Für den zweiten Blick

Kunstmuseum in Ravensburg
(in: BAUKULTUR 2_2013, S. 22-23)

Ende 2012 wurde in Ravensburg das weltweit erste zertifizierte Passivhaus-Kunstmuseum eröffnet. Geplant haben es die Stuttgarter Architekten Lederer Ragnarsdottir Oei.

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Fast wehrhaft wirkt das Gebäude, das als Kunstmuseum mit einem Minimum an Fensterflächen auskommen muss (Foto: Roland Halbe)

Entwurfsidee
Bei der Planung im Vordergrund stand die Frage des Umgangs mit der alten Stadt. Die Architekten interessierte der Begriff der Kontinuität, sie wollten ein Haus bauen, das sich der aktuellen Diskussion – ob ein Gebäude durch seine Modernität einen Kontrast bildet oder so tut, als wäre es über ein Jahrhundert alt – entzieht: „Gäbe es von der Situation ein Bild von Canaletto und fehlte an der Stelle, an der das Kunstmuseum entstehen soll, ein Stück der gemalten Stadt, so käme der Restaurator weder auf die Idee, „seine“ Kunst und Zeitgenossenschaft auf dem Fleck darstellen zu wollen, noch würde er die Stelle so übermalen, als hätte es den Schaden nie gegeben. Vielleicht würde er das fehlende Stück in der Art anlegen, dass die Sache auf den ersten Blick gar nicht ins Auge springt und erst auf den zweiten Blick, nämlich bei genauerem Hinsehen, die Ergänzung zu lesen ist.“ Die Frage, in welcher Zeit das Haus entstanden sein mag oder wer dessen Architekten waren, wäre obsolet. Es gab schon immer Architekten, die sich mit diesem Problem auseinandergesetzt haben oder besser gesagt, die Häuser für den zweiten Blick gebaut haben. Ihre Bauten zeugen von bestechenden handwerklichen Qualitäten, vertrauten Materialien, schönen Fügungen, gut funktionierenden Grundrissen.

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Ausstellungsraum im Dachgeschoss: Die Ziegelschalen sind weiß geschlämmt, auf Anstriche wurde aus ökologischen Gründen weitgehend verzichtet (Foto: Roland Halbe)

Architektonisches Konzept
Das einfache räumliche Konzept mit Eingangshof, rechteckigen und neutralen Ausstellungsräumen, die von den Erschließungselementen in die Mitte genommen sind, wird nach außen durch eine Schale aus Recyclingziegeln gemauert. Für die Planung wichtig war die Frage, woher die eingesetzten Baustoffe kommen und wie viel Energie für ihre Herstellung verbraucht wird. So stammen die Steine von unterschiedlichen Abbruchhäusern und sind lediglich grob verfugt. Zudem wurde weitgehend auf Innenanstriche verzichtet, da jeder Anstrich eine ökologische Belastung darstellt. Das Dach ist aus Ziegelschalen gebildet, die innenseitig weiß geschlämmt sind und als Gewölbekonstruktion den Raum frei überspannen. Fenster finden sich so wenig wie möglich, lediglich an einer Stelle eine Verglasung wie ein Bild, das den Blick auf den benachbartern Wehrturm, den Mehlsack frei gibt.

Energiekonzept
Ein Museum in Passivhausbauweise zu errichten, stellt die Beteiligten vor hohe Anforderungen. Vor allem in der Tatsache, dass ein Kunstmuseum mit einem Minimum an Fenstern auskommen muss und die Gemälde durch künstliches Licht optimal in Szene gesetzt werden, dokumentiert sich die Herausforderung.
Bei der Planung wurde insbesondere darauf geachtet, Wärmebrücken zu reduzieren, was sich angesichts des realisierten Wandaufbaus als Ausgangspunkt für Innovationen herausstellte: Die hoch wärmegedämmte Museumshülle wurde als zweischalige Konstruktion ausgeführt. Zwischen der Betonwand und der Außenwand aus alten, wieder verwendeten Ziegeln befindet sich eine 24 cm dicke Dämmung. Die erforderlichen Anker und Konsolen, mit deren Hilfe die Ziegelaußenwand am Beton befestigt ist, hätten hier üblicherweise für bedeutende Wärmebrücken gesorgt. Um den negativen Effekt so gering wie möglich zu halten, wurde deshalb der Stahlanteil des Befestigungssystems deutlich reduziert.
Eine Lüftungsanlage sorgt für optimales Raumklima und schützt Gemälde und Gebäude vor Schäden. Das gute Dämm-Niveau garantiert gleichmäßige Oberflächentemperaturen und vermeidet auch bei der geforderten Luftfeuchtigkeit von 50 % in den Räumen jegliche Feuchtigkeitsprobleme. Heizung und Kühlung einschließlich Be- und Entfeuchtung erfolgen über Erdsonden und eine Gas-Absorptions-Wärmepumpe mit sehr niedrigem Primärenergiebedarf.

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