Von Stuttgart in die Welt

Jörg Schlaich erhält den Großen DAI Preis für Baukultur 2012
(in: BAUKULTUR 5_2012, S. 12-13)

Jörg Schlaich Porträt

Person und Umfeld
Alles hat seine Wurzeln in Schwaben. Jörg Schlaich, der hier geboren ist, seine berufliche Zukunft hier aufbaute, Lehre und Forschung an der Universität Stuttgart betrieb und natürlich mit Rudolf Bergermann das gemeinsame Büro gründete, ist ein lebender Beweis dafür. Das hat sicher mit seiner charismatischen Persönlichkeit selbst, aber auch mit dem besonderen Umfeld in Stuttgart zu tun.
Ob dies nun die unglaubliche Zahl an renommierten Bauingenieuren, unter ihnen Mörsch und Leonhardt, und bekannten Architekten, die der Stuttgarter Schule verbunden sind, ausmacht oder vielmehr die Rahmenbedingungen, die in der Stadt und dem Land seit vielen Jahrzehnten herrsch(t)en, ist nicht zu bestimmen. Meist bedingt eines das andere.
Für die Ingenieure von schlaich bergermann und partner bedeutet beides gleichviel und hat dem Büro über all die Jahre spannende Projekte im Raum Stuttgart und in der Folge auf der ganzen Welt beschert.

Brücken im Dialog
In kaum einer anderen Stadt findet man derart viele und vielfältige Brückenbauwerke. Vornehmlich der Bau von Fußgängerbrücken wird in Stuttgart von jeher geschätzt und gepflegt. Beginnend mit den Brücken rund um den Rosensteinpark aus den ersten Zeiten der Gartenschau (1977) wurden über die Jahre sehr außergewöhnliche und innovative Fußgängerbrücken realisiert. Ihr originäres Merkmal ist die Verbundenheit mit dem jeweiligen Ort. Jede Brücke steht im Dialog mit der räumlichen, landschaftlichen Situation, für die sie erdacht wurde. So kann sie als organisches Band an Seilen aufgehängt, wie im Falle der Max-Eyth-Brücke, nahezu unsichtbar in die Landschaft eingefügt sein oder selbstbewusst, wie an der Heilbronner Straße, einen Ort markieren.
Viele der Stuttgarter Brücken sind in das Grüne-U eingewoben bzw. machen diesen zusammenhängenden Grünzug in einem durch Straßen zerschnittenen Stadtraum erst möglich. Ein dankbares Beispiel dafür, dass Ingenieure einen Teil der gebauten Umwelt positiv beeinflussen können, für andere Städte lehrreich im Umgang mit dem Stadtraum. Dies dient den Kollegen und dem Büro schlaich bergermann und partner seit vielen Jahren als Türöffner in anderen Ländern, sei es für die immer größer werdende Zahl an Fußgängerbrücken in Europa oder aber auch dann, wenn zum Beispiel über Brücken bei der Restrukturierung von Flussparks in Shanghai nachgedacht wird: Attraktive neue Brücken à la Stuttgart besitzen vermittelbare Tugenden!

Schlaich Kiew
Olympiastadion Kiew, 2011 (Foto: Marcus Bredt)

Ideen und Vorteile des Leichtbaus
Mit dem neuen Dach der Mercedes-Benz Arena wurde im Jahre 1991 noch ein solches Kapitel aufgeschlagen. Das dort erstmals für ein großes Stadion eingesetzte Ringseildach verbindet alle Ideen und Vorteile des Leichtbaus, für das Stuttgarter Ingenieure – und allen voran Jörg Schlaich –  stehen, in sich. Eine innovative Tragwerksidee, die auf hochfesten Seilen und einer hauchdünnen, leichten Membranhaut aufbaut, damit ökonomisch wie ökologisch vorbildlich ist, und deren Leichtigkeit und Eleganz in der Lage ist, ein herausragendes, markantes Bauwerk zu schaffen.
Längst hat das Stuttgarter Dach auf der ganzen Welt Nachfolger gefunden, die das hierfür entwickelte Prinzip aufgreifen, verfeinern, modifizieren und letztlich zu Neuem weiterentwickeln. Auch hier sind wie bei den Brücken die Orte und lokalen Randbedingungen, wie am Kap von Afrika, in den Metropolen Asiens und im brasilianischen Dschungel am Amazonas entwurfsbestimmend. Die Möglichkeiten des Bauens hinsichtlich Materialverfügbarkeit und handwerklicher Tradition und natürlich auch die kulturellen Eigenheiten eines Landes spielen eine Rolle. Gerade diese Vielfalt an Möglichkeiten weckt das Interesse des Büros. Die Neugier, die auch Jörg Schlaich seit Jugendtagen umtreibt und in alle Welt reisen lässt, ist seine Triebfeder geworden, sie ist auch nach seinem Geschmack.

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