Gewächshaus in Berlin
(in: BAUKULTUR 2_2018, S. 20-21)
Auf dem Gelände der Gärten der Welt in Berlin befindet sich in einem in den 1990er Jahren errichteten Gewächshaus der Balinesische Garten. Die Anlage hatte in vielerlei Hinsicht seine Kapazitätsgrenzen erreicht, und auch die technische Ausrüstung entsprach nicht mehr dem aktuellen Stand. Für die Erneuerung und die deutlich optimierte Energieversorgung zeichnen Haas Architekten als Generalplaner verantwortlich.
Im Rahmen der IGA Berlin 2017 entstand zur Aufnahme des Balinesischen Gartens eine neue Tropenhalle
Ausgangssituation
In den letzten Jahrzehnten hatte das Tropenhaus nur notwendigste Instandhaltung und Havariebeseitigung erfahren. Der Zustand war aus ökonomischer Sicht ineffizient und dem Auftrag der glaubhaften Vermittlung ökologischen Wissens entgegengerichtet. Auch stellte die veraltete Gebäudetechnik ein sehr großes Ausfallrisiko mit entsprechender Gefahr für die wertvolle Pflanzenartensammlung dar. Der Betrieb des Hochgewächshauses als Balinesischer Garten, dessen besondere Pflanzenarten mit 28°C den größten Wärmebedarf in der gesamten Parkanlage haben, bedingte einen enormen Energieverbrauch. So war ein wesentliches Ziel der Sanierungsmaßnahme, den Energiebedarf um 60–80 % zu senken.
In Anlehnung an die Typologie des Venlo-Gewächshauses erhielt die neue Tropenhalle eine kleinteilige Dachform in optimierter Systembauweise
Erneuerung und Rückbau
Resultate der im Februar 2017 abgeschlossenen Erneuerung waren mehr Entfaltungsraum für die Tropenpflanzen, deutlich gesenkte Energiekosten bei konstanter Raumtemperatur und Luftfeuchte, größere Kapazität und die Möglichkeit, durch die erneuerte Gebäudehülle Einblicke in das Innere zu erhalten. Um die neue Architektur mit der vorhandenen Balinesischen Atmosphäre nicht in Konkurrenz zu setzen, nehmen sich die Primärkonstruktion und die Hülle zurück, sodass der Garten selbst im Vordergrund steht. Das Bestandsgebäude wurde erst nach Aufstellung der neuen Hülle nach und nach zurückgebaut.
Organisatorischer Aufbau
Die Tropenhalle hat eine mittlere Höhe von 15 m und misst ca. 40x50 m mit mittig angeordneter Stützenreihe. Die Nutzfläche umfasst zzgl. Nebenflächen ca. 1.130 m2. Optisch teilt sie sich in zwei klimatisch unabhängige Bereiche: ein Warmhaus – das Balinesische Gewächshaus mit Balinesischem Garten und Dorf bei konstanter Raumtemperatur von 28°C – sowie ein Kalthaus mit einer konstanten Raumtemperatur von 8°C. Zusätzlich gibt es den Infobereich mit 20°C und den Bereich der Baumpflege mit einer konstanten Raumtemperatur von 10°C. Die Tropenhalle ist nach Süd-Osten orientiert, während sich der Kalthausbereich nach Nord-Westen darum herum legt. Der Eingang befindet sich im Westen.
Die Bepflanzung der Tropenhalle weist die Anmutung eines tropischen Regenwaldes auf gepaart mit typischen Balinesischen Kulturlandschaften
Verglasung und Fassadenheizung
Als Konstruktion wurde in Anlehnung an den Venlo-Gewächshaustyp eine kleinteilige Dachform in modifizierter und optimierter Systembauweise gewählt. Das Gebäude ist komplett verglast: im sog. Stehwandbereich mit einer Weißglasisolierverglasung mit einem guten U-Wert und über Kopf ebenfalls mit einem Isolierweißglas, allerdings aus Verbundsicherheitsglas mit einer hochtransparenten Trosifolfolie.
Angesichts der komplexen Funktionsanforderungen des Gebäudes ist der erzielte Lichttransmissionsgrad mit der neuen Verglasung bei 84 % sehr hoch. Es kam dabei eine Innovation der Architekten zum Einsatz, die bereits 2009 im Botanischen Garten Berlin ihren ersten Praxistest im großen Maßstab bestanden hatte. Durch sämtliche tragenden Stahlprofile der gläsernen Hülle fließt 40°C warmes Wasser. Diese Fassadenheizung hält die Glasinnenseite auch bei niedrigen Außentemperaturen kondenswasserfrei. Bei den Profilen handelt es sich um die Primärkonstruktion. Sie wurden bereits endbeschichtet angeliefert. Obwohl das warme Wasser ohne weitere Abdichtung direkt durch die Profile fließt, trat bei der Probebefüllung nur bei einem der über eine Länge von insgesamt 1.000 m verbauten Stahlelemente eine Undichtigkeit auf, die mühelos behoben werden konnte.
Gebäudetechnik
Die Gewächshäuser und der Informationsbereich werden natürlich über motorische Fensterklappen belüftet. Die innenliegenden Räume erhielten eine Abluftanlage. Die Nachströmung erfolgt über die angrenzenden Räume. Ein Gewächshauscomputer regelt die natürliche Lüftung, die Befeuchtung, die Beleuchtung und die Temperatur. Im Haus sind auf verschiedenen Raumhöhen Messpunkte verteilt.
Bauliche Gestaltung
Die Balinesische Wohnanlage blieb mit ihrer Bepflanzung und ihren Wegen bestehen und befindet sich nun im Zentrum der Tropenhalle. Sie weist die Anmutung eines tropischen Regenwaldes auf gepaart mit typischen Balinesischen Kulturlandschaften. Das Blattwerk der verwendeten Pflanzen ist durch extreme Grüntöne geprägt. Den Höhepunkt der Bepflanzung bildet die Nachahmung eines Stücks Tropischen Feuchtwaldes.
Das wohltuende Gefühl der Fremdheit wird durch die vielfältigen Geräusche des Wassers und des tropischen Regenwaldes erzeugt. Die baulichen Anlagen sollen von der neuen Bepflanzung erobert werden. Der Rundweg besteht aus Prägebeton, der mit Farbpigmenten eine erdige Tönung erhielt und durch die Bearbeitung mit Matrizen eine lehmhafte Anmutung.