Giebelhäuser in Berlin-Frohnau
in: BAUKULTUR 6-2008 (S. 20-22)
Am Rande der Gartenstadt Berlin-Frohnau planten die Berliner Architekten Gudrun Sack und Walter Nägeli eine Gruppe von sechs Einfamilienhäusern. Das Eckgrundstück war aufgrund seines Baufeldes schwierig zu bebauen. Verschiedene Investorengruppen hatten sich die letzten 15 Jahre vergeblich um seine Erschließung bemüht. Erst durch die gemeinsamen Anstrengungen der Baugruppe wurde der Bebauungsplan geändert und eine für alle wirtschaftliche und interessante Situation geschaffen. Eine interne Privatstraße führt nun mittig auf das Grundstück und erschließt die gleichwertigen, jedoch relativ kleinen Parzellen.
Sonnige Gartenflächen
Ähnlich wie Luigi Snozzi bei seinen Planungen in der 1970er Jahren in Monte Carasso im Tessin stießen die Architekten auch hier auf das Problem, wie mit den aktuellen Abstandsregeln umzugehen ist, die entweder eine Reihenhausbebauung erforderlich machen oder aber das völlige Freistehen eines Gebäudes (mit Ausnahme der Garagen) verlangen, was oft undefinierte Zwischenräume zwischen den Gebäuden erzeugt. Durch das einseitige Stellen der Gebäude auf die Grundstücksgrenzen ist es ihnen gelungen, eine größere räumliche Dichte zu erzeugen, als sie im Einfamilienhausbereich möglich ist. Zusammenhängende sonnige Gartenflächen sind entstanden. Gleichzeitig konnten die Architekten dem Wunsch nach einer Individualisierung der Baukörper entsprechen.
Dachlandschaft
Die markanten Giebel und die bis zum Boden gezogenen konoiden Dachflächen zeugen jedoch zunächst von einer gemeinsamen Handschrift und sollen als Neuinterpretation traditioneller Bauformen mit den hier örtlich typischen Steilgiebeln verstanden werden. Konoide sind Regelflächen, die sich zwischen geraden und gebogenen Kanten aufspannen. In diesem Fall stoßen zwei Teilflächen, die über die Grundrissdiagonale gebildet werden, stufenlos aufeinander und erzeugen das für die Siedlung charakteristische Bild der weich gedrehten Dächer. Konstruktiv waren die Dächer aus Holz leicht herzustellen, da sie aus geraden Balken erzeugt werden konnten.
Die Konoide wurden entwickelt, um ein bessere Besonnung der zwischen den Gebäuden liegenden Gärten und Terrassen zu ermöglichen. Tatsächlich werfen die dreigeschossigen Häuser auf die Nachbargrundstücke kaum Schatten. Natürlich erzeugen die Formen auch sehr schöne Lichteffekte, und das Haus „bewegt“ sich beim Vorbeigehen. Das Gebäude verändert sich scheinbar von einem „prallen“ Volumen zu einer fast papiernen Erscheinung, da ein Konoid plastisch kaum zu verstehen ist.
Individualisierung
Die Fassaden sind in einem lichten Grau verputzt, die Dach- und Giebelseiten mit hellen Aluminiumplatten verkleidet. Die äußere Form der Häuser war für jeden Bauherrn ein wenig modifizierbar. So setzen farbige Platten auf den Dachflächen Akzente, die in Ihrer Wirkung noch durch die Geometrie der Fassaden verstärkt werden. Die gewählten Farbtöne greifen Stimmungen des Umfeldes auf und vermitteln zur Umgebung. Dadurch erhielt jedes Haus seine individuelle Erscheinung, ohne den Gesamtkontext zu zerstören.
Die Wohnflächen variieren zwischen 130 und 160 m². Die Grundrisse wurden individuell auf die Bedürfnisse der Bauherren abgestimmt. Vom separaten Musikzimmer mit eigenem Eingang bis zum exquisiten Wellnessbad versuchten die Architekten auf die Wünsche Ihrer Bauherren einzugehen. Die Häuser sind Niedrigenergiehäuser. Sie werden mit Erdwärme beheizt. Die Gartenbewässerung erfolgt über eine eigene Brunnenanlage.
Kosten
Natürlich gab es für die verdichtete Bauweise auch einen wirtschaftlichen Hintergrund: höhere Dichte bedeutet weniger Grundstückskosten pro m² Wohnfläche. So sind die Häuser am unteren Ende der Preisskala angesiedelt. Die Gesamtherstellungskosten inklusive Grundstück und allen Nebenkosten lagen bei unter 300.000 Euro, davon betrugen die Kosten für das Grundstück und die Erschließung ca. 100.000 Euro.
Baukultur in der Praxis
Die sechs Gebäude zusammen hätten eine kleine „Insel“ ergeben mit klarer Identität, starker formaler Ausprägung und einer internen Erschließung über einen gemeinsamen Weg. Leider konnte nur die Hälfte gebaut werden, weil der städtischen Wohnungsbaugesellschaft (GSW), der das Grundstück gehörte, der Abverkauf der einzelnen Parzellen zu langsam ging.