Kunstzentrum in Córdoba
(in: BAUKULTUR 2_2014, S. 26-27)
Das Zentrum für zeitgenössische Kunst in Córdoba will weniger ein Museum sein als vielmehr ein zeitgenössischer Bau mit einer engen Verbindung zu seinem Standort in der Gegenwart und einer weit entfernten Erinnerung. Das spanische Büro Nieto Sobejano Arquitectos hat ein Gebäude entworfen, das durch variable Raumkombinationen größtmögliche Flexibilität bietet.
Bilder und Texte werden auf der Wasseroberfläche reflektiert (Foto: Roland Halbe)
Erinnerung und Entdeckung
Architektur basiert immer auf verborgenen Bildern unserer Erinnerung, auf Ideen, die an einem bestimmten Punkt klar werden und unerwartet den Beginn einer Planung markieren. Vermutlich aus diesem Grund waren die Zeichen der örtlichen Kultur, die überall in Córdoba präsent sind, mehr als eine Marginalie für dieses Projekt. Im Gegensatz zur aufgenötigten Homogenität, die durch die globalisierte Zivilisation in beinahe jedem (baulichen) Kontext zu Tage tritt, überwindet das Zentrum für zeitgenössische Kunst die Klischees des Gewöhnlichen und entwickelt einen anderen Charakter.
Wandelbare Raumqualitäten
Die Skepsis der Architekten gegenüber der vermeintlichen Effizienz und Flexibilität der heute so oft entstehenden neutralen und universalen Container führte zum Entwurf eines Gebäudes, das eng verbunden ist mit einem Ort und einer Erinnerung. Jeder Raum ist individuell geplant und steht in unterschiedlichen Dimensionen für verschiedene Nutzungen mit wandelbaren räumlichen Qualitäten zur Verfügung.
Ornamentale Motive
Die Architekten Nieto Sobejano haben immer die Schlichtheit der geheimen geometrischen Gesetze bewundert, nach denen die Baumeister der Vergangenheit die vielfältigen, isotropen Räume der Moscheen, die facettierten Strukturen von Kuppeln, die ornamentalen Motive von Gitterkonstruktionen oder Pflasterbelägen umsetzen konnten, ebenso wie die Regeln und Rhythmen der Gedichte und Erzählungen der islamischen Tradition.
Wabenförmige Öffnungen bündeln und lenken das einfallende Tageslicht (Foto: Roland Halbe)
Basis Hexagon
Angelehnt an die orientalischen literarischen Strukturen, die endlos eine Geschichte mit der anderen verbinden, entstand das System gleichartiger geometrischer Module, basierend auf einem Hexagon, das Räume in drei unterschiedlichen Größen erlaubt: 60, 90 und 150 m². Die spielerische Kombination dieser drei Dimensionen ermöglicht größtmögliche Flexibilität für Ausstellungen mit unterschiedlichen räumlichen Qualitäten. Das Auditorium, die „black box“, ist konzipiert als ein Raum für Theater- und Filmvorführungen, Konferenzen und Ausstellungen. Das Museum ist kein zentralisiertes Gebäude, das Zentrum wandert von einem Raum zum nächsten, es ist quasi überall. Sequenzen unterschiedlicher Zonen verbinden sich zu einem öffentlichen Raum, einem Ort der Interaktion, in dem alle verschiedenen Funktionen des Gebäudes zueinander geführt werden.
Beton und Fiberglas
Die Materialien unterstreichen den Werkstattcharakter, der das gesamte Projekt prägt. Roher Sichtbeton im Inneren, Decken aus Beton und durchgehend betonierte Böden erzeugen eine räumliche Struktur, die individuell veränderbar ist. Ein Netzwerk elektrischer, digitaler, audiovisueller und lichttechnischer Infrastruktur durchzieht den Bau. Äußerlich unterstreicht ein einziges Material die Präsenz des Gebäudes: Vorgefertigte opake Paneele aus Beton und Fiberglas. Das industrielle Fertigungskonzept des Systems, seine Abdichtung gegen Wasser, seine Dämmeigenschaften und seine Leichtigkeit unterstützten die Präzision der Ausführung und waren Teil des kombinatorischen Gesamtkonzepts.
Natürliches Licht
Tagsüber fällt natürliches Licht durch die Durchbrüche an Wänden und Decken ins Innere, die den Komplex als dezentralisierten „Organismus“ erfahrbar machen. Die Komposition aus Licht und Schatten verändert sich permanent mit dem wechselnden Sonnenlicht.
Künstliches Licht
Die unregelmäßig angeordneten Waben der dreidimensionalen „Bienenstock“-Fassade aus Glasfaserbeton dienen als Reflexionsfläche für die Kunstlichtquellen. In der Kombination von neutralweißen Hochleistungs-LEDs (2,1W) und holografischen Optiken mit ovaler Lichtabstrahlung wird jede Wabe gleichförmig ausgeleuchet. Die speziell entwickelten Miniatur-Leuchten finden auf 15 cm Wandstärke Platz – ein Ergebnis, das mit konventioneller Lichttechnik nicht möglich gewesen wäre. Innovationen sind auch die präzise Positionierung der Lichtauslässe in den Fassadenmodulen und der gleichmäßige Helligkeitseindruck, der über die gesamte Wand entsteht.
Kommunikative Fassade
Die Fassade zum Fluss, eine echte „Maske“, ist als Projektionsfläche konzipiert, perforiert durch polygonale Öffnungen, die mit einfarbigen LED-Karten hinterlegt sind. Bilder und Texte werden durch computergesteuerte Videosignale erstellt und auf der Oberfläche des Flusses reflektiert, was Installationen einer gewaltigen Filmleinwand gleich erlaubt. Realisiert wurde die Medienfassade in Zusammenarbeit mit Jan und Tim Edler, realities:united, Berlin. Für das Kunstmuseum Córdoba wurde eine spezielle Software entwickelt, die jegliche visuellen Signale eines Computers in die Auflösung und Anordnung der Pixel umsetzt, die die Fassade benötigt. Die Software aktiviert auch den Aufbau der Zeitachsen, die die Darstellung strukturieren. Dahinter steht die Idee, dass jederzeit mehrere Personen in die visuelle Gestaltung involviert sein können.
Neue Ausdrucksformen
Das Gebäude will ein Versammlungsort sein gleich einem Marktplatz ohne räumliche Hierarchien, ein Zentrum für künstlerisches Schaffen, das den architektonischen Kunstraum mit dem Publikum verbindet, ein offenes Labor, in dem Architektur zu neuen Ausdrucksformen ermutigt. Die Architekten sind sicher, dass das Gebäude selbst, der Fluss, die Gegenwart und Vergangenheit Córdobas einen Dialog auslösen, Anerkennung oder auch Ablehnung. Aber all das seien Antworten, die jeglicher Suche nach künstlerischem Ausdruck zugrunde lägen.
Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: Sylvia Jung