Parkhaus in Stuttgart
(in: BAUKULTUR 4_2022, S. 18-19)
Dort, wo früher der Güterbahnhof Stuttgart-Bad Cannstatt angesiedelt war, entsteht in den nächsten Jahren das gemischt genutzte Quartier Neckarpark. Da das Quartier in einem Heilquellenschutzgebiet liegt, können die für das Wohngebiet erforderlichen PKW-Stellpätze nur begrenzt in Tiefgaragen untergebracht werden. asp Architekten haben aus der Not eine Tugend gemacht und ein Parkhaus entwickelt, das nicht nur Autos und Fahrräder, sondern zugleich auch noch die Energiezentrale für das gesamte Quartier beherbergt.
Die Herausforderungen dabei: Die Gebäudehülle sollte so konzipiert werden, dass für das Wohngebiet ein ausreichender Schallschutz zum benachbarten Cannstatter Wasen gewährleistet werden kann. Zugleich sollte das Parkhaus über eine natürliche Durchlüftung verfügen. Auch sollte die Fassade begrünt sein, obgleich der städtebauliche Entwurf kein bodengebundenes Grün vorgesehen hat.
Mehrschichtige Fassade
Auf Basis dieser Anforderungen entstand die Idee einer Konstruktion mit großen Spannweiten und einer auf das Wesentliche reduzierten und zugleich multifunktionalen Fassade: So bildet die außenliegende Stahlkonstruktion aus rautenförmigen Stahlträgern mit einer Stahlbetonverbunddecke zugleich die Hauptkonstruktion und Hülle des Gebäudes. Über der Stahlkonstruktion spannt sich auf der Süd-, Ost- und Westseite ein Edelstahlnetz, das als Absturzsicherung und als Rankhilfe für die Begrünung und als natürliche Belüftung dient. Da auf der Straßenebene keine Fläche für bodengebundenes Grün vorhanden war, wurden Pflanztröge zwischen die rautenförmige Stahlkonstruktion gesetzt. Hier wachsen eine Reihe von unterschiedlichen Rankpflanzen, vor allem Weinreben, die den Bezug zur Umgebung und die nahegelegenen Weinberge aufnehmen.
Farbige Schuppenhaut
Die Nordfassade ist vollflächig mit Elementen aus bedrucktem Glas belegt, die in verschiedenen Grüntönen schimmern. Durch ihre Form und Anordnung führen sie das Thema der Rauten aus der Stahlkonstruktion und dem Edelstahlnetz fort. Gleich einer Schuppenhaut sind die Elemente schräg überlappend und luftdurchlässig angeordnet. So gelingt beides: Lärmemissionen aus dem Quartier fernzuhalten und frische Luft zur natürlichen Belüftung ins Innere des Gebäudes zu führen. Optisch ergibt sich ein lebendiges, farbenfrohes Fassadenbild mit einer besonderen räumlichen Tiefe, sodass das Parkhaus in seiner Gestaltung einen Akzent in dem neuen Stadtquartier setzt.
Erschließung
Auf der Ostseite bildet das Parkhaus eine Raumkante zum geplanten Quartiersplatz. Hier liegt die fußläufige Haupterschließung, die in Form einer markanten roten Treppenskulptur ausgebildet und von weitem erkennbar ist. Das Pendant dazu bildet die ebenfalls rote Fluchttreppe auf der Westseite. Die Ein- und Ausfahrten in das Parkgebäude werden optisch durch ein Vordach hervorgehoben. Die PKW-Stellplätze verteilen sich auf fünf Obergeschosse und ein Untergeschoss. Aufgrund der leistungsfähigen Stahlverbund-Skelett-Konstruktion der Decken konnten die oberirdischen Parkierungsebenen stützenfrei ausgebildet werden und ermöglichen so ein komfortables Ein- und Ausparken. Das Orientierungssystem im Gebäude stammt von Studio Tillack Knöll und ist ebenfalls in Rot gehalten. Grafiken an den Zugängen und in den Geschossen leiten durch das Gebäude. Informationstafeln illustrieren die Funktionen des Gebäudes und seine energetischen Aspekte.
Energiekonzept
Im Erd- und im Untergeschoss befindet sich auch die Energiezentrale, die durch die transluzente Fassade von der Straßenseite aus erlebbar ist. Sie sichert die Versorgung des gesamten neuen Quartiers, das heißt den Wärmebedarf von etwa 850 Wohneinheiten, Gewerbeflächen und einem Sportbad. Die Wärmeenergie wird über zwei Wärmetauscher aus einem großen Abwasserkanal rückgewonnen und an die Energiezentrale weitergegeben. Dort befinden sich zwei Pufferspeicher, Wärmepumpen und Blockheizkraftwerke für den Antrieb der Wärmepumpen. Die Wärmepumpen heben das Temperaturniveau zwischen 10 °C und 20 °C an und speisen die Wärme mit bis zu 43 °C in ein Niedertemperatur-Wärmenetz ein, das das Quartier mit Warmwasser für die Raumheizung und Trinkwasser-Vorwärmung versorgt. Zusätzlich gibt es ein Hochtemperatur-Wärmenetz mit 75 °C für die Nacherwärmung des Trinkwassers, in das die Motor- und Abgaswärme der Blockheizkraftwerke eingespeist wird. Gegenüber einer konventionellen Energieversorgung können so etwa 1.650 t CO2-Emissionen im Jahr eingespart werden. Durch großflächig angeordnete Photovoltaik auf dem Dach wird die Energieversorgung des Quartiers zusätzlich unterstützt.
In die Zukunft gedacht
Um der energetischen und umweltpolitischen Vorreiterrolle des Quartiers gerecht zu werden, haben die Architekten bei ihrer Planung den Ausbau von Elektromobilität mitgedacht. So soll der Anteil der Stellplätze für Elektrofahrzeuge von anfänglich 20 % zunehmend auf 100 % erhöht werden, die entsprechende bauliche Infrastruktur wurde gleich mitrealisiert. Eine Fahrradgarage und eine Fahrradwerkstatt sorgen für eine Belebung des Erdgeschosses.