Nachhaltige Weiterentwicklung

Umbau und Erweiterung einer ehemaligen Alpwirtschaft
(in: BAUKULTUR 6_2018, S. 26-27)

Beim Projekt Sagerberg in Erstfeld handelt es sich um den Umbau eines Wohnhauses einer ehemaligen Alpwirtschaft aus dem Jahr 1753 durch Oliver Christen Architekten. Strukturelle bauliche Veränderungen wurden entfernt, das Haus gegen Westen erweitert und die fast 300-jährigen Baugeschichte wieder ablesbar gemacht.

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Das 1752/53 errichtete Wohnhaus auf dem Sagerberg mit der seitlichen Erweiterung

Ausgangslage
Das Wohn- und Ferienhaus wird je zur Hälfte von zwei Familien genutzt. Es befand sich infrastrukturell in einem sehr einfachen, bescheidenen Zustand, war weder an die Kanalisation angeschlossen noch gab es fließendes Wasser. Ein gemeinsames WC oder die Treppe ins Obergeschoss waren nur jeweils über eine fremde Nutzereinheit erschlossen. Im Weiteren verfügte nur ein Ofen über einen Kamin, der andere Ofen war direkt in die Räucherkammer entraucht. Aufgrund dieser Gegebenheiten war eine zeitgemäße Nutzung nicht mehr möglich.

Geschichte
Dendrochronologische Untersuchungen und baugeschichtliche Forschungen am Bau ergaben ein Erstellungsjahr von 1752/53. Trotz der baulich äußerst spannenden Substanz stand das Haus zu keinem Zeitpunkt unter Denkmalschutz. Der Sagerberg, wie wir ihn heute vorfinden, deutet bereits auf die ehemalige Entwicklung hin. So gibt es ein Hauptgebäude mit einem zum Teil noch handbehauenen Strickbau mit einer über der Küche liegenden Räucherkammer und zwei Schlafräumen. Später wurde das Gebäude durch einen handgesägten Strickbau mit Stube und Küche nach Süden erweitert. Die Räucherkammern und Küchen waren stark verrußt und zeigten den Strickbau und die Feuerwand aus Bruchsteinen. Im Gebäudeinneren zeichneten sich die Stuben durch eine Wandvertäfelung aus.

Tradition
Das äußere Erscheinungsbild des Strickbaus blieb weitgehend erhalten. Wenige Fenster wurden ergänzt, respektive ersetzt. Der Charakter mit tiefen Decken, einer Brandmauer, niedrigen Türstürzen und Schwellen waren zentrale Elemente, die in den Entwurf integriert und weiterentwickelt wurden. Die Außenwände des Strickbaus erhielten eine Innendämmung und eine Verkleidung, die sich durch Fugen an Decken und Böden von der Tragstruktur absetzt. Die Innenwände wurden freigelegt, von Hand mit Wasser und Bürste gereinigt, zeigen sich aber weiterhin durch den Rauch schwarz gezeichnet. So blieben die Spuren und die Geschichte des Hauses erhalten. Alt und Neu stehen sich im Kontrast, aber zugleich respektvoll gegenüber. Dadurch erhalten die Bauteile die notwendige Präsenz und verschmelzen zu einem ausdrucksstarken Ganzen von hoher räumlicher Qualität, das den subtilen und lustvollen Umgang mit der historischen Bausubstanz aufzeigt.

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Im Zuge des Umbaus und der Sanierung wurde das Wohngebäude 2015–2017 rückwärtig um einen Anbau ergänzt

Anbau im Westen
Der neue Anbau auf der Westseite erfolgte über die gesamte Gebäudebreite und ermöglichte es, die verwitterte und sanierungsbedürftige ehemalige Westfassade neu als Innenwand zu erhalten. Zusammengefasst werden Alt und Neu mit einem gemeinsamen Dach. Die Fassaden des Anbaus zeigen stehende sägerohe Lärchenholzbretter mit feinen, schwertartigen Deckleisten auf jeder zweiten Fuge. Verziert werden die unterschiedlich breiten Bretter durch tellerförmige Ornamente mit Kerben, die von Hand am Bau gefertigt wurden und sich wie ein Hauch auf den Brettern abzeichnen. Sie sind eine subtile Interpretation der traditionellen Verzierungen der historischen Urnerhäuser und sollen sinnbildlich den Wert des Handwerks in die heutige Zeit transportieren.  

Ursprung und Erhalt
Innen wurde das Gebäude an der richtigen Stelle getrennt und somit in seinem Ursprung wieder ablesbar. Der Anbau beherbergt die wohnungsinternen Erschließungen, die sich entlang der ehemaligen Westfassade entwickeln. Somit wird der Schnittstelle eine bedeutungsvolle Rolle beigemessen, und man durchschreitet den Neubau als auch den Altbau an gleicher Stelle.

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Die ehemalige westliche Außenfassade blieb als Innenwand erhalten und bildet heute den Übergang vom Bestandsbau zum neu errichteten Anbau

Ersatz
Die bestehenden Geschossdecken wurden durch Massivholzdecken ersetzt, um eine zeitgemäße Trennung zwischen den Wohneinheiten zu ermöglichen und – leicht angehoben – den niedrigen Räumen mehr Komfort zu bieten. Die Türen, Raumhöhen und Durchgangsmaße bei den Treppen und Wandöffnungen bleiben weiterhin niedrig, was jedoch als charakterbildendes Merkmal des Hauses verstanden und akzeptiert wird. Das Gebäude wurde komplett Holz in Holz umgebaut. Dies zeigt sich sowohl bei der Wahl der Dämmung (Holzwolle), der Unterkonstruktionen als auch bei der Behandlung der Oberflächen.

Haustechnik
Um die Überfrachtung mit fremden Heizungsanlagen zu vermeiden, wurde für die zukünftige Nutzung der bestehende Giltsteinofen (Stückholzofen ähnlich einem Specksteinofen mit nur einem Feuerraum) in der einen Wohnung mit einem Wärmetauscher ergänzt sowie in der anderen ein Kombi-Kochherd mit Wärmetauscher eingebaut. Somit können die bestehenden Komponenten weiterhin zur Beheizung des Gebäudes eingesetzt werden, indem die Heizenergie zu zwei separaten Speichern führt, die gleichzeitig zur Warmwasseraufbereitung dienen. Neu ist in beiden Wohnungen eine Bodenheizung.

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