Neues Wahrzeichen

Rekonstruktion des Bergfrieds der Burgruine Treuchtlingen
(in: BAUKULTUR 6_2011, S. 24-25)

Monolithischer Wehrbau

Die Ursprünge der Oberen Veste über Treuchtlingen in Mittelfranken reichen bis zum Jahr 1100 zurück. Über dem Nordwesteck der Hauptburg erhebt sich der quadratische salische Wohnturm, dessen Sockelgeschoss bis heute weitgehend original erhalten geblieben ist. Bei seiner im Sommer 2011 abgeschlossenen Rekonstruktion haben die beauftragten Architekten, Andreas Braun und Silke Leikheim, darauf geachtet, die Balance zwischen Anpassung und Eigenständigkeit, zwischen alt und neu zu finden. Aus der Ferne erscheint der Turm wieder als monolitischer Wehrbau. Erst aus der Nähe wird erkennbar, dass es sich um eine Rekonstruktion handelt.

Treuchtlingen

Fortführung der Außenkanten
Im Zuge der Rekonstruktion sollte der Bergfried als Wehrbau durch alle Geschosse hindurch erhalten bleiben. Eine horizontale Holzlattung führt die Außenkanten des Turmes bis zur Aussichtsplattform fort. Die Lattung ermöglicht Ausblicke von innen nach außen, erscheint aber von außen geschlossen wie der Sockelbereich des Turmes. Aus der Ferne wirkt die Lattung ebenfalls geschlossen.
Nach innen folgt in großem Abstand zur Lattung nach ca. 1 m der bauliche Wandabschluss der inliegenden Nutzräume. Lattung, Luftraum und Innenwand zusammengenommen entsprechen dabei in ihren Abmessungen nahezu dem massiven 1,60 m starken Mauerwerk des Sockels.

Material + Struktur
Durch die Verwendung von Lärchenholz, das durch Bewitterung mit der Zeit eine graue Patina bekommt, erscheint der Materialwechsel zum Natursteinmauerwerk weniger scharf. Die hölzerne, horizontale Lattenstruktur führt die ebenfalls liegende Struktur des Mauerwerks fort. Ein Vorteil der vorgesetzten Lattung besteht darin, dass dahinter alle Fenster dort angeordnet werden können, wo sie nötig sind; sie zerstören die geschlossene Struktur der Außenfassade nicht, da sie hinter der Lattung verschwinden.

Innenräume
Neben einem Arbeitsraum für Historiker und Archäologen ist in den Turmgeschossen auch eine kleine Ausstellung eingerichtet worden. Die Räume sind entsprechend dem Charakter einer Wehranlage sehr schlicht gehalten. Eine Treppe an der rückwärtigen Westseite verbindet die Geschosse miteinander. Nur im Erdgeschoss ist sie um 90 Grad gewendelt, um den größeren Höhenunterschied zu überwinden, und blieb bei der Aufstockung unangetastet.
Die Innenräume werden nicht permanent beheizt, eine temporäre Beheizung kann jedoch über elektrische Heizkörper erfolgen.

Entwässerung
Das Regenwasser der Treppeneinhausung läuft mit dem Wasser des Flachdachs der Aussichtsplattform über innenliegende Rohre in die original erhaltene Zisterne ab. Der schmale Durchgang bleibt durch eine Revisionsöffnung zum Reinigen begehbar. Wenn gewünscht, wäre es möglich, eine Beleuchtung zu integrieren, die nach oben strahlt und so bei Nacht den Turm als Wahrzeichen der Stadt Treuchtlingen illuminiert.

Austritt – Fahnenmast
Auf der Aussichtsplattform , ca. 15 m über dem Ruinengelände, hat man einen herrlichen Ausblick auf die zu Füßen liegende Stadt und das Altmühltal. Den Fahnenmast ziert die Fahne mit dem Gans-Wappen des ehemaligen Treuchtlinger Ritter- und Herrengeschlechts.

Ausführung
Der Turmbau begann im September 2009 und gestaltete sich recht abenteuerlich. Aufgrund der finanziell begrenzten Möglichkeiten des „Burgvereins Treuchtlingen“ musste besonders auf eine sparsame Umsetzung des Entwurfs geachtet werden. Großen Anteil am Gelingen des ehrgeizigen Projektes hatte das Engagement fachkundiger Vereinsmitglieder, insbesondere des „Burgmaurers“. Ortsansässige Firmen unterstützten das Vorhaben mit Sachspenden und der Stellung von Fahrzeugen, Material und Maschinen.
Das Baumaterial wurde mittels eines Autokrans auf den höchsten Punkt der schwer zugänglichen Burgruine gehoben. Der Autokran selbst musste zuerst die steile, schmale und kurvige Anfahrt zur Burgruine erklimmen. Damit war die Größe des eingesetzten Fahrzeuges begrenzt.
Die Reichweite des Kranes wurde voll ausgeschöpft, sodass die massiven Deckenbalken mit Abmessungen von 22 x 36 cm und einer Länge von 8 m bis zur vierten und obersten Balkenlage transportiert werden konnten. Die Ausführungsplanung, Bauaufsicht und Koordination der Arbeiten mussten nicht nur die exponierte Lage des Bergfrieds berücksichtigen. Die Konstruktionen mussten so entwickelt werden, dass die Montage auch von Vereinsmitgliedern gefahrlos ausgeführt werden konnte.

Die offizielle Einweihung fand am 11.9.2011 statt.

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