Der Baukulturbericht 2022/23 erscheint am 8.11.2022. Sein Thema „Neue Umbaukultur“ ist von großer aktueller Bedeutung, denn immerhin gehen, nach Einschätzung eines Forschungsteams um Werner Sobek, mehr als die Hälfte der weltweiten Klimagase auf den Bau- und Gebäudesektor zurück.
Bereits vor 50 Jahren zeigte der Club of Rome die Endlichkeit der Ressourcen unseres Planeten unmissverständlich auf und dennoch wurde seither weltweit, aber auch in Deutschland mehr gebaut denn je – als ob es die Grenzen des Wachstums nicht gäbe
Die Bau- und Planungsdisziplinen stehen also vor einem grundlegenden Wandel. Denn jahrzehntelang galten Abriss und Ersatzneubau als ebenso selbstverständlich wie die Ausweisung von Bauland auf der grünen Wiese. Jetzt wird klar, dass wir ohne Umbau als Vorzeichen unserer gesellschaftlichen Klimabilanz die Erderwärmung nicht mehr aufhalten können. Wir brauchen ein neues Denken und eine neue, baukulturell verankerte Umbaukultur. Dieser Wandel kann nur dann erfolgreich gestaltet werden, wenn die baukulturellen Werte des Bestandes erkannt und dementsprechend die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen angepasst werden.
Unsere Gesetzgebung und Förderrichtlinien sind auf den Neubau ausgerichtet, und für den Klimaschutz galt lange ausschließlich der Energieverbrauch eines Gebäudes im Betrieb als ausschlaggebend. Daher stellten der Abriss von Bestandsbauten und an ihrer Stelle die Errichtung von energieeffizienten Neubauten eine vermeintliche Lösung dar. Ein erheblicher Teil der Energie, die ein Neubau im Laufe seines Lebens beansprucht, entfällt allerdings auf die Bauphase. Die Bedeutung dieser so genannten grauen Energie rückt zunehmend ins öffentliche Bewusstsein. Im Grunde geht es aber nicht um das Einsparen von Energie, sondern um die Vermeidung klimaschädlicher Emissionen, die im gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks anfallen. Ihre Begrenzung muss zum neuen Maßstab im Bauwesen werden. Hier bietet die Einbindung von bereits bestehenden Strukturen natürlich einen Startvorteil. Auch der Ressourcenknappheit und einem stetig steigenden Abfallaufkommen kann ein kluger Umgang mit dem Bestand entgegenwirken.
Allein diese rationalen Gründe verhelfen einer immer notwendiger werdenden neuen Umbaukultur aber nicht zum Erfolg. Vielmehr geht es darum, die gesellschaftliche und kulturelle Bedeutung des Bestands zu erkennen und deren emotionaler Bedeutung Rechnung zu tragen. Deshalb hat die Bundesstiftung analog zur grauen Energie den Begriff der goldenen Energie geprägt, der den immateriellen und ideellen Wert der Bauwerke benennt, aber auch ihre bauzeitlichen und historischen Besonderheiten betrachtet. Gegenüber Neubauten zeichnen sich Bestandsgebäude oder bestehende Infrastrukturen oftmals durch die gewachsene Einbindung in den städtebaulichen Kontext aus und bieten zugleich ein besonderes Identifikationspotenzial. Sie künden von den Leistungen derjenigen, die sie geplant, gebaut, umgebaut und gepflegt haben, während sie zugleich auch Zeugnis vom Leben früherer Nutzer geben. Schließlich sind sie in Sozialräume eingebunden und mit spezifischen Nutzungen verknüpft, die im Falle eines Abrisses nicht einfach an anderer Stelle „wiederaufgebaut“ werden können.
Der Baukulturbericht 2022/23 „Neue Umbaukultur“ stellt die gestalterischen Potenziale dieser goldenen Energie heraus und behandelt neben der hohen Klimarelevanz des Bauwesens Themen wie den anhaltenden Umbau unserer Städte und Landschaften, notwendige Anpassungen von Regelwerken und Planungsprozessen und nicht zuletzt auch die Anforderungen, die ein Neubau im Sinne einer neuen Umbaukultur erfüllen muss.