BAUKULTUR 6_2016: Editorial

Henrik Falk, Vorstandsvorsitzender der Hamburger Hochbahn AG
(in: BAUKULTUR 6_2016, S. 3)

Liebe Leserinnen und Leser,
verehrte Freunde der Baukultur,

nichts ist derzeit so sehr in aller Munde wie Megatrends. Digitalisierung, Demografischer Wandel oder Energie und Klima sind Schlagworte, die fast täglich in den Medien zu finden sind. Aber was sind eigentlich Megatrends und welchen Zusammenhang gibt es zwischen Megatrends und Baukultur?

Megatrends sind in ihren Anfängen auf den amerikanischen Zukunftsforscher John Naisbitt zurückzuführen, der 1982 in seinem Buch „Megatrends“ langfristige globale Trends beschrieb. Heute besteht Einigkeit darüber, dass ein Megatrend eine Lebensdauer von bis zu 20 Jahren hat, zu tiefgreifenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Veränderungen führt, sich zunächst langsam entfaltet und dann an Dynamik gewinnt. Soweit die Theorie.

Aber wie sieht die Praxis aus? Was bedeuten die Megatrends für Länder, Städte oder auch Unternehmen? Verdeutlichen möchte ich dies einmal aus der Sicht eines kommunalen Verkehrsunternehmens. Die HOCHBAHN betreibt in Hamburg ein über 100 Jahre altes U-Bahn-System, mit dem täglich rund 600.000 Fahrgäste befördert werden. Nicht alle Fahrgäste sind jung, dynamisch und entsprechend mobil unterwegs. Der demografische Wandel zeigt sich, und die Versäumnisse der Vergangenheit werden sichtbar. Im Jahr 2011 waren lediglich 37 Haltestellen im bestehenden U-Bahn-Netz barrierefrei ausgebaut. Die anderen 52 Haltestellen hatten weder einen Aufzug, ein Leitsystem oder einen niveaugleichen Einstieg in die Bahn. Wenn man ein Handicap hatte, war man auf die tatkräftige Unterstützung anderer Fahrgäste angewiesen. Nun hilft der Hamburger gerne, aber dieser Zustand war vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der damit einhergehenden alternden Gesellschaft nicht mehr tragbar. Ganz zu schweigen, dass auch Fahrgäste mit Kinderwagen oder größeren Gepäckstücken tagtäglich unsere Fahrgäste und auf Barrierefreiheit angewiesen sind. Der Hamburger Senat hat daher in einem Beschleunigungsprogramm den barrierefreien Ausbau aller U-Bahn-Haltestellen in Hamburg festgelegt. Bis Anfang des kommenden Jahrzehnts soll dieses Programm abgeschlossen sein.

Nun ist der barrierefreie Ausbau kein einfaches Unterfangen. Bauen im Bestand, Bauen unter Betrieb, enge Zeitpläne oder auch Budgetvorgaben sind hier als Stichworte zu nennen. Unsere Architekten und Ingenieure können ein Lied davon singen. Aber man stellt sich den Aufgaben. Auch vor dem Hintergrund, den baukulturellen Hintergrund zu würdigen. Viele Haltestellen stehen unter Denkmalschutz, sind wichtige Zeitzeugen der Geschichte. Dieses Gut gilt es zu bewahren und nicht durch unangemessene Gestaltung zu zerstören. Denn die behutsame Integration in das Stadtbild und der barrierefreie Ausbau einer U-Bahn-Haltestelle müssen sich nicht ausschließen. Mittlerweile sind die ersten 20 Haltestellen aus diesem Programm barrierefrei ausgebaut. Sehr gelungen, wie nicht nur ich finde. Und die nächsten 10 Haltestellen sind aktuell im Umbau. Insofern kann man durchaus davon sprechen, dass ein Megatrend und vorhandene Baukultur zusammen finden können.

Ich wünsche mir, dass Sie alle sehr alt werden, auch im hohen Alter noch gerne nach Hamburg kommen und dort mit unseren Verkehrsmitteln so mobil unterwegs sind wie in jungen Jahren. Dann hat sich unsere Anstrengung gelohnt, und dieser Megatrend war ein Segen. Nicht nur für Hamburg, sondern insbesondere für unsere Kunden. Heute und auch noch morgen.

Auf ein Wiedersehen in Hamburg,

Ihr
Henrik Falk
Vorstandsvorsitzender der Hamburger Hochbahn AG

Genderhinweis
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir in unseren Inhalten bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern überwiegend die männliche Form. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.

Informiert bleiben, Partner finden, Baukultur erleben!

Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine e.V. Mitgliederzeitschrift Mitglied werden