Editorial Ausgabe 6-2011

Christian Baumgart, DAI Präsident
(in: BAUKULTUR 6_2011, S. 3)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Leser und Freunde der Baukultur,

im September fand unsere diesjährige Verbandsversammlung, der DAI Tag in Hildesheim statt. Jeder Teilnehmer konnte Anregungen, Ideen, nachhaltige Eindrücke und neue Impressionen mitnehmen. Wir wurden herzlich empfangen, perfekt umsorgt und bekamen ein Rahmenprogramm geboten, das alle Beteiligten beeindruckt und die Messlatte für kommende DAI Tage hoch gelegt hat. Für Vorbereitung und Durchführung dieser zweieinhalb sehr kompakten Tage gebührt unser Dank insbesondere dem AIV Hildesheim und unseren dortigen Kollegen. Einen kurzen Rückblick auf Hildesheim finden Sie bereits in dieser Ausgabe, ausführliche Berichte werden im Heft 1_2012 unserer BAUKULTUR folgen. Höhepunkt im Hildesheimer Programmablauf war fraglos der Festakt mit der Verleihung des DAI Literaturpreises an Ira Mazzoni und der Laudatio unseres früheren Literaturpreisträgers Prof. Dr. Wolfgang Pehnt. Neben den Gremiensitzungen und üblichen Regularien standen in diesem Jahr auch Präsidiumswahlen an, bei denen das amtierende Präsidium erneut für zwei Jahre das Vertrauen der Mitgliederversammlung erhielt. Darüber hinaus wurde im Wege der Satzungsänderung das Präsidium erweitert, der langjährige Vorsitzende des Münsterländischen AIV, Dr.-Ing. Wolfgang Echelmeyer, wurde als weiteres Präsidiumsmitglied für die Bereiche Sonderveranstaltungen und Mitgliederbetreuung bestellt. Wir alle im Präsidium freuen uns sehr über den Vertrauensbeweis unserer Mitglieder und auf die künftige Verbandsarbeit. Ganz persönlich verspreche auch ich Ihnen allen, die Sie uns seit Jahren erfolgreich unterstützen, weiterhin vollen Einsatz und großes Engagement für unseren DAI.

Bei mehreren Gelegenheiten hat der DAI in diesem Kalenderjahr bereits das Thema Public Private Partnership (PPP, Öffentlich-Private Partnerschaften) in den Vordergrund seiner inhaltlichen Arbeit gerückt. Dieser Komplex betrifft die planenden und bauenden Berufe in besonderem Maße und wie stets bei derlei Grundsatzfragen finden sich viele Pro- und Contra-Argumente, viele spezielle Fragestellungen, die erst nach den Gesetzesänderungen des Jahres 2005 klar wurden und in den Vordergrund rückten. Diese Argumente stellen wir zur Diskussion. Am 26.11.2011 hat der DAI zu einer öffentlichen Diskussion unter dem Titel „Public Private Partnership – Fluch oder Segen?“ nach Berlin in die Hertie School of Governance (Berlin-Mitte) eingeladen. Unter anderem und insbesondere mit dem ehemaligen Bauminister Wolfgang Tiefensee wollen wir verschiedenste Standpunkte des Themenkomplexes beleuchten. Es geht uns weniger um vorbehaltlose Zustimmung oder grundsätzliche Ablehnung, vielmehr wollen wir den sachlichen Austausch, die offene Diskussion und die Debatte über Optimierungen und Verbesserungsmöglichkeiten vorantreiben.
Die große Haushaltsnot vieler Kommunen hat bundesweit in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass viele unterschiedlichste Baumaßnahmen, aber auch der Betrieb öffentlicher Infrastruktur an private Anbieter abgegeben wurden. Was auf vielen Feldern zunächst als möglicher „Befreiungsschlag“ angesehen wurde, scheint mittlerweile in etlichen Fällen zu deutlichen Belastungen zu führen. Dies liegt zum einen an der in der Regel sehr langen Laufzeit solcher PPP-Verträge von 25 Jahren und mehr, ein Zeitraum in dem sich unterschiedlichste Rahmenbedingungen massiv verändern können, wirtschaftliche Schwierigkeiten privater Investoren oder sogar Insolvenzen seien hier nur beispielhaft erwähnt. Zweiter Aspekt sind die Finanzierungsfragen, private Marktteilnehmer haben in der Regel weniger günstige Refinanzierungsmöglichkeiten als die öffentliche Hand. Im Übrigen werden städtische Haushalte ja nur scheinbar entlastet, da die gebaute Infrastruktur über kurz oder lang ja doch wieder unterhalten werden muss, was unterschiedlichste Problemfelder lediglich auf die Zukunft verlagert. Auch die Annahme, private Partner handelten grundsätzlich effizienter und wirtschaftlicher als die öffentliche Hand, lässt sich wohl kaum flächendeckend belegen.
Was aus Sicht unseres Verbandes, unserer Mitgliedsvereine, der Architekten, Ingenieure und Planer insgesamt jedoch am schwersten wiegen dürfte, ist die Tatsache, dass durch verstärkte Verlagerung auf privatwirtschaftlich angebotenes Know-how und den damit verbundenen Stellenabbau der öffentlichen Hand Sachverstand, Kompetenz und Berechenbarkeit auf der öffentlichen Auftraggeberseite zunehmend verloren gehen. Eine solche Entwicklung schmälert die Kompetenz öffentlicher Bauherrn, schwächt ihr städtebauliches und architektonisches Urteilsvermögen, gibt ein Regulativ in Fragen der Ökonomie, Ökologie und Nachhaltigkeit unnötig aus der Hand und schadet damit der Baukultur.

Gerade ein Verband wie der DAI mit seinen bundesweit vernetzten Architekten- und Ingenieurvereinen sowie seiner Verzahnung mit der Bundesstiftung Baukultur muss in solchen baukulturellen Grundsatzfragen „Flagge“ zeigen, ggf. auch den Finger in die eine oder andere Wunde legen. Wir alle sollten miteinander strikt darauf achten, dass bei Planungs- und Bauvorhaben – welcher Art auch immer – die größtmögliche Transparenz herrscht und öffentlich wie privat Beteiligte sich den entsprechenden Diskussionen stellen. Das tut der Baukultur gut, und das tut unserer Demokratie gut.

Herzlichst Ihr
Dipl.-Ing. Christian Baumgart
DAI Präsident

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