Editorial Ausgabe 5-2011

Dagmar Schierholz, Vorsitzende des AIV Hildesheim
(in: BAUKULTUR 5_2011, S. 3)

Liebe Leserinnen und Leser,

Der diesjährige DAI Tag wird vom 23.-25.9.2011 in Hildesheim stattfinden, und dazu wünschen wir uns, viele Gäste aus den Architekten- und Ingenieurvereinen der Republik in unserer Stadt begrüßen zu dürfen. Gleichzeitig wollen wir als Hildesheimer AIV unser 60-jähriges Jubiläum in einem angemessenen Rahmen begehen.

Warum sollten Sie nach Hildesheim kommen? Dorthin, wo die norddeutsche Tiefebene endet und die deutschen Mittelgebirge beginnen – ein Schnittpunkt europäischer Verkehrswege, fast in der Mitte Deutschlands.

Die Stadt wurde 815 gemeinsam mit dem Bistum Hildesheim von Ludwig dem Frommen gegründet. Ihre historische Stadtentwicklung ist geprägt aus dem Spannungsbogen von Klerus und Bürgertum, Kirche und Stadt. Die 1000-jährige Kirche St. Michael, erbaut von Bischof Bernward als frühromanischer Kirchenbau, ist 1985 zum UNESCO-Welterbe erklärt worden, ebenso der Mariendom. Parallel schufen die Bürger der Stadt eine großartige mittelalterliche Fachwerkstadt. Gebäude wie das Knochenhauer Amtshaus waren weit über regionale Grenzen bekannt.
Mit der Industrialisierung im 19. und 20. Jahrhundert siedelten sich Industriebetriebe im Hildesheimer Umland an und sorgten so für den Sprung der Stadt und Region in die Moderne. In dieser Zeit entstanden zahlreiche öffentliche Gebäude als auch ganze Straßenzüge, die stilistisch der so genannten Hannoverschen Schule nachempfunden waren. Dieses Stadtbild hat entscheidend mitgeprägt der Hildesheimer Stadtbaurat Gustav Schwartz, ein Schüler des Baumeisters Conrad Wilhelm Hase, der als Gründer des neugotischen Ziegelbaus gilt.
In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs wurde der Hildesheimer Stadtkern in einer Bombennacht vollständig zerstört. Ein Trauma für den Hildesheimer Bürgerstolz, das bis in die heutige Zeit seine Auswirkungen hat. Der Wiederaufbau der Innenstadt auf historischem Grundriss wurde mit einer großen Ideenvielfalt realisiert. Er wurde als Chance verstanden, sich Neuem zuzuwenden. Ein Baustil im Kontrast zum Alten. Eine Architektursprache der Leichtigkeit. Aus der Not an Baumaterialien wurden eine Schlichtheit in der Gesamtgestaltung und eine kunstvolle Ausarbeitung von Details bewusst umgesetzt. Die Jahre des Wiederaufbaus waren auch die Zeit der gemeinnützigen Wohnungsbau-gesellschaften. Sie waren gefordert, für steigende Einwohnerzahlen genügend Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

In dieser Zeit des Aufbruchs ist der AIV Hildesheim gegründet worden. Architekten und Ingenieure waren bei ihrer täglichen Zusammenarbeit bei den verschiedenen Bauprojekten auf ein gutes Miteinander angewiesen, und letztlich verfolgte man die gleichen Interessen. Die Hildesheimer Kollegen Hille, Haase, Werkmeister, Gascard, Burkhardt, Meiners und Stadtbaurat Haagen zählen zu den Gründungsmitgliedern und hoben im November 1951 den Hildesheimer AIV aus der Taufe. Gleichzeitig schlossen sie sich dem bundesweit agierenden Dachverband, dem DAI, an.

Durch die Gesetzgebung der Städtebauförderung in den 1970er und 1980er Jahren war die Möglichkeit gegeben, Bereiche um die Innenstadt herum in den Fokus zu nehmen und durch gezielten Einsatz der Mittel städtebaulich und in der Substanz aufzuwerten.
Die Koexistenz von baulicher Vielfalt gibt der Stadt ihr heutiges Profil. Die Schwerpunkte Kultur und Bildung finden dabei einen besonderen Ausdruck. Neue Bauaufgaben sind gestellt und werden tatkräftig umgesetzt, so z.B. die Erweiterungen für die Universität oder die Transformationen von Kasernengeländen und Industrieanlagen oder die Baustellen an den Welterbestätten St. Michael und Mariendom.
Kein anderes Thema als der Umgang mit baulicher Rekonstruktion ist in unserer Stadt so leidenschaftlich diskutiert worden. Der allgemeine Bürgerwille und die Suche nach Identität waren dann letztlich die treibende Kraft, den Wiederaufbau des historischen Marktplatzes zu realisieren.

So kreuzen sich auch die Wege zur diesjährigen DAI Literaturpreisträgerin 2011, der Literatur- und Kunstwissenschaftlerin Ira Mazzoni. Sie hat mit ihrer Arbeit dazu beigetragen, den Dialog über den Umgang mit der gebauten Umwelt, über Baukultur und über Fragen zur Denkmalpflege und Rekonstruk-tion kontrovers zu führen und durch ihre Sichtweisen kon-struktiv zu beleben. Die Preisverleihung findet am 24.9.2011 durch den niedersächsischen Finanzminister Hartmut Möllring statt. Die Laudatio hält Prof. Dr. Wolfgang Pehnt, Architekturhistoriker und DAI Literaturpreisträger 1984.

Das Faguswerk in Alfeld, von Walter Gropius 1911 erbaut, ist im Juni 2011 zum Weltkulturerbe erklärt worden. Die Teilnehmer des DAI Tages haben am 25.9.2011 im Rahmen einer Exkursion die Gelegenheit, dieses Zeugnis moderner Industriearchitektur zu besichtigen.

Die zahlreichen Beiträge der vorliegenden hildesheimerBAUKULTUR sind von unseren AIV Kollegen und Freunden mit Engagement geschrieben worden, um Ihnen die prägenden Projekte der Stadtentwicklung und die Besonderheiten der Region näher zu bringen. An dieser Stelle herzlichen Dank an alle Autoren - und Ihnen viel Spaß beim Lesen!
 
Sie sind alle herzlich eingeladen, im September zum DAI Tag 2011 nach Hildesheim zu kommen.

Ihre Dipl.-Ing. Dagmar Schierholz
Vorsitzende des AIV Hildesheim

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