Museumserlebnis im Stillen

Staatliches Institut für Musikforschung mit Musikinstrumenten-Museum in Berlin

in: BAUKULTUR 6-2008 (S. 24-25)

Der Fall der Berliner Mauer ergab für das Staatliche Institut für Musikforschung (SIM) mit dem Musikinstrumenten-Museum eine veränderte städtebauliche Situation mit der Möglichkeit, den Eingangsbereich zum neu entstandenen Potsdamer Platz hin zu orientieren, das Haus also für die Museumsbesucher mit einem neuen Eingangsbauwerk zu öffnen. Der höheren Lärmbelästigung durch den Straßenverkehr wurde mit aus speziellen Holzwerkstoffen gefertigten Akustiklamellen der BER Deckensysteme GmbH begegnet.

Musiklandschaft
Die unter Denkmalschutz stehende, nach visionären Vorstellungen des Architekten Hans Scharoun geplante und 1987 zur 750-Jahr-Feier Berlins vollendete „Musiklandschaft“ am Kulturforum besteht aus der Philharmonie, dem Kammermusiksaal und dem Staatlichen Institut für Musikforschung mit Musikinstrumenten-Museum. Scharoun selbst prägte die Bezeichnung „Musiklandschaft“, denn er sah in Architektur und Städtebau die Fortsetzung von Natur mit nicht mehr naturhaften, sondern mit künstlerischen Mitteln. Die Gebäude liegen in spannungsvoller Nachbarschaft zur Neuen Nationalgalerie von Mies van der Rohe und sind ein wesentlicher, zusammenhängender Teil des Kulturforums.
Scharouns Entwurf zur Philharmonie wurde 1956 auch aufgrund des eindeutigen Votums von Herbert von Karajan verwirklicht, der damals künstlerischer Leiter des Berliner Philharmonischen Orchesters war und die Leistung von Scharoun mit den Worten würdigte: „Scharoun schuf der Musik ein neues Gehäuse...“, weil die Musik in der Philharmonie sowie im Kammermusiksaal aus der Mitte erklingt, und die Menschen sich im Kreis um die Musizierenden versammeln. So wurde erstmals die traditionelle Distanz zwischen den Zuhörenden und dem Podium überwunden.

Scharoun-Planung
Der Berliner Architekt Hans-Joachim Arndt, Senatsrat a. D., enger Freund des Architekten Edgar Wisniewski und wie dieser Schüler Scharouns, interpretiert die Architektur von Hans Scharoun folgendermaßen: „Scharouns Bauten fordern heraus, sich mit ihnen auseinander zu setzen. Es ist nötig, sich von vertrauten und Jahrtausende alten Begriffen und Vorstellungen zu lösen, wenn man Zugang sucht zu den architektonisch-räumlichen Schöpfungen Scharouns. Nicht die künstlerisch-ästhetische Gestaltung durch geometrisch strukturierte und gesetzmäßig geordnete Architekturelemente bestimmt die Erscheinungsweise seiner Baukörper. Scharoun ersetzte die organisierte Ordnung von Axiomen und Erkenntnissen der klassischen Geometrie, bei denen Rechteck, Quadrat und Kreis und seltener Dreieck und regelmäßiges Vieleck die vorherrschenden Ordnungsformen sind, durch eine „organhafte“ Gesetzlichkeit. Das führte in der Architekturentwicklung zur Polarität geometrischer und organischer Formen. Scharoun löste sich von der klassischen Architektur mit eindeutig begrenzten, überschaubaren Räumen, analog der Entwicklung des Weltbildes von der Euklidischen Geometrie hin zu den allgemeingültigen und umfassenden Raumdefinitionen Albert Einsteins. Wenn Einstein den Weltenraum als unbegrenzt, aber als nicht unendlich definierte, so entspricht diesem Raum-Zeit-Kontinuum des Alls eine analoge Raumordnung in der Architektur Scharouns. Aus der veränderten Strukturierung des Raumes kam Scharoun zu einer neuen Formensprache. Der Begriff der Fassade ist nicht mehr anwendbar, der Baukörper ist plastische Gestaltung, identisch mit seinem Inhalt.“

Foto: Bernd Gallandi

Raumakustische Maßnahmen
Bei der Verwendung von schallreflektierenden Baumaterialien waren bei einer Raumhöhe von ca. 6 m raumakustische Maßnahmen zwangsläufig erforderlich. Sowohl im Museum als auch im Eingangsbauwerk wurden hoch schallabsorbierende Akustiklamellen, sogenannte Akustik-Baffeln, eingesetzt. Diese wurden vertikal abgehängt und lassen, ganz im Sinne Scharouns, den freien Durchblick auf das zu, was sich darüber befindet. Die senkrechte Stellung der Akustiklamellen begünstigt außerdem eine Streuung der Schallwellen bzw. ein diffuses Schallfeld, was sich positiv auf die Sprachverständlichkeit auswirkt. Gute Sprachverständlichkeit wiederum verhindert, dass im Eingangsbauwerk, welches räumlich und damit auch akustisch nicht vom Museum getrennt liegt, laut gesprochen werden muss, um gut verstanden zu werden. So wird schon vor dem Betreten der Ausstellung für Ruhe, Behaglichkeit und für eine gespannte Erwartungshaltung der Besucher gesorgt, der ein beeindruckender Museumsbesuch folgt.

Akustiklamellen
Die nach Vorgaben von Edgar Wisniewski produzierten Akustiklamellen wurden in 6 verschiedenen Längen zwischen 3.000 und 2.070 mm und einer Breite von 300 mm hergestellt. Sie bestehen aus je zwei 17 mm dicken speziellen BER - Akustikplatten, Typ Holz-F, mit runder Perforation 6-16 mm, welche rückseitig mit einem Akustikvlies versehen sind. An der Kopfseite wurden die Akustiklamellen mit U-förmigen Aussparungen versehen zur Aufnahme von Halfenschienen für die Abhängung der Elemente. Als Trägermaterial dienten mitteldichte Faserplatten (MDF) der Baustoffklasse B1. In die rundum geschlossenen, montagefertigen Sandwich-Elemente wurden ca. 30 mm dicke Mineralwolleplatten eingelegt, um das Schallabsorptionsvermögen der Elemente zu verstärken. Die Dicke der Akustiklamellen beträgt 62 mm, wobei die Stöße der mit Esche holzfurnierten Akustikplatten auf Gehrung gearbeitet wurden.
Aufgrund des unregelmäßigen Gebäudegrundrisses wurden Akustiklamellen in verschiedenen Längen benötigt. Der ungelochte Randbereich sollte, trotz unterschiedlicher Elementlänge, umlaufend gleich breit sein. Für den Hersteller der Elemente kam es deshalb auf ein exaktes Aufmaß und genaue Kommunikation mit  dem ausführenden Fachbetrieb an, damit der Raumgrundriss sich im Deckenbild wiederfindet.
Die Montage der Akustiklamellen unter den von der Rohdecke abgehängten, teilweise geneigten Deckenflächen, die durch Sichtbeton-Unterzüge unterbrochen werden, erfolgte mit Hilfe von Rundstahlabhängern und den in die Akustiklamellen eingelassenen Halfenschienen. An der Unterhangdecke eingelassene Leuchten sorgen für indirektes Licht, welches die elegante Wirkung der Akustiklamellen unterstreicht.

Zur Auswahl und sichtbaren Anordnung der Akustiklamellen äußert sich Hans-Joachim Arndt: „Der Architekt wollte Bauelemente nicht kaschieren, sondern das, was funktionswirksam ist, auch zeigen. Darum wäre es für Edgar Wisniewski nicht sinnvoll gewesen, eine geschlossene Akustikdecke einzubringen, die hinsichtlich ihrer Funktionalität den Raum nicht annähernd so deutlich artikuliert hätte wie die verwendeten Akustiklamellen.“

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