(in: BAUKULTUR 1_2015, S. 32-33)
Noch vor wenigen Jahren wurde eine ganze Reihe von Abweichungen an Sichtbetonflächen für „nicht nachbesserbar" erklärt. Heute gibt es dank der Anbieter einer völlig neuen Qualität von Betonkosmetik nur noch wenige Mängel an Sichtbetonflächen, denen nicht abgeholfen werden kann.
Kaminwand vor (links) und nach (rechts) der betonkosmetischen Behandlung
(Fotos: www.betonretusche.eu)
Veränderte Gestaltungsprämissen
Der Sichtbeton unterliegt national seit mehr als 30 Jahren dem gleichen Leittrend: „Deutscher" Sichtbeton – das sind möglichst makellose Flächen, die mit einer glatten, nicht saugenden Schalhaut hergestellt werden. Doch ändern sich aktuell die Gestaltungsprämissen. Die Architektur möchte zunehmend die mögliche Vielfalt der Flächenausprägungen nutzen. Sichtbeton ist Architektur, die bereits durch den stofflichen Ausdruck des Materials einzigartig und unnachahmlich ist. Unplanmäßige Abweichungen sind in der Regel unwillkommen.
Aktuelle Anbieter sehr hochwertiger Korrekturen an Sichtbetonflächen sind überwiegend gut ausgebildete Restauratoren oder Kirchenmaler. Neu für diese Berufssparte sind die Baustoffgrundlage und die Zielsetzung, wie z.B. die Reduzierung der bunten Farbpalette auf ein mehr oder weniger großes Bündel an Grautönen.
Die qualifizierte Flächenkosmetik erweitert zwar die Möglichkeiten der Nachbesserung von Sichtbetonflächen erheblich, kann aber zu einem kostenintensiven Gewerk werden, das auf möglichst geringe Teilflächen beschränkt bleiben sollte. Denn die Herstellung einer Fläche der Sichtbetonklasse SB 3 auf einer sehr abweichenden Ausgangsfläche ähnelt technisch eher der Freskenmalerei als einem „aufhübschenden" Nebengewerk.
Kellerabgang vor (links) und nach (rechts) der betonkosmetischen Behandlung
(Fotos: www.betonretusche.eu)
Reinigungsmethoden
Rost- oder andere Farbflecke an Untersichten, Rostfahnen oder die übliche diffuse Grundverschmutzung von Sichtbetonflächen am Ende des Innenausbaus werden durch eine so genannte Schleifreinigung weitestgehend, in manchen Fällen auch ganz behoben. Unter einer Schleifreinigung versteht man die manuelle oder maschinelle Bearbeitung einer Betonoberfläche mit Kunststoff-Schleifvliesen. Zur manuellen Bearbeitung werden handliche Vlies-Pads eingesetzt. Schleifvliese, egal ob für eine manuelle oder eine maschinelle Bearbeitung, gibt es in verschiedenen Härtegraden. Es ist für das Ergebnis außerordentlich wichtig, in Vorversuchen zu ermitteln, welcher Härtegrad für die vorliegenden Verhältnisse der günstigste ist. Dies richtet sich nach der Art der Bearbeitung, der Art der vorwiegenden Verschmutzung sowie nach der Oberflächenfestigkeit der Betonfläche. Wenn das Vlies zu weich ist, verliert es nach kurzer Zeit seine Schleifwirkung, und es werden nicht alle Verschmutzungen entfernt oder verbessert. Ist das Vlies hingegen zu hart, kann es zu sichtbaren Kratzern und Oberflächenabträgen kommen. Die Sichtbetonfläche wäre damit zerstört.
Das Verfahren eignet sich auch zur partiellen Reinigung von Flächen. Je deutlicher jedoch der Effekt der Reinigung ist, desto notwendiger wird es sein, zusammenhängende Bauwerksbereiche (Räume, Treppenhäuser, Flure) oder Bauteilkategorien (Wände, Decken) im Ganzen zu überarbeiten. Das Verfahren ist recht unaufwändig und, zumindest bei maschineller Bearbeitung, nahezu staubfrei.
Zur maschinellen Bearbeitung eignen sich so genannte Trockenbauschleifer („Schleifgiraffen"), eine Kombination aus rotierendem Tellerschleifer und Industriestaubsauger.
Treppenuntersicht vor (links) und nach (rechts) der betonkosmetischen Behandlung
(Foto: www.betonretusche.eu)
Nachbildungen
Alle Abweichungen, die nicht durch Schleifreinigung verbessert werden können, verlangen in der Regel die Bearbeitung durch einen qualifizierten Fachbetrieb. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn an den abweichenden Stellen eine klar definierte Flächenqualität herzustellen ist, wie z. B. bei farblichen Abweichungen, bei der Nachbesserung ausgelaufener Schalhautstöße sowie der Reparatur von Abplatzungen und Flächenversätzen aller Art.
Im Allgemeinen ist die gewünschte Flächenqualität in benachbarten Teilbereichen des Bauteils vorhanden. Es kann also fast immer eine Teilfläche bestimmt werden, die den Vorstellungen des Bauherrn entspricht, damit zur Zielvorlage wird und gleichzeitig das abweichende Aussehen der nachzubessernden Teilfläche belegt. Die Nachbesserung ist also eine „Nachbildung". Sie soll keine Kopie des bestimmten Bereichs sein, sondern soll der Natur nach und in unauffälliger Weise „so aussehen".
Zum „Aussehen" gehören:
- Oberflächentextur
- Farbigkeit
- Optische Effekte wie Glanz, Aussehen bei wechselnder Oberflächenfeuchtigkeit etc.
- Variation von Textur und Farbe in der Fläche
Das erfordert eine künstlerisch geschulte oder erfahrene Hand, ein sehr gutes Farb- und Texturgefühl sowie genaue Kenntnisse in der Anwendung, der Tauglichkeit und der Dauerhaftigkeit der eingesetzten Materialien.
Die Arbeiten beginnen im Allgemeinen mit der (Schleif-)Reinigung. Bei flächigen Verfärbungen, die nicht durch Schleifen gebessert werden konnten, wie z. B. „Dunkelfleckigkeit" durch kalt-feuchte Witterung, entfällt ein Materialabtrag mit nachfolgendem Wiederaufbau. Die Fläche wird leicht angeraut und farbig lasiert. Zur Anpassung an benachbarte „gute" Teilflächen werden mehrere Lasurlagen mit leicht variierender Färbung neben- und übereinander aufgebracht. Bereiche mit abweichender Porigkeit werden durch Schließen auffälliger oder durch Aufmalen fehlender Poren egalisiert.
Muss Material ergänzt werden, erfolgen Spachtelaufträge: bei mechanischen Beschädigungen von Flächen oder Kanten, bei Kiesnestern oder Wasserläufern und ähnlichen Abweichungen. Auch wenn wegen eines Flächenversatzes zwischen zwei Schalungsabschnitten überstehender Beton abgetragen werden muss, ist ein Wiederaufbau erforderlich. Die oberflächennahen Schichten dieser Reprofilierung werden mit einem farblich angepassten Feinspachtel hergestellt, Oberflächenebenheit und -glätte durch Feinschliff. Die farbliche Anpassung erfolgt durch eine retuschierende, getönte Lasur.
Die Lasurtechnik als farblicher und textureller Oberflächenabschluss ist für fast alle kosmetischen Arbeiten obligatorisch. Da an Außenflächen lasierte Bereiche bei wechselnder Feuchtigkeit sehr anders aussehen können als unlasierte Abschnitte, folgt eine generalisierte Flächenlasur.
Aufwändigere und in jedem Fall als Einzelfall zu behandelnde Abweichungen sind solche an stark texturierten oder gar tief strukturierten Flächenausprägungen (Brettschalung, OSB-Platten, Schalungsmatrizen) oder an bearbeiteten Oberflächen (Waschbeton, gestrahlte, gesäuerte oder steinmetzmäßig bearbeitete Flächen). Hier ist die Texturnachbildung meist der schwierigste Teil, der stuckateurmäßiges Arbeiten oder das Abformen von Schalungstexturen erfordert.
Trendanalyse
Die qualifizierte Betonkosmetik mit ihren beeindruckenden Möglichkeiten der Nachbesserung gibt es in Deutschland seit etwa 10 Jahren als eine Nischentechnologie, die sich in den letzten 5 Jahren im Zuge der zunehmenden Sichtbetonanwendung zu breiter Marktpräsenz entwickelt hat. Viele Architekten sehen sie heute als eine fast obligatorische qualitätsergänzende Fertigstellungsmaßnahme, die bereits im Leistungsverzeichnis mit einem Mindestaufwand verankert wird. Aktuell erwägt der Deutsche Beton- und Bautechnikverein (DBV) als gemeinschaftliche Maßnahme zur Formulierung eines technischen Mindeststandards die Erarbeitung und Herausgabe eines DBV-Merkblatts zu Verfahren und Materialen einer qualifizierten Sichtbetonkosmetik.