Nachbericht zum Symposium anlässlich des DAI Tages 2022 in Münster
(in: BAUKULTUR 6_2022, S. 10)
Der DAI Tag 2022 in Münster wurde von einem Symposium begleitet, das dem Thema „Mobilität in Stadt und Land“ gewidmet war. Die Durchführung oblag dem gastgebenden Münsterländer AIV. Im Verlauf der Veranstaltung zeigte sich das breit gefächerte Spannungsfeld, in dem sich das Thema Mobilität bewegt. Fünf ausgewiesene Fachreferenten, fünf spezifische Herangehensweisen, fünf unterschiedliche Charaktere, anregend und richtungsweisend.
Heinrich Strößenreuther aus Berlin, seines Zeichens ein bundesweit bekannter Klima- und Verkehrslobbyist, stellte klar und unmissverständlich fest, dass im hart umkämpften Straßenraum keiner mehr Platz bekommen kann, ohne dass er anderen weggenommen wird. Simpel, aber richtig und wichtig. Er verwies auf den Berlin-Standard für sichere, attraktive Radwege, auf die Brancheninitiative Fahrrad und Bahnen und gab den Slogan „Auf’s Rad, weil’s gut ist“ aus.
Stefan Gerwens, Leiter Verkehr des ADAC e.V. München, entpuppte sich ebenfalls als Verfechter des (Fahr-)Rades und verwies auf die erforderliche Veränderungsbereitschaft der Verkehrsteilnehmer, betonte die Forderung nach Sicherheit für alle. Hierbei sei es nötig, die Menschen an die geänderten Rahmenbedingungen behutsam heranzuführen. Er unterstrich die Feststellung, dass Mobilität Teilhabe ermöglicht und zeigte auf, dass zwischen den Zielen nachhaltiger Mobilität Wechselwirkungen und Zielkonflikte bestehen. Die Teilnehmer verstanden, wenn er sagte „… wir verändern uns in die Realität unserer Mitglieder hinein.“
Dann wurde es niederländisch spannend. Prof. Marco te Brömmelstroet aus Amsterdam referierte leidenschaftlich und irgendwie anders zum Thema „Stadtgestaltung und Verkehr aus niederländischer Sicht“. Er erläuterte, dass die ersten Verkehrsplaner Wasseringenieure waren (Pipeline, der Verkehr muss fließen), beschrieb den Verkehrsraum als Körper, dem ein Infarkt droht, und berichtete, dass in Deutschland in jeder Woche 315 Minuten Verkehrsnachrichten auf jedem Radiosender gesendet werden. Was für eine Lobby! Wir müssen unsere Sprache, unsere Standpunkte ändern, der Verkehrsraum sei überreguliert, Verkehr sei nur „one of ten“ Punkten. Das war inspirierend, Mobilität beginnt also im Kopf!
Dann wurde es wienerisch. Andreas Käfer vom Büro TRAFFIX aus Wien berichtete sehr charmant über die Erfahrungen aus der Praxis unserer österreichischen Nachbarn. Hinter der Verkehrspolitik Wiens stehen klare politische Bekenntnisse zum Ausbau der Öffis – ist doch viel schöner als ÖPNV –, zur Parkraumbewirtschaftung bis hin zum Ausbau einer Infrastruktur Langsamverkehr. Wien hat sich ein Fachkonzept Mobilität als Teil des Stadtentwicklungskonzeptes gegeben und verfolgt eine „Smart Klima City“ Strategie, eine Mobilitätsgarantie für alle, auch ohne Auto mobil sein.
Als letzter Referent trat Planungsdezernent Ludger Wilde von der Stadt Dortmund an das Pult. Es überraschte, dass nicht die Stadt Münster referierte, sondern der Dezernent der Stadt Dortmund; und der hatte viel zu sagen. Es ist erstaunlich, mit wieviel Weitsicht sich die Stadt des Themas Mobilität annimmt. In den nächsten Jahren soll insbesondere die Innenstadt Dortmunds mobiler werden. Eine Vielzahl von Förderprogrammen soll dabei helfen, dass sie nicht unter der Verkehrslast einbricht. Von emissionsfreiem Anlieferverkehr, Mobilitätsmanagement in Betrieben, Ausbau des Fahrradparkens über Fahrradachsen bis hin zu E-Taxen am Hauptbahnhof. Mobilitätsmanagement für Kitas und Schulen, Öffentlichkeitsbeteiligung und eine Marketingkampagne sind wichtige Komponenten bei der sukzessiven Umsetzung des Konzeptes. Ludger Wilde weiß aber auch, dass es wichtig ist, Danke zu sagen und zu bestätigen. Als Ausblick verwies er darauf, dass es in Dortmund bald ein Verkehrswendebüro geben wird. Na, da geht doch was in Dortmund.
In der abschließenden Paneldiskussion wurde deutlich, welch wichtige Funktion zukünftig den Bahnhöfen als Kultur- und Kommunikationsorte zukommen wird und dass die City der Zukunft eine kindgerechte (die Straße als sicherer Ort) sein muss. Politische Aufgabe muss es sein, die neue Sprache zu lernen und zu verkaufen, was Das Gute ist.