Havenwelten (1)

Zukunftweisende Stadtentwicklung in Bremerhaven
in: BAUKULTUR 1-2009 (S. 36-39)

Städtebaulicher Leitgedanke
Neben der Schaffung attraktiver Standorte für Tourismus, Dienstleitungen, Freizeit, Kultur und Wohnen kam es darauf an, dass sich die Bremerhavener Innenstadt zum Wasser hin öffnet.
Der Nachteil der Bremerhavener Innenstadt lag bisher in der linear orientierten Nutzungsstruktur, die bereits auf den ersten Hafenbau zurückzuführen ist. Nicht nur die Stadtgeometrie, sondern auch die Benutzungsmuster waren in Nord-Süd-Richtungen angelegte, parallel zum Hafen verlaufende Streifen, die sich vom Wasser eher abkehrten als sich ihm zuwandten. Obwohl das Gegenteil beabsichtigt war, ist in den 1970er Jahren die Kluft zwischen der Innenstadt und der Weser durch den Bau des Columbus-Centers und der Columbusstraße weiter vertieft worden. Wichtigstes städtebauliches Ziel sollte es deshalb sein, die bestehende Innenstadt mit der Innenstadterweiterung zusammenzubinden und sich als Ganzes dem Wasser zuzuwenden.

Dazu war es notwendig, neue städtebauliche Ost-West-Achsen zu definieren und sie attraktiv auszugestalten. Hervorzuheben ist die neue Achse im Zuge der sog. Havenpassage. Diese wird vom Kirchenplatz durch das Columbus-Center, durch eine gläserne Drehbrücke über den Alten Hafen zu einer Plaza führen, an der die Haupteingänge der publikumsintensivsten Einrichtungen Klimahaus 8°Ost, Mediterraneo und Sail-City-Hotel liegen, und schließlich zum Weserdeich. Optional kann diese Achse als Seebrücke bis auf die Weser weitergeführt werden.

Foto: BEAN

Entwicklungsgebiet Alter/ Neuer Hafen
Zwischen Wesermündung und Bremerhavener City liegen die beiden ältesten Hafenbecken der Stadt: der Alte und der Neue Hafen. Seit Jahrzehnten findet dort kaum noch eine hafenwirtschaftliche Nutzung statt. Rund um die beiden Hafenbecken entsteht derzeit in innerstädtischer Lage ein neues maritimes Zentrum mit einer Mischung aus Tourismus, Kultur, Freizeit, Wohnen, Handel und Gewerbe. Die städtische Bauherrenfunktion trägt die Bremerhavener Entwicklungsgesellschaft Alter Hafen/ Neuer Hafen (BEAN). Projektsteuerer für die Infrastruktur ist die BIS Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung. Die StäWog hat die Gesamtprojektsteuerung inne. Die Koordinierungsaufgaben liegen bei der Wirtschafts- und bei der Bauverwaltung der Stadt Bremerhaven. Zur Umsetzung der Infrastrukturmaßnahmen haben das Land Bremen sowie die Stadt Bremerhaven insgesamt rund 350 Mio. Euro zur Verfügung gestellt (hierin enthalten sind Gebäudeinvestitionen für das Klimahaus 8° Ost, Plaza, Deutsches Auswandererhaus u.a.).

Foto: BEAN

Masterplan
Das Entwicklungsgebiet Alter/ Neuer Hafen umfasst knapp 40 Hektar, mehr als ein Viertel davon sind Wasserflächen. Neben der Schaffung attraktiver Standorte für publikumswirksame Nutzungen bilden die Öffnung und Orientierung zum Wasser die wesentlichen Planungsgrundlagen des Masterplans. Der Nachteil der Bremerhavener Innenstadt lag bisher in ihrer linear orientierten Nutzungsstruktur, die im ersten Hafenbau begründet liegt. Im Jahr 1830 wurde der Alte Hafen in Betrieb genommen, infolge des zunehmenden Schiffsverkehrs entstand in den Jahren 1847-1852 im nördlichen Anschluss der Neue Hafen. Seitdem war die Stadtgeometrie klar in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet, und auch die späteren Nutzungsmuster entstanden als parallel zum Hafen verlaufende Streifen, die sich vom Wasser eher abkehrten als dass sie sich ihm zuwandten. Als wichtigstes städtebauliches Ziel ist deshalb im Masterplan festgehalten, dass die bestehende Innenstadt und das Hafenareal zusammengebunden werden, um sich als Ganzes dem Wasser zuzuwenden. Entsprechend zeichnet sich der Plan durch das Anlegen von Ost-West-Achsen in Verbindung mit neuen attraktiven Nutzungen aus. Hervorzuheben ist die Achse im Verlauf der im August 2008 fertiggestellten Havenpassage mit der verglasten Drehbrücke (12). Diese erstreckt sich von der Bürgermeister-Smidt-Gedächtniskirche durch das Columbus-Center (8) hindurch, das bereits Anfang 1970 östlich des Alten Hafens errichtet worden ist und eines der markantesten Gebäudekomplexe Bremerhavens darstellt. Schon von weitem sichtbar ragen seine hohen Wohntürme in den Himmel und prägen so die Silhouette der Seestadt. Von hier aus führt die verglaste Passage über die Columbusstraße und den Alten Hafen hinweg zu einer Plaza, von der die publikumsintensivsten Einrichtungen Klimahaus 8°Ost (13), Einkaufszentrum Mediterraneo (10) und Atlantic Hotel Sail City (14) erschlossen werden.
Das in organischer Form errichtete Klimahaus 8°Ost gehört zu den Projekten, mit denen sich die Stadt Bremerhaven langfristig als Tourismusstandort positionieren möchte. Die Ausstellung mit interaktiven Exponaten wird hier den Besuchern ab Frühjahr 2009 die komplexen Zusammenhänge von Klima- und Wetterphänomenen vermitteln. Auch in die Zukunft gerichtete Fragen etwa zum Klimawandel werden behandelt.
Im Einkaufszentrum Mediterraneo, das stilistisch an die Architektur des Mittelmeerraumes erinnert, ist auf über 9.000 Quadratmetern eine mediterran anmutende Stadt mit Marktplatz, Arkadengängen und engen Gassen authentisch nachgebildet. Seit Oktober 2008 werden hier in südländischem Flair vornehmlich südeuropäische Produkte angeboten.
Markant erhebt sich das im März 2008 eröffnete Atlantic Hotel Sail City in die Höhe und bietet Geschäftsreisenden oder Individualreisenden hochwertige und komfortable Räumlichkeiten. Mit einer Gesamthöhe von 140 Metern und 20 Etagen ist es das höchste Gebäude der Stadt. Integriert sind neben dem Hotelbereich außerdem auch multifunktionale Veranstaltungsräume für bis zu 300 Personen und großzügige Büroflächen.
In direkter Anbindung ist seit Sommer 2008 das neue Congress Center entstanden, das weitere Tagungskapazitäten bis zu 500 Personen Platz bietet.
Südlich dieses Komplexes schließt sich das bereits 1973 nach Plänen von Hans Scharoun errichtete Deutsche Schiffahrtsmuseum (5) mit dem Museumshafen (6) an. Das Deutsche Schiffahrtsmuseum ist eines von sieben nationalen Forschungsmuseen in Deutschland und Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Als weltweit einzigartig gilt die originale Hansekogge aus dem Jahr 1380, die hier neben weiteren Modellen, Gemälden und Dioramen zu sehen ist.
Nördlich befindet sich in zentraler Lage am Neuen Hafen eines der ältesten noch existierenden Hafengebäude (17). Errichtet wurde es 1881 als Proviantlager der Norddeutschen Lloyd. Im Zuge des Projektes Havenwelten wurde das Gebäude restauriert, um einen Anbau erweitert und 2003 als Tourismuszentrum Hafeninsel wiedereröffnet.
Direkt am Weserdeich erstreckt sich das Gelände des sog. Zoos am Meer (19). Seine Anfänge reichen bis ins Jahr 1912 zurück, zunächst befand sich dort das erste Nordseeaquarium, im Jahr 1928 wurden Tiergrotten angelegt. Nach langjähriger Stilllegung wurde der Zoo nach einer umfangreichen Neukonzeption 2004 wieder eröffnet.
Mit der 2005 eröffneten Sportbootschleuse (21) am Leuchtturm ist es möglich, direkt von der Unterweser in den Neuen Hafen zu gelangen, wo an der Lloyd Marina rund 120 Liegeplätze zur Verfügung stehen. Das Boarding House (27) bietet Geschäftsreisenden, Urlaubern und den Mietern der Liegeplätze eine Möglichkeit der Unterkunft.
Auf der anderen Seite des Neuen Hafens befindet sich am Lloydplatz der Technologiepark t.i.m.e.Port Bremerhaven (25-27) für Unternehmen aus den Branchen Telekommunikation, Informationstechnologie, Multimedia und Entertainment. Die drei Gebäude wurden in drei Bauabschnitten, teils unter Einbeziehung historischer Bausubstanz, fertiggestellt.
Unweit der Verbindung zwischen Altem und Neuem Hafen entstand das Deutsche Auswandererhaus (24), das als Erlebnismuseum den Motiven, Schicksalen und Erlebnissen deutscher Auswanderer seit der Inbetriebnahme des Alten Hafens 1830 gewidmet ist. Eine Datenbank ermöglicht die ganz persönliche Spurensuche nach ausgewanderten Vorfahren. Auch aktuelle Aspekte globaler Migration werden präsentiert. Das Deutsche Auswandererhaus wurde 2007 zum europäischen Museum des Jahres gewählt.

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