Editorial Ausgabe 2-2011

Dieter Walch, Dipl.-Meteorologe und ehem. ZDF-Moderator
(in: BAUKULTUR 2_2011, S. 3)

Liebe Leserinnen und Leser,

als Wetter-Interessierter sind Sie vielleicht zu Beginn des Jahres 2011 über zwei Meldungen gestolpert, die Sie stutzig gemacht haben. Da hat der Deutsche Wetterdienst (DWD) festgestellt, dass der Dezember 2010 einer der kältesten und schneereichsten war, seit es regelmäßige Aufzeichnungen gibt, und das ist immerhin schon seit 1870 der Fall. Dieser Feststellung des DWD wird sicherlich jeder von Ihnen zustimmen, denn wir erinnern uns noch alle an das Chaos im morgendlichen Berufsverkehr, bei der Bahn oder im Luftverkehr. Nur wenige Tage später veröffentlichte die amerikanische NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) die Ergebnisse ihrer weltweiten Wettermessungen. Und danach war global gesehen das Jahr 2010 - zusammen mit 2005 - das wärmste seit Beginn des letzten Jahrhunderts. Wie passt das zusammen?

Beide Meldungen vom DWD und der NOAA sind richtig. Der kalte Dezember ist eine Folge der Wettersysteme. Der ständige Energieüberschuss, den die Sonne im äquatorialen Bereich einstrahlt, wird durch die beiden Transportsysteme Luft- und Wasserströmung Richtung Pol geschafft. Gleichzeitig wird im Gegenzug die polare Kaltluft Richtung Äquator transportiert. Während im Sommerhalbjahr durch den ständigen Sonnenschein die Temperaturen im Polargebiet knapp über 0°C steigen, sinken sie in der langen Winternacht unter -20°C. Dementsprechend muss im Winterhalbjahr das Transportsystem auf vollen Touren laufen, um die eisige Luft wegzuschaffen. Wenn die nun - wie es in den letzten beiden Wintern der Fall war - genau über Mitteleuropa nach Süden transportiert wird, gibt es bei uns eben einen kalten und manchmal auch noch schneereichen Winter. Dafür ist der Winter in anderen Gegenden außergewöhnlich mild.

Eine völlig andere Ursache hat die Tatsache, dass 2010 global gesehen das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen war. Die globale Temperatur wird nämlich dadurch bestimmt, wie viel Energie das System Erde-Atmosphäre tagsüber von der Sonne erhält und wie viel Energie das System 24 Stunden lang in den Weltraum verliert. Erhält das System mehr Energie von der Sonne als es in den Weltraum verliert, wird es wärmer auf unserem Globus, und umgekehrt wird es kälter, wenn das System insgesamt mehr Energie verliert als es erhält. Sieht man sich die „Hitparade“ der wärmsten Jahre an, fällt auf, dass außer 1998 alle Jahre aus diesem Jahrzehnt stammen. Die „Top Ten“ sind:

2010, 2005, 2009, 2007, 1998, 2002, 2003, 2006, 2004, 2008

Diese zunehmende Erwärmung wird durch den so genannten Treibhauseffekt verursacht. Das ist der gleiche Effekt, der das Innere Ihres Autos aufheizt, wenn Sie es in der Sonne stehen lassen. Denn die Scheiben Ihres Autos besitzen diesen Treibhauseffekt. Ähnlich wirken auch einige Gase, weshalb man sie als Treibhausgase bezeichnet. Die beiden wichtigsten sind Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4). Da beide durch menschliche Aktivitäten in zunehmendem Maße in die Atmosphäre gelangen, verstärkt sich der Treibhauseffekt und damit steigen die globalen Temperaturen.

Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Jahrzehnten das Klima in Hamburg etwa dem von Freiburg heute entsprechen wird. Und in Freiburg wird es dann so warm wie heute am Mittelmeer. In den Städten wird es überproportional wärmer, sodass Maßnahmen ergriffen werden müssen, wie der Hitzestau reduziert werden kann. Dies erfordert intelligente Lösungen, die heute schon umgesetzt werden müssen, da es nicht möglich ist, die Bebauung ständig sich ändernden Umweltbedingungen anzupassen.

Die Änderung des globalen Klimas macht sich aber nicht nur bei der Temperatur bemerkbar. Es werden sich auch die Niederschlagsverhältnisse drastisch ändern. Während die Niederschläge im Winterhalbjahr zunehmen werden, gibt es im Sommer häufiger Trockenperioden, d.h. genau während der Vegetationsperiode. Es muss also schon heute darüber nachgedacht werden, wie das Wasser im Winter gesammelt werden kann, um es im Sommer auf die Felder bringen zu können.

Im Laufe der Menschheitsgeschichte haben sich die Klimaverhältnisse immer wieder geändert. Doch verliefen diese Änderungen meist so langsam, dass sich die Menschen darauf einstellen konnten. Jetzt aber ändern sich die klimatischen Verhältnisse so schnell, dass für Anpassungen kaum noch Zeit bleibt. Deshalb muss vorausschauend geplant werden. Wir können die Klimaänderung nicht mehr stoppen, wir können nur noch versuchen, die Folgen zu mildern (engl.: mitigation) und uns anzupassen (engl.: adaptation). Für die Lösung dieser enormen Aufgaben wünsche ich allen Lesern viel Erfolg!

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