Ehrliche Materialien für ein ehrliches Haus

Quartiershaus und Architekturcluster in Wien
(in: BAUKULTUR 1_2020, S. 20-21)

Im Wiener Sonnwendviertel, das vom Hauptbahnhof und einem großen neuen Wohngebiet geprägt ist, ist ein Architekturcluster entstanden. Der 6-stöckige Bau mit öffentlichem Lokal und Veranstaltungsraum ist ein Gemeinschafts-projekt der Wiener Architekturbüros Franz&Sue, PLOV und SOLID sowie der branchennahen Unternehmen a-null Bausoftware und Hoyer Brandschutz. Sie gaben ihm den Namen „Stadtelefant“. Als Mieter angeschlossen sind die Baukulturvermittler architektur in progress und die Architekturstiftung Österreich.

FranzSue HAUS Stadtelefant 11 Andreas Buchberger

Arbeiten im Wohnviertel
Das Team von Franz&Sue ist interessiert am kooperativen Arbeiten auf Augenhöhe und intensiven Wissensaustausch, intern, aber auch extern. Aus dieser Überzeugung heraus wurde vor 10 Jahren der Fight Club gegründet, ein monatlicher Jour Fixe zum fachlichen Diskurs mit befreundeten Architekturbüros und Interessierten, der bis heute regelmäßig stattfindet. Anfang 2015 beschloss die Kerngruppe, ein gemeinsames Bürohaus zu bauen. Zur gleichen Zeit wurden kluge Konzepte für Quartiershäuser im Sonnwendviertel gesucht mit dem Ziel, einen Nutzungsmix herzustellen. Die Idee, im Wohnviertel zu arbeiten, überzeugte, und so wurde das einzige Gebäude in diesem Neubaugebiet, in dem auf allen Regelgeschossen gearbeitet wird und das als Bürohaus von einer GmbH gewerblicher Nutzer selbst entwickelt, geplant, errichtet und finanziert wurde, zum Pionierprojekt. Das Erdgeschoss wird gemeinsam genutzt, in den Geschossen darüber befinden sich die Büros, ganz oben 4 Wohnungen. Es war allen Beteiligten ein Anliegen, einen repräsentativen Querschnitt von Architekturarbeit ins Haus zu holen, um Expertenaustausch und Synergien zu ermöglichen.

Inspiration Gründerzeithaus
Die Arbeit der Architekten ist geprägt von dem Satz: „Je komplexer die Anforderung ist, umso simpler muss die Lösung sein.“ Das Bürogebäude mit seinen vielseitigen Nutzeranforderungen ist in der Konstruktion und räumlichen Struktur unkompliziert, flexibel und qualitativ langlebig. Viele Aspekte des Projekts sind durch die historischen Gründerzeithäuser Wiens inspiriert. Am deutlichsten ist das bei den 3,20 m hohen Räumen zu sehen, die für Büroneubauten ungewöhnlich sind. Durch den Verzicht auf ein zusätzliches Geschoss erhielt man im Gegenzug die Qualität und das Flair eines Wiener Altbaus. Auch die Fassade mit großen Fenstern im strengen Betonraster hebt sich von der gläsernen Erscheinung typischer Büroneubauten ab. Das Gebäude wirkt ruhig, schlicht und unaufgeregt. Das voll verglaste Erdgeschoss öffnet es für den Dialog mit Quartier und Öffentlichkeit. Im Grundriss bleiben die einzelnen Etagen des Hauses offen gestaltbar. Auf tragende Zwischenwände, Gänge oder Erschließungsflächen wurde verzichtet. Struktur ergibt sich durch das Treppenhaus und den WC-Kern. So bleiben die Räumlichkeiten langfristig flexibel nutzbar. Man könnte auch sagen: Je simpler die Lösung, umso nachhaltiger das Haus.

FranzSue HAUS Stadtelefant 28 Louai Abdul Fattah

Vorgefertigter Sichtbeton
Beim Bau der Fassade wurden annähernd 3,30 × 3,60 m große Betonfertigteile verwendet und wie ein Puzzle präzise zusammengesetzt. Das Besondere: Die Innen- und Außenseiten haben vorgefertigte, sandgestrahlte Sichtbetonoberflächen mit dazwischen liegender Wärmedämmung. Diese Bauweise ermöglicht es, den Aufwand für die Haustechnik zu minimieren. Der Beton wirkt gleichzeitig aktiv als Speichermasse, die Kühlung und Minimallüftung erfolgen über die Stahlbetondecken. Es gibt keine Zwischendecken. Nach den Stahlbetonarbeiten war das Haus somit schon fast fertig, nur noch die Fenster kamen hinzu. Mit dem ausführenden Bauunternehmen war ein verlässlicher Partner mit langjährig erworbenem Know-how in der Planung und Ausführung komplexer Projekte aus Beton gefunden, der gemeinsam mit dem Statiker Konzepte entwickelt hat, um ein Gebäude mit Bauteilen dieser außergewöhnlichen Höhe sicher stehen zu lassen. Während der Bauphase mussten alle massiven „fassadenfertigen“ Betonteile eines Geschosses maßgenau zusammengefügt werden. Diese Arbeit erforderte ein eingespieltes Team. Man habe den Baustoff Sichtbeton an seine baulichen und ästhetischen Grenzen geführt.

Adele, die Hochgarage
Das goldene Porträt von Adele Bloch-Bauer, Muse und Mäzenin Gustav Klimts, diente als Inspiration für die Fassadengestaltung der benachbarten Hochgarage. Als Namenspatronin für die Hauptachse des Sonnwendviertels, die Bloch-Bauer-Promenade, wacht die Grande Dame der Wiener Moderne über das Quartier. Franz&Sue konnten den Wettbewerb für die Hochgarage neben dem Bürohaus für sich entscheiden und präsentieren ihre Adele im schimmernden Kleid.

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