Intelligentes Fassadensystem
(in: BAUKULTUR 4_2014, S. 22-23)
Architekturstudenten der Westsächsischen Hochschule Zwickau haben ein intelligentes Fassadensystem entwickelt. Die so genannte Chamäleonwand passt ihre Lichtdurchlässigkeit und Farbintensität den Umweltbedingungen an. Im Rahmen des Wettbewerbs competition campus ist die Arbeit mit dem 1. Preis ausgezeichnet worden.
Konzept
Die Haut des Chamäleons beruht auf einem adaptiven System, das dem Tier erlaubt, seine Farbe zu wechseln und damit auf verschiedenste Einflüsse zu reagieren, u. a. auch auf energetische. Dazu nutzt es dehnbare Farbzellen, die Chromatophoren. Helle Tönungen reflektieren bei großer Hitze die Wärmestrahlung, dunkle Töne nehmen Wärmeenergie auf. Vergleichbare Eigenschaften wären auch für eine Gebäudehülle sinnvoll. Die erweiterte Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und der Fakultät Architektur sollte zur Schaffung eines funktionstüchtigen Prototyps führen.
Prototyp der Chamäleon-Wand aus 30 Extender-Modulen und 500 künstlichen Farbzellen
Umsetzung
Die Umsetzung der Konzeptidee gelang, indem der Farbzellenaufbau der Chamäleonhaut in ein vereinfachtes Modell übertragen und dann in ein modulares bionisches System umgewandelt wurde. Künstliche Farbzellen aus elastischem Kunststoff imitieren dabei die dehnbaren Farbzellen aus der Haut des Reptils. Sie werden im Modell als Extender bezeichnet. Eine 50 x 50 cm große Modulbox aus glasfaserverstärktem Kunststoff bildet die transluzente Schutzschicht und gleichzeitig den Rahmen für die Extender.
Sensorische Qualität erlangt das System durch Dehnstoff-arbeitselemente, die im Modul verbaut werden, auf Temperaturveränderungen reagieren und als Auslöser für die Ausdehnung der Extender dienen.
Modularer Aufbau
Der Aufbau entspricht einem Baukasten. Kleinste Einheit sind einfarbige, miteinander kombinierbare Extender, aus denen komplexere Komponenten entstehen, die in Farbzusammenstellung und Ausdehnung variieren können. In einer Modulbox werden 3x3, 4x4 oder 5x5 Komponenten untergebracht. Diese Extender-Module lassen sich dann flexibel zu Wänden, Decken etc. addieren.
Zwei Funktionen
Die Module können sowohl die Lichtdurchlässigkeit als auch die Farbintensität je nach Stärke der Sonneneinstrahlung und Temperatur anpassen. Die Verschattung findet zeitlich und lokal dort statt, wo notwendig, und ist damit energetisch sinnvoll. So würde Räumen, die hinter einer Chamäleonwand liegen, nicht unnötig Licht verloren gehen. Über die gleichzeitige Veränderung der Farbigkeit kann mit dem Betrachter kommuniziert werden, was vielfältige gestalterische Möglichkeiten eröffnet.
Wird das Dehnstoffelement erwärmt, dehnt sich das Paraffin im Inneren aus und drückt einen kleinen Kolben aus dem Gehäuse
Technik
Das Dehnstoffarbeitselement, ein zylindrisches Gehäuse, das mit Wachs oder Öl (Paraffin) gefüllt ist, ist der sensorische Auslöser dieser Effekte. Bei Erwärmung dehnt sich der Stoff im Inneren aus und drückt einen kleinen Kolben aus dem Gehäuse. Diese Kraft wird genutzt, um die Extender (künstliche Farbzellen) im Modul auszudehnen. Bei Abkühlung wird der Kolben durch die Eigenspannung der Extender und mit Hilfe von Metallfedern zurück ins Gehäuse gedrückt. Dieses Prinzip kommt ohne elektrische Steuersysteme aus und läuft eigenständig in Reaktion auf die Umwelt ab.
Sören Burkhardt, Marcus Kirschke, Oliver Lenk