von Prof. Michael Braum, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur
in: BAUKULTUR 6_2009 (S. 3)
Verehrte Leserinnen und Leser,
Freundinnen und Freunde der Baukultur,
gerne wende ich mich als Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur an dieser Stelle an Sie, um das Netzwerk der Baukultur zu knüpfen und in die Thematik der aktuellen Ausgabe der BAUKULTUR einzuführen. Denn für die Bundesstiftung gilt, wie für das Bauen selbst, dass ohne den partnerschaftlichen Dialog zwischen den unterschiedlichen Akteuren kein Projekt erfolgreich sein kann.
In diesem Sinne möchte ich Ihnen den Arbeitsansatz der Bundesstiftung Baukultur erläutern, die - seit nunmehr einem Jahr - von Potsdam aus wirkt. Unsere zentrale Herausforderung sehen wir darin, die Debatte über Baukultur auf einem hohen fachlichen Niveau zu führen und dabei den Dialog zwischen der Fachöffentlichkeit und den Nutzern von Baukultur zu fördern.
Dabei ist die Diskussion um Baukultur in Deutschland nicht voraussetzungslos, wie es Werner Durth in dem vom Förderverein des Deutschen Architekturzentrums 2002 herausgegebenen Bericht „Auf dem Weg zur Nationalen Stiftung Baukultur" bereits beschrieben und in seinem jüngst veröffentlichten Jahrhundertrückblick zusammengetragen hat. Sie hat eine Tradition, in denen epochale Standards für die Qualität der gebauten Umwelt gesetzt und geachtet wurden.
Diese baukulturellen Standards als gesamtgesellschaftlichen Konsens wieder und weitergehend zu verankern, ohne die Vergangenheit in die Zukunft zu holen, ist das besondere Bestreben der Bundesstiftung. Auf ihrem Weg soll sie sich als Instanz etablieren, die mit Unabhängigkeit und Autorität den Dialog über die Anliegen und Qualitätsmaßstäbe von Baukultur befördert.
Das Interesse der Öffentlichkeit an Baukultur zu stärken und dabei das Bewusstsein, die Umwelt mit gestalten zu können, zu fördern, ist uns ein besonderes Anliegen. Dazu initiieren wir deutschlandweit gemeinsam mit unseren Netzwerkpartnern Veranstaltungen, wie z.B. „Worauf baut die Bildung" in Köln im Mai oder „Wo verkehrt Baukultur" in München im November diesen Jahres. Darüber hinaus veröffentlichen wir Publikationen, wie z.B. das im März 2009 erschienene Buch „Rekonstruktionen_Positionen zu einem umstrittenen Thema" oder das im September 2009 erschienene Buch „Nachkriegsmoderne_Eine Epoche weiterdenken". Wir platzieren zudem Stellungnahmen, initiieren Netzwerkkampagnen, wie zuletzt „BauTraum", und versuchen zudem in verfahrene Prozesse moderierend einzuwirken.
Unser Verständnis von Baukultur ist umfassend.
- Baukultur ist mehr als Baukunst. Baukultur ist nicht nur „atemberaubend schön". Sie erfüllt darüber hinaus eine Gesamtqualität, welche die gestalterischen, funktionalen, technischen, ökologischen und ökonomischen Anforderungen mit den soziokulturellen in einen Dialog zu bringen sucht.
- Baukultur stellt das Zusammenspiel zwischen dem Bewahren des Alten und des Neuen her.
- Baukultur bedeutet, finanzielle und kulturelle Werte ausgewogen zu berücksichtigen und auf dieser Basis nachhaltig und anspruchsvoll zu gestalten.
- Baukultur heißt, mit unserer Umwelt verantwortungsvoll umzugehen.
- Baukultur ist ein Spiegel unserer Gesellschaft, ihres steten Wandels und unseres Zusammenlebens. Damit ist sie vor allen inhaltlichen Debatten Prozesskultur.
- Baukultur ist sinnlich erfahrbar. Sie beinhaltet Einzigartigkeit, auch und gerade im Alltäglichen.
Die Arbeitsweise der Bundesstiftung ist kooperativ und ergebnisorientiert, indem wir versuchen, die verschiedenen Akteure ihrer Kompetenzen entsprechend und gleichzeitig auf Augenhöhe miteinander ins Gespräch zu bringen. Grundlage jeder Auseinandersetzung über Baukultur ist eine Qualitätsdebatte über unsere gebaute Umwelt, die Gebäude, Infrastruktur und Freiräume, bei der jeder von uns Verantwortung tragen muss.
Diese Verantwortung wird auch in dem vorliegenden Heft der BAUKULTUR deutlich, ist doch ein Großteil unserer heutigen Bauaufgaben direkt im Bestand zu finden und die Prozesskultur hier von besonderer Bedeutung. In Veranstaltungen und Publikationen hat die Bundesstiftung Baukultur sich bereits mit den Themen Rekonstruktion und Nachkriegsmoderne beschäftigt. In gewisser Weise sind dies zwei Seiten einer Medaille, die dafür steht, wie polarisierend und wenig diskursiv gesellschaftliche Debatten heute geführt werden.
Als Bundesstiftung stellen wir uns der Herausforderung, unseren Standpunkt immer wieder neu zu bestimmen, situativ den Argumenten auf den Grund zu gehen und die Qualitätsfrage immer wieder neu zu formulieren. Eine Behutsamkeit und ganzheitliche Sichtweise, wie sie von Architekten und Ingenieuren nicht nur im Bereich der Denkmalpflege erwartet wird, von der Politik, Bürgerinitiativen und der Wirtschaft muss sie immer wieder eingefordert werden.
In den Architekten- und Ingenieurvereinen wird die Kultur des Dialoges über Disziplingrenzen hinweg bereits gepflegt. Diese Offenheit müssen wir unter allen am Bauprozess Beteiligten gemeinsam herstellen und zugleich den Austausch mit der breiten Öffentlichkeit auf unterschiedliche Art und Weise fördern.
Ich freue mich, Ihnen als Beispiel dafür in den kommenden Ausgaben der Zeitschrift BAUKULTUR in einer neuen Kolumne von unserer konkreten Arbeit zu berichten.
Ihr
Prof. Michael Braum
Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur