Die Vergabekammer (VK) Sachsen hat mit Beschluss vom 22.09.2014 – 1/SVK/029-14 - u.a. Folgendes entschieden:
Hat der Bieter das Nebenangebot als solches bezeichnet und weicht es inhaltlich von der vom Auftraggeber nachgefragten Leistung ab, besteht keine Möglichkeit, es in ein Hauptangebot umzudeuten. Nur wenn sich das Angebot im Rahmen der Leistungsbeschreibung bewegt, kann es als (zweites) Hauptangebot angesehen werden.
Ein öffentlicher Auftraggeber (AG) hatte für einen Ersatzneubau eines Krankenhauses Bauleistungen im Offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben. Wertungskriterium was ausschließlich der niedrigste Preis. Nebenangebote waren zugelassen. In der Leistungsbeschreibung (LV) waren u.a. Natursteinbeläge gefordert. Bieter A gab ein Hauptangebot ab, in dem er das LV unverändert verpreist hatte. Daneben hatte er ein weiteres Angebot abgegeben, welches er als „Nebenangebot" bezeichnet und darin andere Boden- und Treppenbeläge sowie eine andere Plattenstärke angeboten hatte. Nach Submission befand sich A mit seinem Hauptangebot auf Platz 2, Bieter B auf Rang 1. Das als „Nebenangebot" bezeichnete Angebot des A war preislich günstiger als das Angebot des B. Der AG teilte dem A mit, dass dessen Angebot nicht bezuschlagt werde; er beabsichtige, den ausgeschriebenen Naturstein zur Ausführung zu bringen, da dieser auch bereits im früher errichteten 1. und 2. Bauabschnitt zur Ausführung gekommen sei. Nach Rüge stellte A Nachprüfungsantrag.
Die Vergabekammer sieht diesen als unbegründet an. Das weitere Angebot des A sei zurecht bei der Wertung nicht berücksichtigt worden. Bei dem weiteren Angebot handele es sich in der Sache um ein Nebenangebot und nicht – wie von A vorgetragen – um ein weiteres Hauptangebot. Ein Hauptangebot liege immer dann vor, wenn der Bieter das LV bedienen wolle oder – soweit zugelassen – eine gleichwertige Lösung anbieten wolle. Nebenangebote dagegen offerierten die Leistungen anders als in der Leistungsbeschreibung nachgefragt. Ein Nebenangebot liege dann vor, wenn Gegenstand des Angebotes ein von der geforderten Leistung abweichender Bietervorschlag sei. Auch inhaltlich sei es ein Nebenangebot, weil es in zwei Punkten vom LV abweiche, ohne dass dies im Hauptangebot zulässig wäre.
Zum einen biete hier der Antragsteller A einen Stein an, der das LV hinsichtlich des geforderten Herkunftsortes nicht erfülle. Der AG habe die Möglichkeit der Angabe eines abweichenden Herkunftsortes auch nicht explizit mittels der Formulierung „oder gleichwertig" eröffnet. Da dies vom A nicht rechtzeitig gerügt worden sei, sei das ungerügte LV von den Bietern so zu bedienen, wie es formuliert worden sei. Der Zusatz „oder gleichwertig" sei auch nicht in das LV hinzulesen. Dem stehe schon entgegen, dass § 7 EG Abs. 8 Satz 1 VOB/A in bestimmten Fällen den Verweis auf eine bestimmte Herkunft – ohne den Zusatz „oder gleichwertig" – zulasse, nämlich dann, wenn es durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt sei. Dies entspreche vorliegend auch dem Willen des AG, der schon in den fertiggestellten Bauabschnitten einen Stein verlegt habe und deswegen auch im vorliegenden dritten Abschnitt diesen Stein zum Einsatz bringen wolle. Darüber hinaus habe der A in seinem „Nebenangebot" abweichend vom LV nicht die geforderte Plattenstärke angeboten. Unabhängig davon sei das weitere Angebot als Nebenangebot nicht wertbar gewesen. Da der AG als Zuschlagskriterium ausschließlich den niedrigsten Pries gewählt habe, seien in diesen Fällen Nebenangebote selbst dann nicht wertbar, wenn sie ausdrücklich zugelassen seien. Dies ergebe sich aus dem Wettbewerbsgrundsatz aus § 97 Abs. 2 GWB sowie dem Gebot, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen (siehe BGH, Beschluss vom 07.01.2014 – 10 ZB 15/13). Denn der AG habe bei der Wahl des alleinigen Zuschlagskriteriums „Preis" keine Möglichkeit, etwaige Minderqualitäten der technischen Nebenangebote zum Amtsvorschlag im Verhältnis zum Preis zu berücksichtigen. Aus der Tatsache, dass hier der AG gleichwohl eine Gleichwertigkeitsprüfung vorgenommen habe, könne der A aber keine Rechte ableiten; insofern trete keine Selbstbindung des AG ein. Der A habe nach § 97 Abs. 7 GWB nur einen Anspruch auf Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen. Nach diesen sei aber – wie ausgeführt – das Angebot des A nicht wertbar.
Anmerkung:
Nach ständiger Rechtsprechung (z.B. OLG München v. 29.10.2013 – Verg 11/13; OLG Düsseldorf v. 01.10.2012 – Verg 34/12) gilt für die Vorlage mehrerer Hauptangebote folgendes:
- Inhaltlich identische Hauptangebote („Doppelangebote"), die sich nur im Preis unterscheiden, sind unzulässig.
- Technisch unterschiedliche Hauptangebote sind dagegen zulässig, wenn der Bieter erkennbar ein gleichwertiges Produkt anbieten will und im Angebot die Gleichwertigkeit mit dem Leitfabrikat behauptet. Diese „Gleichwertigkeit" ist jedoch immer mit Unwägbarkeiten behaftet.
Weitere Informationen: ZIRNGIBL LANGWIESER, Rechtsanwälte Partnerschaft, www.zl-legal.de
Ansprechpartner: Thomas Schneider, Rechtsanwalt, Tel.: 030 - 880 331 - 234, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!