BAUKULTUR 2_2021: Editorial

(in: BAUKULTUR 2_2021, S. 3)

Liebe Leserinnen und Leser,
verehrte Freunde der Baukultur,

die Pandemie ist noch nicht überwunden, aber eines ist bereits jetzt klar erkennbar: Ein Gewinner wird die Digitalisierung sein! Und das betrifft alle Bereiche der Wirtschaft, des Verkehrs, der Verwaltung und des Lebens. Das Bauen, das Produzieren, die Mobilität, das Arbeiten und das Wohnen werden digital. Und die Pandemie beschleunigt diesen Prozess. Wenn wir jetzt noch den Ausbau der digitalen Infrastruktur in Deutschland voranbringen, das betrifft Glasfaser und 5G-Netze, dann wird dieser Prozess noch schneller vonstattengehen. Aufzuhalten ist er ohnehin nicht mehr!

Was bedeutet das für das Wohnen? Gebäudeautomation wird in nicht allzu langer Zeit Standard werden. Heute denken wir bei Smart-Living-Lösungen häufig an Entertainment- oder Komfortlösungen. Das eigentliche Potenzial liegt jedoch in der digitalen effizienten Bewirtschaftung von Immobilien, Stichwort „Predictive Maintenance“, aber auch im digitalen effizienten Betrieb, um die Immobilien CO2-optimal steuern zu können. Digitale optimierte Heizungssteuerung, digitaler automatischer regelmäßiger hydraulischer Abgleich und digitale Nutzerunterstützung und -führung werden zum Standard werden. Aber auch Sicherheitsanwendungen werden mittels Gebäudeautomation kommen. Automatisierter Gebäude- und Wohnungszugang, auch über Erkennungssysteme mit biometrischen Funktionen, regelmäßige automatisierte Überprüfungen der Trinkwasserqualität, weitere smarte Komponenten, wie Rauchwarnmelder, die gleichzeitig Bewegungsprofile erkennen und im Zusammenspiel mit anderen smarten Geräten unter Nutzung künstlicher Intelligenz Nutzerprofile erlernen, sind nicht mehr nur Visionen, sondern werden bereits in der Praxis getestet. Irgendwann werden die Gebäude, was den Betrieb anbelangt, autonom werden. Nur so ist ein wirklich effizienter, sicherer und komfortabler Betrieb möglich.

Müssen wir uns deshalb Sorgen machen? Was passiert mit unseren Nutzerdaten? Werden wir direkt über „Alexa“ oder ihre Brüder und Schwestern von großen international agierenden Konzernen überwacht und ausspioniert? Sollte das passieren, dann werden die Menschen es nicht akzeptieren, solche smarten Devices zu nutzen. Dies gilt besonders dann, wenn solche Komponenten vom Gebäudeeigentümer eingebaut werden und die Mieter gar nicht mehr die Möglichkeit haben, die intelligenten Geräte praktisch nicht zu nutzen. Deshalb ist für die Wohnungswirtschaft der Themenkomplex Datenschutz und Datensicherheit extrem wichtig, und niemand darf aus intimen, schützenswerten Nutzerdaten Geschäftsmodelle entwickeln. Die Wohnungswirtschaft engagiert sich darum in einem vom Bundeswirtschafts-ministerium geförderten Forschungsprojekt „ForeSight“, in dem smarte Usecases unter Einsatz künstlicher Intelligenz und unter Realbedingungen in Mehrfamilienhäusern für drei Jahre erprobt werden. ForeSight ist Teil der GAIA-X-Initiative der Bundesregierung zum Aufbau einer sicheren europäischen Daten-Cloud.

Was hat das alles mit Baukultur zu tun? Architekten planen Wohngebäude, und diese Gebäude prägen häufig mehrere hundert Jahre unsere Stadtbilder. Allein die zunehmend virtuelle Arbeitswelt erzeugt neue funktionale und technisch bauliche Anforderungen an Wohngebäude. Architekten müssen sich aber künftig auch noch mehr mit der „Software“ der Gebäude auseinandersetzen. Die digitale Steuerungsoption von Gebäuden beeinflusst zunehmend auch deren Nachhaltigkeit. Und: Auch digitale, autonome Gebäude können baukulturell wertvoll sein!

Herzlichst Ihre
Ingeborg Esser
Hauptgeschäftsführerin des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V.

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