Die Funktion steht bei Industrie- und Gewerbebauten im Mittelpunkt. Die Gestaltung der Fassade spielt deshalb oft – anders als bei anderen Bauvorhaben – eher eine untergeordnete Rolle. Das könnte sich bald schon ändern – sowohl durch neue Vorgaben zur Energieeffizienz als auch durch einen gestiegenen Anspruch an die Ästhetik der Gebäude.
Metallsandwichelemente mit Polyisocyanurat(PIR)- oder Polyurethan(PUR)- Hartschaumkern werden bei diesem Prozess eine bedeutsame Rolle spielen, ist Prof. Dr.-Ing. Helmut Hachul von der Fachhochschule Dortmund überzeugt.
Warum sehen Sie gerade PIR/PUR Metallsandwichelemente auf dem Vormarsch?
Hachul: Insbesondere im Industrie- und Gewerbebau wird seit mehr als 50 Jahren erfolgreich mit Stahlsandwichelementen mit einem stützenden PIR/PUR Hartschaumkern gebaut. Und diese Elemente sind seitdem kontinuierlich weiterentwickelt worden. Die aktuellen Systeme haben ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, sind technologisch ausgereift und einfach zu verbauen. Diese Art der Sandwichelemente bietet durch ihren hohen Vorfertigungsgrad eine gleichbleibend hohe Qualität und eine hervorragende Wirtschaftlichkeit. Gleichzeitig werden sie durch die Kombination der Langlebigkeit und Wartungsarmut von verzinkten und bandbeschichteten Metallfassaden mit den Dämmeigenschaften von modernen Polyurethan-Hartschäumen den heutigen Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden gerecht. Des Weiteren bieten diese flexiblen Fassadensysteme viele Gestaltungsmöglichkeiten, die wir derzeit bei weitem noch nicht ausschöpfen. Darüber hinaus zeigen sie noch Entwicklungspotenzial als „aktivierte Fassade“: Es ist denkbar, dass die Gebäudehülle nicht nur gut dämmen muss, sondern neue Funktionen übernimmt wie Heizen, Kühlen oder sogar die Stromerzeugung. Es gibt also eine ganze Reihe von Gründen, die für PIR/PUR Metallsandwichelemente sprechen.
Farbgestaltung im Bestand: Gebäudehülle in zu heller und einfarbiger Lieblosigkeit (Foto: Prof. Hachul)
Trotzdem schluckt mancher Architekt mit kreativem Anspruch an seine Arbeit beim Gedanken an immer gleiche Standardfassaden von Industriehallen.
Hachul: Aber zu Unrecht. Auch PIR/PUR Sandwichelemente ermöglichen Planern durch verschiedene Farben, Profilformen und Varianten der Verlegung, gestalterische Ideen wirtschaftlich umzusetzen. Es ist interessant zu beobachten, dass in unseren europäischen Nachbarländern ein ganz anderes Bewusstsein für die Ästhetik von Industrie- und Gewerbebauten herrscht. So werden beispielsweise in den Niederlanden schon sehr kreative Ideen bei Bauprojekten umgesetzt. Moderne Lacke und Profile setzen der Gestaltung kaum noch Grenzen. Mir ist bewusst, dass dieses Thema in der Ausbildung unserer Architekten noch unterrepräsentiert ist und mehr Aufmerksamkeit braucht. Dies war einer der Gründe, den Masterstudiengang „Gebäudehüllen aus Metall“ an der Fachhochschule Dortmund einzurichten. Und klar ist natürlich auch: Der jeweilige Bauherr muss ein Bewusstsein für das Erscheinungsbild seines Firmengebäudes haben. Eine ästhetische Fassade muss nicht teuer sein, sie kostet dennoch Geld.
Vorschlag für eine polychrome Variante: positive Präsenz-Einpassung in die Nachbarschaft (Foto: Prof. Hachul)
Sie haben die Energieeffizienz schon angesprochen. Welche Rolle spielen gesetzliche Vorgaben wie die Energieeinsparverordnung?
Hachul: Sie stellen Bauherren und Planer auch bei Industrie- und Gewerbebauten vor neue Herausforderungen. So werden 2016 die energetischen Anforderungen im Bereich des Jahresprimärenergiebedarfs nochmals angehoben. PIR/PUR Metallsandwichelemente können dabei eine ihrer Stärken ausspielen: Sie verfügen über dampfdiffusionsdichte Deckschalen und kombinieren diese Eigenschaft mit einem Hartschaumelement, das eine dämmwerttechnisch exzellente Effizienz bietet. Doch nicht nur im Neubaubereich, sondern auch in dem leider oftmals vernachlässigten und zur Erreichung der Klimaschutzziele doch sehr bedeutsamen Bereich der Bestandssanierung spielen diese Dämmstoffsysteme ihre Stärke aus. Gerade für die Ertüchtigung von bestehenden Gebäuden, etwa durch die sogenannte „Aufdopplung“ von Fassaden, bieten die extrem leichten und gleichzeitig sehr schlanken PIR/PUR-Systeme greifbare Vorteile. Oftmals entscheiden aufgrund der Einschränkungen einer bereits vorhandenen Gebäudegeometrie Zentimeter über die Umsetzung und damit auch die energetische und wirtschaftliche Effizienz einer Sanierungsmaßnahme. Hinzu kommt, dass diese Art der Dämmstoffelemente schwer entflammbar ist und dazu eine hohe Druckstabilität aufweist.
Logisitkhalle und Büro in Lübeck: Die Wandaufbauten bestehen aus horizontal verlegten PIR/PUR Stahlsandwichelementen, in die solarthermische Leitungen integriert wurden (Foto: Prof. Hachul)
Können Metallfassaden auch einen aktiven Beitrag für die Energie- und Umweltbilanz eines Gebäudes leisten?
Hachul: Definitiv ja. Moderne Gebäudehüllen bei Industrie- und Gewerbebauten können viel mehr als nur gut aussehen. Wir haben in einem Gemeinschaftsprojekt mit der RWTH Aachen, dem Karlsruhe Institute of Technology und der HTW Berlin erforscht, wie eine solarthermische Nutzung der Fassade aussehen könnte. Dazu haben wir Rohrleitungen in die Fassadenelemente einer Metallsandwichkonstruktion integriert bzw. eingeschäumt. Ein Ergebnis dieses Projektes war, dass wir belegen konnten, dass an Südfassaden selbst im Winter beträchtliche Strahlungserträge anfallen. Je nach Farbe der Fassade lag der Temperaturunterschied zur Außentemperatur bei bis zu 45 Kelvin. Sowohl die industrielle Fertigung solcher aktiven Elemente ist problemlos möglich als auch die Nutzung der Sonnenenergie für die Warmwasserbereitung, Prozesswärme oder die Kühlung im Sommer. An einer Logistikhalle in Lübeck wird ein ähnlicher Aufbau derzeit bereits in der Praxis getestet. Im Prinzip könnten damit eigentlich schon heute Gebäudehüllen aus diesen Fassadenelementen einen wichtigen Beitrag zur CO2-Einsparung und damit zur Erreichung der Klimaschutzziele leisten.
Für bandbeschichtete Feinbleche noch eine Vision: Energieerzeugung über den Decklack (Foto: Prof. Hachul)
Lässt sich mit der gemessenen Sonnenenergie auch Strom erzeugen?
Hachul: Dafür gibt es an Fassaden ja schon viele Beispiele in der Baupraxis. Neu ist hier unsere Idee der Nutzung fotoaktiver Lacke. So könnten entsprechend beschichtete PIR/PUR Metallsandwichelemente ganz ohne Solarzellen auskommen. Ein Nachteil ist dabei im Moment noch die begrenzte Lebensdauer dieser Lacke, die derzeit in der Erprobungsphase sind. Wenn sie die Serienreife erreichen, sind insbesondere Industrie- und Gewerbebauten mit ihren großen Flächen attraktiv für diese Anwendung.
Innovative Lacksysteme lassen sich über Bandbeschichtung u.a. auf PIR/PUR Stahlsandwichelementen auftragen (Foto: ThyssenKrupp Steel Europe AG)
Auch sogenannte fotokatalytisch aktive Beschichtungen könnten eine sinnvolle Ergänzung der Stahlsandwichelemente bieten. Durch sie wird das in der Luft enthaltene Stickoxid in Nitrat zerlegt. Oder einfacher gesagt: Die Fassade reinigt bei Sonneneinstrahlung die Umgebungsluft. Beide Lackvarianten könnten im industriellen Maßstab durch Bandbeschichtung auf die Sandwichelemente aufgebracht werden.
Das Gespräch mit Prof. Dr.-Ing. Helmut Hachul führte Rüdiger Utsch von der Covestro Deutschland AG, Leverkusen.
Weitere Informationen: Rüdiger Utsch, Tel. +49 214 6009-2152, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!