Reduce, Reuse, Recycle

Umbau einer Druckerei zu einem Wohnhaus
(in: BAUKULTUR 6_2018, S. 30-31)

SEHW Architekten haben in Berlin-Zehlendorf einer ehemaligen Druckerei aus den 1970er Jahren eine neue Haut und ein neues Leben verpasst. Sie stand seit Jahren leer und hatte schon einige "Häutungen" hinter sich, bevor sie sich nun noch einmal gehäutet hat, noch einmal "reused" wurde. Seitdem wird sie zu Wohnzwecken genutzt.

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Die freie Komposition von offenen und geschlossenen Flächen sorgt für eine monolithische Erscheinung (Foto: Philipp Obkircher)

Geschichte
Der ehemalige Gewerbe- und Produktionsbau folgte ursprünglich seiner funktionalen Zweckbestimmung: Personalbereich im Untergeschoss, Anlieferung mit Maschinenhalle im Erdgeschoss und Büros im Obergeschoss. Er war geprägt durch viel Licht, ein klares Raster mit starken Unterzügen zur Stützenfreiheit, sichtbar geschalten Beton ohne besonderen Anspruch. Als das Gebäude für den Nutzer zu klein wurde, wurde es zwischenzeitlich zum Botschaftsgebäude der Mongolei. Ein geplanter Umbau fand schließlich doch nicht statt. Zurück blieb ein Gebäude, das dem Verfall preisgegeben war, in gehobener Wohnlage in einer Stadt mit Wohnungsknappheit.

Rückbau
Die Entscheidung fiel gegen die Abrissbirne und den Neubau zweier historisierender Stadtvillen, wie sie das Publikum in vergleichbaren Wohnlagen gerne nachfragt, und für die nächste "Häutung". Trotz der Verwahrlosung war die Substanz noch intakt. Und sie hatte einen besonderen Charme. Das Haus wurde auf seinen Kern zurückgebaut, der Ursprung blieb sichtbar durch den groben Beton der Konstruktion, die Oberlichtkuppeln, die Werksteintreppe als erkennbares Kind ihrer Zeit und mit einem Augenzwinkern die Fahnenmasten im Vorgarten. Große Fenster, ein Patio und gezielte Blickbezüge bringen die Natur in den Wohnraum und öffnen das Gebäude nach innen. Von außen sorgt die freie Komposition von offenen und geschlossenen Flächen der Fassade für eine monolithische Erscheinung. Verstärkt wird diese Wirkung durch Öffnungen, die über Lamellen verschattet werden.

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Nach 8 Monaten Bauzeit wird die ehemalige Druckerei nun zu Wohnzwecken genutzt (Foto: Philipp Obkircher)

Umbau Erdgeschoss
Im Erdgeschoss sorgt ein Patio als Zonierung zwischen zwei Wohnbereichen. Zwischen Erdgeschoss und Obergeschoss wurde ein Deckenfeld zugunsten eines Luftraums entfernt. So sind in jede Richtung interessante Sichtbeziehungen entstanden. Der Koch-, Ess- und Wohnbereich mit Bibliothek erstreckt sich in die Tiefe des Gebäudes und hat ganz unterschiedliche Tageslichtstimmungen. Die Reihung der Unterzüge lässt die alte Maschinenhalle erlebbar bleiben. Notwendige Zimmer sind als Holzboxen vom rohen Bestand mit einer deutlichen Fuge abgesetzt, bleiben flüchtig, eher als Verpackungskiste oder Möbel anmutend denn als Raum.

Umbau Obergeschoss
Im Obergeschoss befindet sich der private Bereich mit Schlafzimmer und Bad, die durch ein Einbaumöbel getrennt sind und wahlweise ein offenes Raumkontinuum bilden oder durch eine Schiebetür geschlossen werden können. Die Galerie dient als Arbeitsraum, der sich auf die Dachfläche des niedrigeren Baukörpers erweitert.

Holzfassade
Zu den funktionalen Häutungen kam tatsächlich noch eine neue Haut dazu. Um den geltenden Vorschriften zu entsprechen, erhielt das Gebäude eine mineralische Wärmedämmung und eine vorgehängte hinterlüftete Holzfassade aus sägerauen, schwarz lasierten Brettern. Diese neue Haut homogenisiert die vorhergegangenen Häutungen und die unterschiedlichen Volumina nach außen. Verschiedene Breiten der Bretter führten dazu, dass an den Fensteröffnungen keine Anpassungen und Schnitte erforderlich waren. Die Fenster sitzen entweder außenbündig in der Fassade oder ganz innen, was sowohl von außen als auch von innen zu einer starken Plastizität führt. Ausgewählte Öffnungen sind mit Lamellen gefüllt und gleichzeitig Filter für private Bereiche und Sonnenschutz.

Atmosphäre
Vor dem Haus entsteht der Eindruck, dass die Nachbargebäude relativ dicht stehen. Von innen sieht man durch die akzentuierten Öffnungen nur Grün. Das Schwarz der Fassade fließt teilweise nach innen in die Küche in lange Sideboards vor den Fenstern. Dadurch wirken die Wände noch dicker, die Haut noch stärker und widerstandsfähiger. Schwarz, Grau und Weiß sind die Dominanten, die in ausgewählten Bereichen mit Gelb- und Grüntönen bzw. Blautönen akzentuiert werden. Der rohe Beton der alten Decken findet seine Entsprechung als sichtbarer Estrich auf dem Fußboden.

Außenbereich
Der Außenbereich führt das Spiel mit Ebenen, mit Terrassierung, auch mit der Materialität und Farbigkeit fort: Ein schwarzes Eingangselement, Beton, schwarzer Kies, Holzdecks, unterschiedliche Ebenen, einmal als Becken für das anfallende Regenwasser, einmal als geometrische Rasenfläche. Gräser und Stauden setzen farbige Akzente, und mächtige Bäume prägen den Charakter des Gebäudes als schwarze Kiste im Grün.

Genderhinweis
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