(in: BAUKULTUR 1_2023, S. 3)
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Leser und Freunde der Baukultur,
in diesem ersten Heft des Jahres möchte Ihnen wie gewohnt für das vor uns liegende Jahr Gesundheit, Erfolg, Glück und Zufriedenheit wünschen! Zu Jahresbeginn ziehen wir Bilanz des Erreichten und schauen möglichst positiv in die Zukunft. Auch wenn dies in den vergangenen Jahren durch das Überlagern immer neuer schicksalhafter Themen einem Hindernislauf ähnelt, kann ich die wichtigsten Krisen natürlich nicht unerwähnt lassen.
Der unerträgliche Krieg in unserem Nachbarland dauert an und tötet tausende Menschen an den Fronten und in den Städten. Die Bevölkerung leidet in diesen kalten Wintertagen zusätzlich an Kälte und Stromausfällen durch die zielgerichtete Zerstörung der Infrastruktur. Wir dürfen nicht aufhören zu helfen und müssen genau hinschauen. Ich bin hoffnungsvoll, dass dieser Krieg bald endet und dass die Erkenntnis, dass man einen Krieg nicht gewinnen kann, dauerhaft verstanden sein wird.
Die Coronapandemie scheint medizinisch beherrscht zu sein. Als Gesellschaft beschäftigt sie uns weiterhin in verschiedenen Phänomenen. Die Zero-Covid-Strategie hat in China zu den größten Protesten seit der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 geführt. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt steht unter Druck, und wichtige Produktionsabläufe erscheinen gefährdet. Die Versorgungsstrukturen in wichtigen „systemrelevanten“ Bereichen werden daher bei uns zukünftig sensibler bewertet werden. Produktionsstandorte werden zum Teil wieder näher an die Kunden herangeführt. Der CO2-Bilanz wird es nutzen.
Die Klimakrise ist immer greifbarer geworden. Die Erkenntnis ist nun in nahezu jedem Winkel unserer Gesellschaft angekommen. Dies bedeutet aber leider auch, dass bereits sichtbare und spürbare Schäden eingetreten sind, die kaum reversibel sind. Die Argumente von Wissenschaftlern und Umweltverbänden wurden zu lange belächelt oder ignoriert. Spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ist dies nun nicht mehr möglich. Die Regierung ist aufgefordert, kurzfristig über ein wirksames Klimaschutzgesetz einzugreifen. Das Ziel einer durchschnittlichen Erderwärmung von unter 1,5 °C ist bereits heute nicht mehr zu erreichen. Der „Sicherheitsabstand“ zu dem von Wissenschaftlern errechneten Kipp-Punkt ist damit aufgebraucht. Höchste Zeit, effektiv zu handeln!
Wir sind heute mit den Grenzen des Wachstums konfrontiert, wir erkennen die technischen und gesellschaftlichen Herausforderungen und bilanzieren die Folgen unseres Handelns. Ein Hauptaugenmerk liegt dabei auf dem Bauen. Bei der Gestaltung resilienter Städte geht es um Weiterentwicklung, Umbau und Umdeutung. Gerade die Innenstädte brauchen hier neue Konzepte. Bei diesen nachhaltigen Entwicklungen geht es natürlich nicht nur um nutzungsflexible und dauerhafte Gebäude und Außenräume, sondern es geht auch um gesunde und CO2-optimierte Baustoffe und deren Wertstoffzyklen. Beton ist dort scheinbar etwas aus dem Fokus ge-raten. Die Bewertung dieses Baustoffes umfasst seine Herstellung und die seines Bindemittels Zement, auf das etwa
80 % seiner CO2-Emissionen zurückgehen. Dies bedeutet einen ökologischen Fußabdruck von 80 kg CO2 pro Tonne. Im Vergleich zu Rindfleisch, dessen CO2-Bilanz bei 14.000 kg/t liegt, ist dies scheinbar unbedeutend. Als meistverwendeter Baustoff der Welt ist Beton dennoch unbestritten relevant. In der Summe ist die Zementindustrie heute für 8 % des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Neue Zementrezepturen und moderne Herstellungstechniken können hier zukünftig enorme Mengen einsparen. In der Lebenszyklusbetrachtung können dem dauerhaften Material auch neue Erkenntnisse zur Rekarbonatisierung zugeschrieben werden. Demnach bindet Beton bis zu 25 % der verursachten Emissionen, im Recycling weitere 18 %. Es lohnt sich also, genau hinzuschauen. Das vorliegende Heft zeigt Ihnen herausragende Beispiele, die uns inspirieren und erwartungsvoll in die Zukunft blicken lassen.
Herzlichst, Ihr
Arnold Ernst
DAI Präsident