämmender, niedrig emittierend (Low-e) beschichteter Verglasungen geschaffen. Das Magnetronsputtern Silber-basierter Wärmedämmbeschichtungen wurde durch die Verordnung zum Standard erhoben, um 2-fach-Isoliergläser mit Ug-Werten von 1,1 - 1,3 W/m2K zu fertigen.
Die aktuellen Entwicklungen setzen den Trend zu immer leistungsfähigeren Verglasungssystemen fort. So ist die Entwicklung hoch dämmender Sonnenschutz- und Low-e-Verglasungen ein wichtiges Ziel, um die bis 2030 notwendigen CO2-Einsparungen von weltweit 38 Gt CO2-Äquivalent/Jahr zu erreichen [2].

Beschlagfreie Dämmgläser mit niedrigem Ug-Wert
Aktuell zeichnet sich ein Trend hin zu 3-fach-Verglasungen ab, welche in Deutschland in 2001 bereits einen Marktanteil von mehr als 40 % erreicht haben [3]. Bezogen auf Glasbeschichtungen spielt hier die beschlaghemmende Ausrüstung der Außenoberfläche eine wichtige Rolle. Hier kommen verstärkt niedrig emittierende Außenbeschichtungen zum Einsatz, um die äußerst störende, die freie Durchsicht nehmende Kondensation von Feuchtigkeit bzw. Reifbildung auf der Außenseite zu unterdrücken. Durch eine niedrig emittierende Außenbeschichtung kann das Unterschreiten des Taupunkts durch Verringerung der Wärmeabstrahlung verhindert werden. Neueste Weiterentwicklungen dieser Technologien erlauben sogar biegefähige Beschichtungen, die eine gegenüber Glas verbesserte Kratz- und Korrosionsbeständigkeit aufweisen. Solche Gläser lassen sich beispielsweise zu eisfreien Autoscheiben verarbeiten, die rein passiv, also ohne zusätzliche Heizung arbeiten.

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Veranschaulichung der Auskühlung von Glas in sternklaren Nächten mit nachfolgendem Taubeschlag bzw. Reifbildung (Grafiken: Fraunhofer IST)
links: Wärmeabstrahlung einer Verglasung ohne Low-e-Außenbeschichtung. Aufgrund der hohen thermischen Emissivität der Oberfläche wird die Scheibe durch Strahlungsaustausch abgekühlt. Die Oberfläche unterschreitet den Taupunkt, es kommt zur Ausbildung von Tau bzw. Reifbelag

rechts: Die Low-e-beschichtete Oberfläche verringert das Auskühlen der Scheibe derart, dass der Taupunkt nicht unterschritten wird. Der Taubeschlag wird durch solche Oberflächen effizient unterdrückt

Schaltbare Verglasungen in der industriellen Umsetzung
Schaltbare Verglasungen lassen eine Anpassung des g-Wertes an die Umgebungsbedingungen zu. Hier sind mittlerweile auch großflächige Gläser verfügbar, die im praktischen Einsatz im Gebäude erhebliche Vorteile bezüglich Energieeinsparung und Komfort bieten.

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Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST in Braunschweig: Der „Skywalk“ verbindet Neubau und Altbau. Seine Südfassade ist mit einer elektrochrom schaltbaren Verglasung versehen: Der g-Wert der Doppelverglasung kann von 38 % im hellen Zustand (links) auf 12 % im tiefblau eingefärbten Zustand (rechts) verringert werden (Foto: EControl-Glas)

Weitere Themengebiete
Weitere Entwicklungen betreffen zusätzliche Funktionen der Glasoberfläche, wie Ausrüstungen für eine verringerte Schmutzhaftung bzw. für einen eigenständigen Abbau von Schmutz für ein vereinfachtes Reinigen (Easy-to-clean-Beschichtungen). Auch im Bereich der Fassadengestaltung sind neue Entwicklungen erkennbar, die wesentlich auf der Beschichtung von Glas basieren. So sind mittlerweile großflächige Solarmodule verfügbar, die eine Integration in die Fassade erlauben und die auch semitransparent hergestellt werden können.
Konzepte wie das Einbringen von Lichtquellen in die Verscheibung bzw. der Einsatz großflächiger transparenter Displays eröffnet weitere gestalterische Anwendungen.

Fazit
Die Glasindustrie hat sich in den vergangenen Jahren als ein Fortschrittsmotor für die Entwicklung der Architektur erwiesen. Auch in den kommenden Jahren werden neue Entwicklungen im Bereich der Dünnschichttechnik maßgeblich dazu beitragen, um die Energieeffizienz von Gebäuden zu steigern und um neue Funktionalitäten für eine verbesserte Nutzbarkeit von Verglasungen bereitzustellen.

Literatur
[1] Gläser, H. J.; Szyszka, B.: History of glass coating for architectural glazing, in: SVC Annual Technical Conference Proceedings 50, 2007, S. 216-29.
[2] McKinsey (Hrsg.): Pathways to a Low-Carbon Economy - Version 2 of the Global Greenhouse Gas Abatement Cost Curve, 2009.
[3] Grönergräs, J.; Kramer, B. (Bundesverband Flachglas): Wirtschaftsfaktor Flachglas, in: Glas-Ingenieur 1, 2011, S. 4-5.

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