Prof. Björn Gossa
(in: BAUKULTUR 3_2019, S. 3)
Liebe Leserinnen und Leser,
verehrte Freunde der Baukultur,
man kann heute zu Recht behaupten, dass Holz zu einem der beliebtesten Baustoffe zählt, den der Bausektor hat. Nicht nur, dass es sich hierbei um einen nachwachsenden Rohstoff handelt, der die Ökobilanz von Gebäuden über den gesamten Lebenszyklus verbessert, sondern der auch wieder in den technischen Kreislauf zurückgeführt werden kann. Der Grundgedanke des nachhaltigen Nutzens von Holz wird durch „Cradle to Cradle“ (wörtl. „von Wiege zu Wiege“) verstärkt.
Eine besondere Aufgabe kommt der Architektur und der Ingenieurtechnik zu, die am Anfang jedes Entwurfsprozesses künftig in diesem Kontext prüfen muss, wie Materialeinsatz reduziert, Müll vermieden oder wenn möglich stofflich verwertet werden kann. Um das zu erreichen, ist ein langfristiges Vorausdenken notwendig. Aber gerade beim Baustoff Holz können diese neuen Denkansätze des rezyklischen Bauens und der Nachhaltigkeit realisiert werden.
Holz ist aber in der modernen Bauwelt noch mehr als nur ein lebendiges, warmes, gesundes und natürliches Material. Es zeichnet sich auch – bedingt durch neue Verfahrens- und Konstruktionstechniken sowie seine vielseitigen konstruk-tionstechnischen Eigenschaften – in vielerlei weiterer Hinsicht aus. So ist Holz durch seine hohe statische Festigkeit bei einem geringen Gewicht auch für mehrgeschossige Gebäudetypologien geeignet. Holz kann aber auch für die Überspannung großer Stützweiten genutzt werden. Ein weiterer Vorteil ist neben einer hohen Erdbebensicherheit auch ein berechenbares Verhalten im Brandfall.
Zu den Grundtypen im Holzbau zählen Block-, Fachwerk- und Ballon-/Platform Frame-Bausysteme und des Weiteren auch die derzeit vorwiegend verwendeten Rahmen-, Skelett- und Massivholzbauausführungen. Diese Bauweisen werden jedoch im Zeitalter von Digitalisierung und BIM aufgebrochen, und der Gedanke der effektiven Nutzung führt zur Entwicklung von neuen Holz- und Holzverbindungssystemen. Stege, Leisten und Lamellen werden durch Verklebungen zu maßhaltigen, hochbelastbaren und schlanken Bauteilen. Die Stabilität kann zum einen durch die Elemente selbst oder durch zusätzliche Bekleidungen oder Aussteifungsrippen sichergestellt werden. Die Hohlräume, die dabei entstehen, können als Wärmedämmpuffer oder auch für die Gebäudetechnik genutzt werden.
Wurde in den 1980er und 1990er Jahren der Holzbau noch als preisgünstige Bauweise für den Einfamilienhausbau angesehen, kann der moderne Holzbau auch als Lösung für innovative mehrdimensionale Planungsaufgaben eingesetzt werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist der „Metropol Parasol“. Hierbei handelt es sich um eine Holzkonstruktion in der Altstadt von Sevilla. Mit einer Höhe von 26 m, einer Gesamt-länge von 150 m und einer Breite von 70 m wurde die größte Holzkonstruktion der Welt neues Wahrzeichen dieser spanischen Stadt.
Durch die Möglichkeit des parametrischen Entwerfens von Strukturen und Gebäuden über digitale Tools und CAAD Systeme hält die Digitalisierung auch im Holzbau Einzug, und die schon beschriebenen traditionellen Bauweisen müssen weiter entwickelt werden.
Betrachtet man die Restriktionen des heutigen Bauwesens wie:
- Hohe Bau- und Nutzungskosten,
- Verdichtung und Nachverdichtung,
- Energetische Betrachtungsweise über den gesamten Lebenszyklus,
- Ressourcenschonendes Bauen,
so ist der Baustoff Holz genau dafür gemacht.
Hohe Bau- und Nutzungskosten können durch Vorfertigung, Materialoptimierung, einfachen Materialaustausch, Rückbaubarkeit und auch Zeitersparnis abgepuffert werden. Ein verdichtetes Bauen wird durch die neuen Brandschutz-erkenntnisse im Holzbau möglich, und eine Nachverdichtung in städtischen Bestandsstrukturen, bedingt durch das geringere Gewicht, realisierbar.
Energetisch kann kaum ein anders Bauprodukt mit Holz mithalten. Holzprodukte binden langfristig Kohlendioxid und entlasten so die Atmosphäre. Holz ist multifunktional – zuerst Werk- und Baustoff, zu guter Letzt Brennstoff. Im Bezug auf das ressourcenschonende Bauen kann der Leitsatz der Nachhaltigkeit aus der Forstwirtschaft nicht oft genug zitiert oder in Carlowitz Werk von 1713 „Sylvicultura oeconomica“ nachgelesen werden. Denn genau dafür steht der moderne Holzbau.
Ihr
Prof. Dipl.-Ing. Björn Gossa
Frankfurt University of Applied Sciences