Umbau einer ehemaligen Tuchfabrik in Berlin

Überdimensionale Komposition
(in: BAUKULTUR 4_2016, S. 21)

Der Umbau der ehemaligen Tuchfabrik in Berlin nach Plänen des Architekturbüros Sergei Tchoban, nps tchoban voss GmbH & Co. KG, ist abgeschlossen. Bevor der Besucher das Gebäude betritt, macht er einen Schritt in die Geschichte: Übergroße, farbig-leuchtende „Fäden“ ziehen sich an der neuen Fassade entlang und verweben sich ineinander.

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Die Eingangszone reicht über zwei Geschosse und wird durch zwei Lichtsäulen gegliedert (Foto: Lev Chestakov)

Bauliche Geschichte
Bauherr des 1966 errichteten Industriebaus war die Tuchfabrik Marggraf. Sie diente bis zu ihrer Schließung der Stoffherstellung. Das Vorderhaus, in dem ehemals die Verwaltung untergebracht war, besteht samt Haupteingang aus tragenden Wänden mit verputzter Lochfassade. Das Produktionsgebäude, in dem sich die Weberei, die Strickerei und Lager befanden, besteht aus einer tragenden Stahlbeton-Karkasse mit hinterlüfteter Bandfassade, verkleidet mit Eternitplatten. Im Zuge des Umbaus wurden die asbesthaltigen Paneele abgebaut und entsorgt. Es wurden weder Bauteile entkernt noch abgerissen. Alle tragenden Konstruktionen blieben bestehen. Das Gebäude steht nicht unter Denkmalschutz.

Sanierungsplanung
Die Architekten folgten der ursprünglichen Nutzung gedanklich und entschieden sich, die Historie in der neuen Fassade aufleben zu lassen. Im Rahmen des Umbaus wurden Bürohaus und Produktionsgebäude miteinander verknüpft. Die Höhenunterschiede konnten über abgeschrägte Stürze und Fensterbänke ausgeglichen werden. Die Fassade des Bürogebäudes mit seiner Lochfassade hat eine gewebeartige Struktur erhalten, deren horizontale „Fäden“ in die Bandfassade des Produktionsgebäudes nahtlos übergehen.

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Die leuchtenden „Fäden“ scheinen sich auf der hochglänzenden Fassade zu bewegen (Foto: Greg Bannan)

Leuchtende Fäden
Die „Fäden“ wurden als durchgehendes Muster entworfen und sollten sowohl horizontal als auch vertikal an der Oberfläche verlaufen und sich ineinander verweben. Die Herstellung und der Aufbau der Fassade erforderten eine äußerst präzise Herangehensweise. Eine Besonderheit dabei stellte die bauliche Umsetzung dar: Da der Bestand nur geringe zusätzliche Lasten aufnehmen konnte, wurden Aluminium-Sandwichplatten mit Alu-Wellblechkern auf einer Unterkonstruktion angebracht. Die Aluminiumpaneele sind mit einem Gewicht von 5,7 kg/m2 ultraleicht und haben eine ideale, plane Oberfläche. Anschließend wurden die Paneele digital in Hochglanzoptik bedruckt. Den Digitaldruck für die Gesamtfläche von 1500 m2 führte die niederländische Firma Euramax durch. Die überdimensionale Komposition ließ jede der 440 Platten zu einem Unikat mit eigener Identifikationsnummer und fest zugewiesenem Platz werden.

Eingangsbereich
Der ursprüngliche Eingang bestand aus unterschiedlich hohen Eingangstüren, der zu einer großzügigen Eingangszone erweitert wurde. Sie reicht über zwei Geschosse und wird durch zwei Lichtsäulen gegliedert. Mit der Installation des avantgardistischen Rodtschenko-Schriftzuges, der einen Bezug zum konstruktivistischen Erscheinungsbild des Gebäudes herstellt, wird das Projekt komplettiert.

Nachhaltige Sanierung
Die Haltung der Architekten zum Umbau war, so nachhaltig wie möglich zu agieren, d. h. so viel wie möglich zu erhalten und die Eingriffe in die Bausubstanz zu minimieren. Das Ziel bestand auch darin, dem Gebäude eine neue Haltung zu verleihen und es im städtebaulichen Zusammenhang zu akzentuieren. In der umgebauten Tuchfabrik hat nun eine große Bandbreite unterschiedlicher Nutzungen ihren neuen Sitz gefunden.

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