Rathaus in Remchingen
(in: BAUKULTUR 1_2021, S. 18-19)
Das 2020 fertig gestellte Rathaus in Remchingen ist als neue Mitte für Begegnung und Kommunikation konzipiert. Es steht auf einem exponierten Grundstück zwischen der Bundesstraße B10 und dem Grünraum von Schlossbad und Pfinz. Steimle Architekten aus Stuttgart haben für den Neubau Dämmbeton gewählt – einen modernen Baustoff, der Optik und Funktion klug vereint.
Waren die Funktionen der Gemeindeverwaltung zuvor auf mehrere Ortsteile verteilt, werden nun die Geschicke Remchingens in einem zentralen Gebäude als gemeinsame Anlaufstelle für die Bürger geleitet. Seine direkte Nachbarschaft wird geprägt von der Kulturhalle und dem Altenpflegeheim, die als eigenständige, auf sich selbst bezogene Solitäre keine stadträumliche Beziehung zueinander aufbauen.
Verbindender Solitär
Um die Situation nachhaltig zu verbessern und klare Platzkanten auszubilden, wurde ein geschliffener, 5-eckiger Stadtbaustein entworfen, der keine Rückseiten besitzt und seine bauliche Präsenz sowohl zum Marktplatz als auch zu den beiden Straßenfluchten zeigt. Wie selbstverständlich positioniert er sich als offenes Haus für die Bürger, reagiert mit seiner Form auf die wichtigen Raumbeziehungen und definiert ein neues Zentrum für Remchingen. Einerseits wirkt er wie ein repräsentativer Solitär, andererseits vermittelt er durch seine konsequent aus dem Ort entwickelte Form zwischen den Bestandsbauten. Ein offener Platz verbindet nun das Ensemble aus Rathaus, Kulturhalle und Seniorenheim mit dem Landschaftsraum der Pfinz. Wichtig für die Dimensionierung des Hauses war dessen Fernwirkung: Mit seiner Höhe bezieht es sich zwar auf die umliegende Bebauung, ergänzt diese jedoch spannungsreich und tritt als eigenständiges Haus in Erscheinung.
Beton mit natursteinähnlicher Oberfläche
Die Fassaden aus Dämmbeton stärken den Eindruck der Solidität und Verankerung mit dem Ort. Aus der homogen gestalteten Hülle, deren mineralischer Wandaufbau voll recyclebar ist, zeichnen sich große, regelmäßig gesetzte Fensterformate mit tiefen Leibungen ab. Die Geschosse selbst setzen sich jeweils mit einem Versatz nach außen ab. Dadurch nimmt die Wandstärke vom Erdgeschoss bis zum 3. Obergeschoss zu. Der Versatz wirkt als Schattenkante und zeigt den handwerklich präzisen Umgang mit dem Material des monolithischen Betons. Tragwerk, Fassade und Dämmung sind in einer Einheit umgesetzt. Die Einfärbung des Betons erzeugt das Bild einer natursteinähnlichen, travertinartigen Oberfläche, die dem Gebäude eine besondere Haptik und Wertigkeit verleiht.
Raumprogramm für alle Zwecke
Schon von außen lassen sich die vielfältigen Nutzungen des Rathauses ablesen: Das Foyer mit dem Bürgerbüro und dem großzügigen Gastronomiebereich im Erdgeschoss, der Trausaal mit Stadtloggia im 1. Obergeschoss und der große, zweigeschossige Ratssaal im 2. Obergeschoss mit Blick zur nahegelegenen Pfinz wirken weit in den Stadtraum hinein. Um den Charakter eines offenen Hauses für die Bürger erlebbar zu machen, wurde im Innern ein freier Grundriss mit fließenden Raumgrenzen um ein zentrales Atrium angelegt. Hier reicht der Blick von der Eingangsebene bis zu den 8 asymmetrisch angeordneten Dachflächenfenstern hinauf. Der Raumeindruck aus der Mitte des Atriums erinnert an ein Kaleidoskop, um das herum sich die Gebäudeebenen auf wundersame Weise verschieben und wieder ineinander übergehen. Dieser Eindruck wird durch das Zusammenspiel der grauen glatten Sichtbetonoberflächen mit den warmen Holzeinbauten der Treppenstufen und Brüstungen bestimmt. Die spürbare räumliche Offenheit, die durch den großen Luftraum des Atriums unterstützt wird, soll den Bürgern die Möglichkeit bieten, einen näheren Einblick in das Entstehen von Politik zu erhalten und das Gebäude als, im besten Sinne, öffentlichen Ort zu erleben.