Ganzheitlich, energieeffizient und wohngesund

Pilotprojekt in Freiburg
(in: BAUKULTUR 2_2019, S. 22-23)

Wird leimfreies Massivholz als hoch wärmespeichernder Werkstoff kombiniert mit anderen natürlichen Baustoffen und einer innovativen Art des Beheizens, entstehen Gebäude, die ganzheitlich, nachhaltig und wirtschaftlich sind, wie zwei Wohngebäude des Architekten Wilfried Schmidt, Öko-Plan, und der VIDA HolzProjekt GmbH in Freiburg zeigen.

Lingott 1

Bauweise und Temperierung
Beide Gebäude wurden in Massivholzbauweise kombiniert mit Lehmputz und einer innovativen Haustemperierung umgesetzt, was in dieser Gebäudeklasse bis dato und weltweit einzigartig ist. Zur Temperierung dient eine wassergeführte Wärmeverteilung, die waagerecht entlang der Außenwand-innenseite über die gesamte Länge der Bedarfsfläche geführt wird: Zwei Rohre am Wandsockel und zwei Rohre in Brüstungshöhe. Die dünn überputzten Rohre strahlen direkt in den Raum sanfte Wärme ab und erzeugen zudem einen wandnahen Konvektionsstrom (Coanda Effekt). Dieser erwärmt auch die Oberflächen, in denen keine Heizrohre verlegt sind. Dadurch wird die Wandoberfläche bis unter die Decke (max. 3,5 m) gleichmäßig erwärmt, ohne die Luft raumgreifend zu bewegen, und man erhält quasi einen umlaufenden, sanft strahlenden Grundofen.

Lingott 2

Raumklima
Die (Neben-)Wirkungen sind umfassend: Die Temperatur der Wandoberfläche ist in der Heizperiode immer so hoch, dass dort keine Feuchtigkeit andocken kann, was Schimmelbildung verhindert. Die basische Natur von Lehm (über 8 t pro Wohnung) kann mit dessen feuchteausgleichender Eigenschaft ohne Probleme mit den Feuchtespitzen in Küche und Bad umgehen und wirkt sich gleichzeitig positiv auf die Raumklimabildung aus. Es stellen sich stabile und gesunde Luftfeuchteverhältnisse ein (45–55 %). Aus diesem Grund wurden die beiden Gebäude als erste überhaupt ohne Lüftungsanlage als Freiburger Effizienzhaus zertifiziert.
Da die Raumluft nicht als Heizmedium dient und nur Masse oberflächlich erwärmt wird, spielen Lüftungswärmeverluste keine nennenswerte Rolle mehr. Die Oberflächen kühlen in den kurzen Lüftungsphasen praktisch nicht ab. Eine auf niedrigerer Temperatur laufende Primärschleife (am Sockel) sorgt unabhängig vom Nutzerverhalten dauerhaft für eine Grundtemperierung, womit es keine Heizspitzen und langen, ineffizienten Wiederaufwärmphasen nach Abwesenheit gibt.

Lingott 3

Dämmung
Die leimfreie, kapillar durchgängige Außenwand (29,5 cm) ist mit 4 cm Holzfaserdämmung ergänzt, um die KfW55-Anforderung zu erreichen. Die einzelnen Bretter sind einseitig eingekerbt und alle Wandstöße mit Bienenwachs abgedichtet, um durch die eingeschlossenen Luftkammern noch besser zu dämmen. Die Fassade ist geschlossen und wird mit stehenden Luftpaketen hinterlüftet, damit solare Gewinne, so gut es geht, auf die Gebäudehülle übertragen werden. Durch die Temperierung werden die hygroskopische Ausgleichsfeuchte des Holzes langfristig gesenkt und die Holzkonstruktion geschützt, und die Außenwand dämmt besser. Die Primärschleife hält die Keller auf gleichbleibender Temperatur, weshalb auf übermäßig viel Perimeterdämmung aus nicht-nachwachsenden Rohstoffen verzichtet werden konnte (nur eine 1 m hohe Lage an der Oberkante der Kellerwände). Die Kellerwände bleiben langfristig trocken. Sie ragen 45 cm aus dem Erdreich heraus, um die Holzkonstruktion auch am Sockel vor Feuchte zu schützen. Die Wärme für die Gebäude wird in den Sommermonaten durch Solarthermie und in den restlichen Monaten durch Fernwärme abgedeckt.

Lingott 4

Nachhaltigkeit
Das verwendete Holz stammt zum Großteil aus dem nahegelegenen Schwarzwald (PEFC und FSC zertifiziert). Es wurde möglichst viel Weißtanne verbaut, um das Aufforsten von Weißtanne zu fördern (naturnahe Bewirtschaftung). Auch beim Innenausbau kamen natürliche, langlebige Baustoffe zum Einsatz (Holz-Alu-Fenster, Massivholztüren, Massivholzdielen, Naturstein in den Bädern u. a.). Insgesamt wurden pro Gebäude 350 m³ Holz und 200 m³ Dämmstoff aus Holzprodukten verbaut. Damit bestehen 99 % des verwendeten Dämmmaterials aus nachwachsenden Rohstoffen. Auf den Dächern wurden die Flächenversiegelung minimiert und bienenfreundliche Pflanzen gesetzt. Auf dem Hauptdach werden demnächst Nistmöglichkeiten für heimische Vogelarten eingerichtet.

Genderhinweis
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