Eine Kultur des Bewahrens ist Klimaschutz

Kolumne der Bundesstiftung Baukultur
(in: BAUKULTUR 1_2023, S. 7)

Mit Blick auf den Baukulturbericht 2022/23 interpretiert die Bundesstiftung Baukultur das Wort Betonbaukultur in Richtung einer „neuen Umbaukultur“. Angesichts gesellschaftlicher Herausforderungen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit und Energiekrise muss der Kreislauf von fortwährendem Abriss und Neubau unterbrochen werden

Bundesstiftung Baukultur Bericht

Der Baustoff Beton stellt dabei eine eigene Herausforderung dar, da er aufgrund seiner Eigenschaft als langlebiger Baustoff jahrzehntelang intensiv verbaut wurde, aber am Ende seiner Lebensdauer nur bedingt wiederverwertet werden kann. Neben seiner Wiederverwendung im Straßenbau oder als rezyklierte Gesteinskörnung bei der Betonherstellung steht die Forschung auf dem Weg zu einer klimafreundlicheren Betonherstellung nicht still. Neue Möglichkeiten der Ressourcenverwendung, Herstellungsprozesse und Weiterverwendung können einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Der Umbau bestehender Betonbauwerke und ein Einsatz des Baustoffs mit Augenmaß sind wichtige Schritte für die Erreichung der Klimaziele.

Aber auch eine Wertschätzung für die baukulturellen Leistungen vergangener Epochen sowie das Bewusstsein für die kulturelle Bedeutung von bestehenden Bauwerken und deren gewachsenen Lebensräumen sprechen für den Erhalt des Bestands. Denn Bestandsgebäude und Denkmäler zeichnen sich oftmals durch die gewachsene Einbindung in den städtebaulichen Kontext aus und bieten zugleich ein besonderes Identifikationspotenzial. Sie sind in Sozialräume eingebunden, mit Erinnerungswerten vorheriger Nutzungen verknüpft und tragen soziale, ästhetische und historische Werte in sich. Im Falle eines Abrisses können weder die verlorengegangene goldene Energie noch die kulturelle Bedeutung rekonstruiert werden.

Mangelnder Bauunterhalt und unzureichende Sanierungen sorgen gleichzeitig dafür, dass ein Gebäude im öffentlichen Ansehen schnell an Wert verliert. Kommen leerstehende Flächen oder verbaute gesundheitsschädliche Materialien hinzu, ist ein Urteil rasch gefällt: Selbst Denkmale gelten dann als Schandfleck, der schnellstens beseitigt werden muss. Aufgabe der Denkmalbehörden der Bundesländer ist es, den Bestand zu erforschen und zu dokumentieren, wissenschaftlich fundierte Kriterien für eine Unterschutzstellung zu entwickeln und Denkmalwerte herauszustellen. Aufgrund des hohen Veränderungsdrucks sei in den nächsten Jahren mit „erheblichen“ Verlusten an Baudenkmalen der jüngeren Vergangenheit zu rechnen, deren Werte häufig nicht anerkannt werden. Je jünger ein Gebäude ist, umso bedrohter ist es – dieser Grundsatz gilt seit Beginn der Denkmalpflege. Der Deutsche Städtetag beklagt: „Mit einem unkontrollierten substantiellen oder gestalterischen Verlust droht ein baukultureller Geschichts- und Identitätsverlust Deutschlands.“

Der Nachholbedarf in der denkmalpflegerischen Aufarbeitung moderner Bauten seit der Wiedervereinigung ist groß. Es drängt die Zeit, oder besser: Es drängen Eigentümer, die umfassende, nicht zuletzt energetische Modernisierungen, Marktanpassungen, Nachverdichtungen oder Ersatzbauten planen. Das für abgewogene Entscheidungen notwendige baukulturelle Bewusstsein gilt in Deutschland als wenig entwickelt. Wenn es darum geht, die Räume zu beschreiben, die uns umgeben und prägen, fehlt es an Sprach- und Urteilsfähigkeit. Beide sind aber Grundlagen, um aktiv an Planungs- und Gestaltungsprozessen im unmittelbaren Lebensumfeld teilzunehmen. Daher gilt es, von klein auf Wahrnehmungs-, Beurteilungs- und Vermittlungskompetenzen zu stärken. Baukulturelle Bildung muss den ökologischen, ökonomischen und nicht zuletzt kulturellen Wert von Bestandsbauten vermitteln. Das gilt gerade auch für die weniger geschätzten betonlastigen Nachkriegsbauten, damit diese nicht vorschnell Neubauten oder Rekonstruktionen weichen müssen.

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