BAUKULTUR 5_2017: Editorial

Dr. Markus Johow
(in: BAUKULTUR 5_2017, S. 3)

Liebe Leserinnen und Leser,
verehrte Freunde der Baukultur,

Baukultur beschreibt dem Grunde nach die Summe menschlicher Leistungen, die natürliche oder gebaute Umwelt zu verändern. Gleichzeitig bezeichnet Baukultur sowohl das eigentliche Werk als auch die Beziehung der Planenden untereinander, die dem Bauherrn gemeinschaftlich Erfolg schulden. Baukultur sollte möglichst innovativ, kreativ und einzigartig und eine Reflektion von Zeit, Wissen und Können sein. Die Erforschung neuer Dimensionen sollte formal-ästhetisch in der Welt der Fantasie und zeitgleich visionär, konstruktiv-technisch in der Welt der Realität fortschreiten.

Die Stadt Münster hat mit ihrer gebauten Wirklichkeit allzeit eine sehr gute Antwort auf die von Heinrich Hübsch im Jahr 1928 in Karlsruhe gestellte Frage „In welchem Stile sollen wir bauen?“ gefunden. Papst Benedikt, der in Münster als Kardinal Ratzinger an der Universität gelehrt hat, beschrieb Münster als „eine schöne, ja geradezu sehr vornehme Stadt. Hier korrespondiert große Vergangenheit mit dynamischer Gegenwart.“ „Beeindruckend!“ stellte er fest.

Durch die Baukultur manifestiert Münster seinen Führungs- und Machtanspruch als regionales Zentrum nicht nur des Münsterlandes, sondern in ganz Westfalen und steht damit im direkten Wettbewerb mit dem Rheinland. Die Jonglage der Formsprache in städtebaulicher und architektonischer Sicht erfolgt in Münster erfolgreich im Spannungsfeld zwischen Geschichte, Image, Funktion, Konstruktion und Natur und verliert dabei – bodenständig, wie wir Westfalen nun mal sind – nie den passenden Maßstab. Diese münsterländische Baukultur spiegelt unsere christliche Geschichte und die ländlichen Traditionen der mittelstandsgeprägten Gesellschaft in Westfalen wider und ist nicht zuletzt mit unseren Hochschulen als Wissensstandort sinnstiftend. Auch die Verantwortung für die Qualität der gebauten Umwelt liegt hier nicht allein bei uns Fachleuten, sondern wird von der Stadtgesellschaft Münsters als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachtet. Die weit über die Region Westfalen hinaus bekannten münsterländischen Kaufleute, Planer und Handwerker pflegen das partnerschaftliche Miteinander durch eine enge und vertrauensvolle Verbindung zwischen den Berufsverbänden, Kammern und Interessenvertretungen.

Der deutschlandweite Trend der vergangenen Jahre, in denen Einkäufer und Juristen uns Planer zur Beute erklärt haben, ist aufgrund der aktuell sehr guten Wirtschaftslage nicht nur in Münster gebrochen. Architekten und Ingenieure, die durch die Banalisierung der Baukultur durch Dritte der Entmündigung des Planers durch Regelungswut und immer komplexeres Normwesen und nicht zuletzt aufgrund der hohen Fehleranfälligkeit durch baubegleitende Planung mit einer Prozessflut überschüttet wurden, atmen aktuell auf und empfinden sich endlich wieder als kreativ Schaffende und erfahren gesellschaftliche Anerkennung. Verbliebene Konversionsflächen und Todräume unserer Stadt, die aktuell teilweise als reine Autoparkplätze genutzt werden und zu einer geradezu organisierten Zerstörung unseres Kulturgutes Stadt auch im täglichen Umgang miteinander führen, werden zukünftig als neue Stadtquartiere wieder einer urbanen Nutzung in unserer wachsenden Stadt zugeführt. Das Gegenteil von Baukultur ist aktuell die finanzgetriebene Barbarei der kurzzeitigen Renditeoptimierung, die letztlich anderswo nur einen schutzlosen unmündigen Bürger als reinen Konsumenten in sterbenden Stadtteilen und Städten zurücklässt.

Als Konsens zwischen Verwaltung und Planenden beinhaltet Baukultur in Münster sämtliche Elemente der gebauten Umwelt; Baukultur geht über die architektonische Gestaltung von Gebäuden weit hinaus und umfasst so auch den Städtebau, die Gestaltung von Infrastruktur und Verkehrsanlagen sowie insbesondere auch die Kunst am Bau und die Kunst im öffentlichen Raum. Wir freuen uns daher umso mehr, Sie im Rahmen des DAI Tages zeitgleich zur Ausstellung Skulptur Projekte 2017 in Münster begrüßen zu dürfen! Radeln Sie mit uns vom Dom mit seinem Wochenmarkt an den Bauten von Johann Konrad Schlaun und Harald Deilmann vorbei, zu neuen Werken und Stadtquartieren an der Stubengasse und dem Kreativkai am Hafen und erleben eine wachsende Stadt, die durch ihren Mittelstand, der die Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft pflegt und dabei unter Bewahrung unserer christlicher Traditionen und Werte erfolgreich auch für die Schwachen unserer Stadtgesellschaft selbstbewusst in die Zukunft schreitet. Erleben und erfreuen Sie sich gemeinsam mit uns an unserer wunderbaren quicklebendigen Stadtgesellschaft und wohltuenden Baukultur!

Ich verbleibe mit dem Zitat des Kabarettisten Dieter Hildebrand: "Es wird unheimlich viel geliebt und getrunken in dieser Stadt Münster".

Herzlichst Ihr
Dr. Markus Johow
Vorsitzender des Münsterländer AIV

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