Prof. Christian Baumgart, DAI Präsident
(in: BAUKULTUR 1_2016, S. 3)
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Leser und Freunde der Baukultur,
ein Jahreswechsel steht bevor und wie immer ist dies Anlass, zurück zu blicken auf das, was im zu Ende gehenden Jahr passiert ist, zugleich aber auch nach vorne zu schauen, was uns 2016 möglicherweise bringt. Innenpolitisch wurde das zurück liegende Jahr geprägt von den vielen Menschen, die auf der Flucht vor Krieg und Vernichtung aus dem Nahen und Mittleren Osten nach Europa gekommen sind. Damit ist zugleich auch die Außenpolitik skizziert, die die Ursachen für Flucht und Vertreibung vor Ort zu beseitigen versucht. Zusammenhänge, die uns sicherlich noch weit länger als ein Jahr begleiten werden. Im Kern geht es – und damit sind wir bei der näheren Außenpolitik – um Europa. Wie weit trägt diese Wertegemeinschaft, die mit dem Ziel angetreten ist, die Völker Europas zu einen, nun aber bedauerlicherweise zum Ende eines Jahres um Flüchtlingskontingente streitet? Die griechische Finanzkrise liegt gefühlt schon weit zurück. Aber auch hier wissen wir, dass die Probleme im europäischen Währungsraum keineswegs zum Jahresende 2015 gelöst sind.
Viele stellen sich die Frage: „Was kann ich ganz konkret tun?“ Unser Beitrag als Verbandsorganisation ist eine WillkommensBaukultur, die zunächst und in erster Linie den aus Not zu uns kommenden Menschen zugutekommt. Sie muss darüber hinaus aber auch denjenigen eine Willkommensbotschaft zurück in unsere Gesellschaft bieten, die sich – aus welchen Gründen auch immer – derzeit in ihr nicht wiederfinden und zunehmend an den Rand gedrängt werden. Wissenschaftlich untermauerte Schätzungen belegen, dass in den nächsten 5 bis 6 Jahren in Deutschland schon allein strukturell rund 400.000 Wohnungen pro Jahr fehlen werden. Hinzu kommt nun eine große Zahl von Schutzsuchenden, die ebenfalls ein Anrecht auf menschenwürdigen Wohnraum haben und nicht Zuwanderer in Zelten oder Containern sein und bleiben dürfen. Hier ist es unsere Pflicht, den Integrationsaspekt von Anfang an mitzudenken. Dies setzt beim Planen und Bauen grundsätzliches Umdenken und klare Prioritätensetzungen voraus: Bestandsbauten unterschiedlichster Art nutzen und aufwerten, innerstädtisch angemessen verdichten, Aufstockungsmöglichkeiten wo immer möglich mit innovativen Leichtbauweisen nutzen und schließlich auch Neubau in den Peripherien. Ich bin mir sicher, dass die Planenden und Bauschaffenden im Land dies in konzertierter Aktion schaffen können – wenn nicht wir, wer dann?
Die bewährte Zusammenarbeit des DAI mit der Bundesstiftung Baukultur hat sich weiter vertieft, es gibt einen regen Austausch mit dem Vorstandsvorsitzenden sowie den Gremien der Stiftung. Die Kolumne in dieser Zeitschrift erfreut sich großer Beliebtheit und bleibt fester Bestandteil. Es freut uns sehr, dass die Stiftung für 2016 erneut einen Aufwuchs sowohl personell als auch finanziell hat durchsetzen können. Nach dem erstmalig durch den Bundestag verabschiedeten Entschließungsantrag angesichts des Baukulturberichts 2014/15 arbeiten die Stiftung und ihre Gremien, unterstützt durch die Verbände am Bericht 2016/17, der sich mit dem Planen und Bauen außerhalb der städtischen Ballungszentren befasst. Baukultur ist eben nicht nur „Leuchtturm“, sondern findet täglich und überall statt – oder eben auch nicht.
Kein Jahresbeginn, ohne auf den DAI Tag im vor uns liegenden Verbandsjahr hinzuweisen. Nachdem wir im September im sehr ansprechenden Ambiente des Herrenhäuser Schlosses die Gastfreundschaft des AIV Hannover genießen durften und den DAI Literaturpreis 2015 an Gerhard Steidl verleihen konnten, werden wir vom 22.–25.9.2016 Gast in der ältesten Stadt Sachsen-Anhalts sein. Aschersleben hat mit dem Wiederaufbau bzw. der Konversion der einstmals größten Papierfabrik Europas, dem heutigen Bestehorn-Park, ein innerstädtisches Projekt mit Beispielcharakter geschaffen. Unter anderem beherbergt es die Grafik-Stiftung von Neo Rauch, dessen Werke dort bestaunt werden können. Der DAI freut sich bereits heute auf die Gastgeberstadt und auf Sie als Mitglieder und Gäste bei der Verleihung des Großen DAI Preises für Baukultur.
Auch 2016 erwartet uns wieder ein spannendes und für die Berufsstände für Ingenieure und Architekten hoffentlich auch ein erfolgreiches Jahr. Persönlich wünsche ich Ihnen dafür in erster Linie Gesundheit und Wohlergehen, aber natürlich auch Erfolg bei allen Ihren Unternehmungen. Bleiben Sie dem DAI und der BAUKULTUR gewogen und helfen Sie weiterhin tatkräftig mit, die Interessen unserer planenden und bauenden Berufe zu vertreten. Baukultur braucht Zukunft – und uns alle.
Herzlich Ihr
Prof. Dipl.-Ing. Christian Baumgart
DAI Präsident