Susanne Kuballa, Chefredakteurin
(in: BAUKULTUR 2_2012, S. 3)
Liebe Leserinnen und Leser,
in der Forstwirtschaft wird der Klimawandel in Deutschland seit einigen Jahren als Realität erlebt. Zunehmend führen Stürme im süddeutschen Raum, Trockenheit und Waldbrände im Nordosten Deutschlands sowie vermehrter Schädlingsbefall zu alarmierenden Schädigungen im Waldbestand. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat bereits 2008 eine Klimaanpassungsstrategie für die Forstwirtschaft entwickelt. Entsprechend betreiben einige Bundesländer aktiven Waldumbau, bei dem klimaanfällige Baumarten wie Fichte und Lärche durch weniger anfällige Arten wie Tanne und Douglasie ersetzt werden. Alle Bundesländer reagieren auf den Klimawandel, indem sie Monokulturen durch weniger riskante Mischwälder ersetzen. Auch in den Städten sind weitreichende Veränderungen im Baumbestand geplant. So sollen stressanfällige heimische Baumarten durch Baumarten aus wärmeren Regionen, wie z.B. Gleditschien, japanische Schnurbäume und chinesische Ginkgos, ausgetauscht werden. Was auch bedeutet, dass uralte Kulturlandschaften sich langsam aber sicher wandeln werden. Selbstverständlich kommt dem Baumbestand beim Klimawandel nicht nur eine passive, sondern auch eine wichtige aktive Rolle zu. So wirken sich Stadtbäume nicht nur positiv auf die Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit oder die Windgeschwindigkeiten aus, sie binden auch große Mengen CO2 und verbessern damit erheblich die Luftqualität. Ein ausgewachsener Baum speichert ca. 1 t CO2. Wenn das Holz verbaut wird – allein ein Dachstuhl bindet 4 bis 8 t CO2 – wird diese CO2-Menge dem Kreislauf für lange Zeit entzogen.
Wie in der Forstwirtschaft muss auch in der Bauwirtschaft über Zeiträume vorausgeplant werden, die bis zum Ende des 21. Jahrhunderts reichen. Wie in der Forstwirtschaft muss hier dem Klimawandel sowohl passiv als auch aktiv begegnet werden. Im Mittelpunkt der gesetzgeberischen Maßnahmen steht der aktive Klimaschutz, dem mit der aktuell geltenden EnEV 2009 und der für 2012 geplanten Neuauflage, in der auch die EU-Richtlinie über die Gesamteffizienz von Gebäuden vom 19.5.2010 verankert werden soll, Rechnung getragen wird. Da 40 % des Primärenergieverbrauchs in der EU auf Gebäude entfallen, kommt der Energieeffizienz in der Bauwirtschaft eine herausragende Rolle bei der Erreichung der Klimaschutzziele zu.
Die vorliegende klimaBAUKULTUR zeigt, wie Gebäude mit positiver Energiebilanz aussehen können. Im Unterschied zu den gesetzlichen Auflagen wird bereits der gesamte Lebenszyklus des Gebäudes von der Herstellung der Baustoffe über den Transport, die Nutzungsphase und den Rückbau bilanziert. Bedenkt man, dass allein 2,8 % der deutschen CO2-Emissionen durch die Carbonatzersetzung bei der Zementherstellung verursacht werden, wird klar, dass Gesamtbilanzen unter Einbeziehung der Bauindustrie wichtig sind. Eine zentrale Rolle bei der Energiebilanz von Plus-energiegebäuden spielt der Einsatz von Photovoltaik. Diese hat mittlerweile einen Reifegrad erreicht, bei dem der überschüssige Strom in das öffentliche Netz eingespeist werden kann und eine ausgeglichene CO2-Bilanz bereits nach ca. 5 Jahren Nutzungsdauer erreicht wird.
Zu passiven Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel finden Sie in der vorliegenden Ausgabe der BAUKULTUR einen speziellen Beitrag mit Maßnahmen zum Hochwasserschutz für Gebäude. Darin wird auf die Empfehlungen eingegangen, die das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zum Bauen in hochwassergefährdeten Zonen veröffentlicht hat. In der o.g. EU-Richtlinie über die Gesamteffizienz von Gebäuden wird darüber hinaus gefordert, die steigenden Temperaturen im Sommer durch Sonnenschutz, ausreichende Wärmekapazität der Gebäudekonstruktion und Einsatz passiver Kühlung zu berücksichtigen. Anders als bei den aktiven Maßnahmen hängt die Umsetzung passiver Anpassungsmaßnahmen allerdings weniger von gesetzlichen Regelungen als von den Wünschen der Bauherren ab. Dabei wirkt sich aus, dass Baumaßnahmen im privaten Bereich weit weniger langfristig ausgerichtet werden als in früheren Jahrhunderten.
Das Interesse am Klimawandel in der Bevölkerung unterliegt starken Schwankungen, wie eine Recherche unter Google Insights for Search ergibt. So zeigt die Anzahl von Suchan-fragen nach einschlägigen Begriffen innerhalb der letzten 5 Jahre Schwankungen um das Fünffache. Lokale Witterung und politische Großereignisse haben offenbar einen immensen Einfluss auf das Informationsbedürfnis. Es bleibt deshalb spannend, wann und in welchem Umfang die Baukultur auf den Klimawandel reagieren wird.
Ich wünsche Ihnen eine informative Lektüre!
Susanne Kuballa
BAUKULTUR Chefredakteurin