Kirche in Kalabrien
(in: BAUKULTUR 1_2023, S. 20-21)
Im Herzen des süditalienischen Nationalparks Pollino liegt die kleine Bergstadt Mormanno, zwischen deren Hügeln seit kurzem die Kirche Santa Maria Goretti steht. Der von mca – mario cucinella architects entworfene Neubau setzt auf Beton und Kunst. Mit der Tragwerksplanung war das Büro Milan Ingegneria SpA beauftragt.
„Das Entwerfen einer Kirche ist eine Botschaft der Kontinuität mit dem Geist der Kunst, der unbeirrt durch die Jahrhunderte der Menschheit gegangen ist.“ Mit diesen Worten stellt Architekt Mario Cucinella die Gedankengänge vor, die hinter dem Entwurf für die Kirche Santa Maria Goretti stehen. Den Planungsauftrag hatte sein Büro über einen von der italienischen Bischofskonferenz (CEI) organisierten Wettbewerb gewonnen. Die Bauarbeiten wurden 2021 abgeschlossen.
Organische Form
Nun steht die neue Pfarrkirche einsam, ruhig und monolithisch am Nordrand der kalabrischen Bergstadt Mormanno und beschenkt ihre Besucher dabei mit einem herrlichen Blick auf den Nationalpark Pollino. Der Entwurf orientiert sich an einer organischen Form: dem Kleeblatt, das mit seinen vier Blättern den Grundriss des Gebäudes repräsentiert. Darüber hinaus richtete Mario Cucinella seine Idee am Typus der strengen apsidalen Kirchen aus, die von den östlichen Ausläufern des ehemaligen Römischen Reiches geflohene Mönche in Kalabrien gebaut hatten. Die Quintessenz dieser Einflüsse findet ihren Ausdruck in einem innovativen Gotteshaus, das in seiner klaren Form außerhalb der Zeit zu stehen scheint. Es ist Maria Goretti (1890–1902) gewidmet – der jüngsten Heiligen der katholischen Kirche.
Die Kirche: Apsiden aus Beton
Betreten wird das Gebäude durch einen hohen Einschnitt in einer der vier Betonapsiden. Dabei formt der Eingang ein hohes Kreuz, das bei nächtlicher Beleuchtung von weitem wie ein Leuchtfeuer zu sehen ist. Die rahmende eingravierte Beschriftung bezieht sich auf das Leben von Maria Goretti.
Die Kunst: Schleier aus Stoff
Im Innenraum ziehen von der Decke abgehängte und von oben beleuchtete transluzente Stoffbahnen die Blicke der Gläubigen an. Die wie voluminöse Vorhänge gestalteten Gebilde sollen die Kirchenbesucher an die Geometrien der eindrucksvollsten Barockkirchen Italiens erinnern. Zusätzlich zum steten Tageslichtspiel der Stoffschleier fällt an einem Tag im Jahr – am 6. Juli, dem Fest der Heiligen Maria Goretti – ein Sonnenstrahl direkt auf das hinter dem Altar angebrachte Kruzifix. Hier wirken Architektur, Kunst, Natur, religiöser Glaube und Symbolik in spiritueller Harmonie.
Innenausstattung
Das Lesepult, das Tabernakel, das Taufbecken und die Figur der Jungfrau Maria aus Stein, Bronze und Mosaik wurden von dem Künstler Giuseppe Maraniello geschaffen. Auch sie spielen mit Rundungen und geschwungenen Linien und spiegeln so die fließenden Formen der Wände wider. Die von Mario Cucinella Design entworfenen Möbel aus Holz und Stahl wurden hingegen bewusst minimalistisch und streng konzipiert, um die architektonischen und skulpturalen Elemente des Kircheninneren hervorzuheben.
Das Pfarrzentrum: Betonbau mit grünem Herz
Neben der Kirche liegt das neue Pfarrzentrum, das ebenfalls von Mario Cucinella Architects entworfen wurde. Der eingeschossige Betonbau integriert einen Versammlungsraum für die Gemeinde, die Klassenzimmer für die Kirche und die Wohnung für den Priester. Die gezackte Dachlinie steht im Dialog mit den Rundungen der Kirche. Geistliche können diese über die Sakristei betreten, die sich hinter dem Altar verbirgt.
Nachhaltigkeit
Die Kirche wurden so konstruiert, dass ihr Energieverbrauch und der Wartungsbedarf minimal sind. Darüber hinaus tragen die Gründächer und die bepflanzten Innenhöfe sowie der Biogarten vor dem Pfarrhaus für die „0-km-Bewirtschaftung“ zur Nachhaltigkeit des Projekts bei und dienen als Aufenthaltsbereiche auch für die lokale Bevölkerung als Gewinn.