BAUKULTUR 2_2018: Editorial

Jens Krause, DAI Ehrenpräsident
(in: BAUKULTUR 2_2018, S. 3)

die Botschaft hör‘ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Schaffen die das alles, was da im Koalitionsvertragsentwurf niedergeschrieben ist? Aus Sicht des DAI ist da durchaus Positives nachzulesen, das Bekenntnis zur HOAI, die kritische Überprüfung des Regelwerks, die diversen finanziellen Ansätze direkter und indirekter Investitionshilfen und vieles andere mehr. Vielleicht auch zu viel. Aber es folgt dem Schema „Gibst Du mir, gebe ich Dir“. Jeder will sich wiederfinden. Das Wahlvolk in seiner differenzierten, aber auch diffusen und widersprüchlichen Anspruchshaltung und jetzt auch noch das Parteivolk müssen überzeugt werden.

Konzentrieren wir uns auf die drei wichtigen Themen Raumordnung, Wohnen und Regelwerk. Alles drei komplexe Aufgaben, die bei jedem Vorschlag, jedem Lösungsansatz und dann auch bei jeder Entscheidung deutlich machen, dass alle Vorteile zugleich klar erkennbare Nachteile mit sich bringen. Wenn wir in den Ballungsgebieten die Folgen der erhöhten Nachfrage durch Mietbegrenzung oder verstärkten Wohnungsbau mindern wollen, stärken wir die Nachfrage. Berlin hat fast 40 m² Wohnfläche pro Einwohner, relativ geringe Mieten, aber einen leergefegten Wohnungsmarkt. Eine Anpassung an erhöhten oder verminderten Bedarf kann da nicht stattfinden. Der Ausgleich von Angebot und Nachfrage wird durch gut gemeinte, aber nicht durchdachte Mietgesetzgebung verhindert.

Ein weites Feld ist das Streben nach gleichwertigen Lebensbedingungen im Ballungsgebiet und im ländlichen Raum. Geht das eigentlich? Wer bewertet die Lebensbedingungen? Doch wohl jeder für sich. Für den einen ist der Opernbesuch wichtiger als der Spaziergang durch die freie Feldflur, beides kann man nicht vor der Tür haben. Frag‘ nach bei Tucholsky. Der Nahverkehr im ländlichen Raum kann nicht so gut sein wie in Ballungsgebieten, der Weg zum Krankenhaus ist nicht gleichwertig zu machen. Selbst der seit Jahren geforderte gleichwertige Internetzugang ist offensichtlich nicht zu realisieren, obwohl hier weder technische Probleme noch Bürgerinitiativen oder überzogene Regelanforderungen entgegenstehen.

Der Soziale Wohnungsbau soll mit 2 Mrd. Euro gefördert werden (in den Jahren 2020 und 2021). Gut, aber wieder mit einer sozialen Bindung für einen begrenzten Zeitraum? Wohnungspolitiker beklagen den massiven Rückgang der Sozialwohnungen im Bestand, da die Wohnungen früherer Jahrgänge aus der Bindung fallen, aber es wird munter weiter mit befristeter Bindung neu gebaut. Dabei gibt es durchaus einen Sinn, ältere Wohnungen mit einem nicht mehr ganz aktuellen Standard kostengünstig für soziale Aufgaben verfügbar zu halten.

Zur Wohnungsmodernisierung ist viel aufgeschrieben. Die marktfremde Mieterhöhungsmechanik ist zwar erkannt, der Mut zur ordnungspolitischen Korrektur fehlt. Dem offensichtlichen Missbrauch will die Regierung mit der Einstufung als Ordnungswidrigkeit begegnen. Dabei liegt der Fehler in der Umlage der Kosten – ein meines Erachtens wohnungsmarktwirtschaftlich unsinniger Ansatz, der erkanntermaßen zunehmend selbst bei energetisch sinnvollen Maßnahmen zu völlig überhöhten Mieten führt.

Es bleibt die Erkenntnis, dass Papier geduldig ist und dass es im Ergebnis darauf ankommt, ob und wie man das Niedergeschriebene umsetzt. Es kommt auf die Personen an, die das Beabsichtigte umsetzen. Der Einfluss darauf ist gering, die parteipolitischen Abwägungen dazu sind nicht durchschaubar. Was wir vom Bau aber können, ist, in eigener Verantwortung gegenüber den sich auf uns verlassenden Mitbürgern etwas kulturell Wertvolles, ökologisch Vertretbares und wirtschaftlich Tragfähiges zügig zu realisieren. Deshalb lasse ich jetzt den Koalitionsvertragsentwurf liegen und greife zum Telefon um sicherzustellen, dass auf der Baustelle alles rund läuft – auch ein frommer Wunsch, aber da bin ich handlungsfähig und verantwortlich.

Herzlichst Ihr
Jens Krause
DAI Ehrenpräsident

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